Die privaten Pflegeversicherer sehen sich unter Beschuss durch den Verbraucherschutz. Sie hätten die Einführung des Pflegestärkungsgesetzes II (PSG II) genutzt, um bei Pflegezusatzversicherungen Leistungen zu streichen und Beiträge raufzusetzen, kritisiert die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. So müssten die Kunden millionenfach Kürzungen beim Pflegetagegeld akzeptieren.
Scharfe Kritik an den privaten Krankenversicherern: Diese hätten das neue Pflegestärkungsgesetz II, welches zum Jahreswechsel 2017 in Kraft trat, genutzt, um Beiträge raufzusetzen und Leistungen zu streichen. Und zwar nicht in Einzelfällen – sondern in der Regel. Das berichtet die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in einer Pressemeldung vom Dienstag.
„Geringere Absicherung als ursprünglich gewünscht“
Viele Verbraucher mit einer Pflegezusatzversicherung hätten zum Jahreswechsel Post von ihrem Versicherer bekommen, schreibt die Verbraucherzentrale. Die Versicherer hätten in den Anschreiben höhere Beiträge und häufig sogar eine Absenkung des vertraglich vereinbarten Tagegeldes angekündigt. Damit stünden Verbraucher plötzlich mit einer geringeren Absicherung da, als sie sich bisher gewünscht hatten, klagt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
"Es ist nicht nachvollziehbar, dass Versicherer dem Verbraucherbedarf hier so wenig Augenmerk schenken", so Grieble. Die Verbraucherzentrale „erwartet zumindest, dass Versicherer betroffenen Verbrauchern die Möglichkeit bieten, diese verursachte Deckungslücke ohne Gesundheitsprüfung wieder zu schließen".
Fünf Pflegegrade statt drei Pflegestufen – und Mehrleistungen für Demenzkranke
Doch es gibt Gründe dafür, dass die Versicherer nun Leistungen nach unten korrigieren. Mit dem Pflegestärkungsgesetz wurden zum 1. Januar 2017 die bisherigen drei Pflegestufen zu fünf Pflegegraden ausgebaut. Im Zuge der Reform hat der Gesetzgeber speziell die Leistungen für Demenzkranke und Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen teils deutlich erweitert. Patienten, die bisher komplett durch das Raster der Sozialversicherung fielen, haben plötzlich Anrecht auf Leistungen, die sie zuvor nicht hatten.
Das betrifft folglich auch die private Pflegezusatzversicherung, die ebenfalls die alten Pflegestufen in Pflegegrade umrechnen musste. Speziell in den niedrigen Pflegestufen haben nun die Versicherten schneller Anrecht auf ein Tagegeld: Mehrleistungen, die aus den Mitgliedsbeiträgen finanziert werden müssen. Entsprechend haben auch viele Privatversicherer Prämien raufgesetzt und Leistungen angepasst. Soweit völlig in Ordnung.
Aber der Gesetzgeber machte den Versicherern keine Vorgaben, wie sie die Leistungen umzurechnen haben, sondern ließ ihnen hier relativ freie Hand. Wie und in welchem Umfang nun gekürzt wird, ist umstritten. Nach Aussagen der Verbraucherzentrale würden einige Versicherer ganz ohne Kürzungen auskommen. Andere nehmen nur leichte Korrekturen vor. Viele aber würden nun teils deutlich kürzen: in einzelnen Tarifen sinken Leistungen um 30 bis 60 Prozent, berichtet Grieble. Hatte eine Person in Pflegestufe III noch Anspruch auf ein Pflegetagegeld von 1.800 Euro, so sind es in Pflegegrad 4 nur noch 1.200 Euro.
Gespräch mit dem Versicherer suchen - und notfalls BaFin einschalten
Brisant: Viele Versicherte haben zunächst keine andere Möglichkeit, als im Vertrag zu bleiben - auch wenn sie mit den Kürzungen nicht einverstanden sind. Wer seine Pflegezusatz-Police schon längere Zeit hält und in der Zwischenzeit schwere Erkrankungen hatte, wird kaum kündigen können und eine vergleichbare Pflegezusatzversicherung finden. Denn die Versicherer bestehen auf eine neue Gesundheitsprüfung, Alter und Vorerkrankungen werden mit deutlichen Prämienaufschlägen und Ausschlüssen „bestraft“.
Die Verbraucherzentrale rät deshalb den Kunden, zunächst das Gespräch mit dem Versicherer zu suchen - und zeigt auch Verständnis für die Branche. Eine solch gigantische Umstellung des rechtlichen Rahmens wie das Pflegestärkungsgesetz II sei auch für die Versicherer eine große Herausforderung gewesen, erklärte Peter Grieble gegenüber dem Versicherungsboten. "Das ist freilich kein Grund, vielfach Umstellungen vorzunehmen, die nicht verbrauchergerecht sind", so Grieble.
Einige Versicherer hätten aber durchaus gezeigt, erklärt Grieble weiter, dass sich die nun verursachten Deckungslücken auch im Sinne der Kunden beheben lassen. Hier hofft Grieble auf die Gesprächsbereitschaft der Branche. Darüber hinaus sei auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Ansprechpartner, um mögliche Benachteiligungen der Verbraucher infolge der Umstellungen zu prüfen. Wichtig: Wer das Gespräch mit dem Versicherer sucht, sollte darauf bestehen, dass dieser für Korrekturen keine neue Gesundheitsprüfung verlangt.