Ein neuer digitaler Versicherer namens „Friday“ tritt an, um den Autoversicherungsmarkt in Deutschland umzukrempeln. Die Tochter der Schweizer Versicherungsgruppe Baloise wirbt damit, dass der Preis der Kfz-Tarife exakt nach den gefahrenen Kilometern des Fahrers berechnet werden kann.
Die Versprechen, mit denen der neue digitale Kfz-Versicherer Friday auf seiner Webseite wirbt, sind durchaus vollmundig. „Dein Start in eine bessere Versicherung“, heißt es, wenn man die Webseite friday.de anklickt. Die Versicherung sei „Digital. Papierlos. Monatlich kündbar.“ Und das absolute Novum: Der Versicherer beansprucht für sich, „die erste Versicherung mit kilometergenauer Abrechnung“ zu sein. Angeblich könne man sich schon ab einen Cent pro Kilometer versichern.
Friday ist ein Start-up aus Berlin, das zur Schweizer Baloise Gruppe gehört, in Deutschland durch die Basler Versicherung bekannt. Aber das Unternehmen soll eigenständig geführt werden, berichtet am Montag die "Süddeutsche Zeitung". Und zwar „voll digital“, ohne Vertreter und Makler. Das verspricht niedrige Vertriebs- und Verwaltungskosten. Wobei es ganz so einfach auch nicht ist: Man ist darauf angewiesen, im Netz präsent zu sein. Und das erfordert ein höheres Werbeetat, weil der Versicherer mit Online-Anzeigen und anderen Werbeauftritten um die Aufmerksamkeit des Kunden buhlen muss.
Geschäftsführer des Digital-Versicherers ist Christopher Samwer, kein Unbekannter in der deutschen Start-up-Szene. Zuletzt war Samwer Geschäftsführer und Mitgründer von Lendico, einem Kreditmarktplatz, bei dem Privatpersonen und Gewerbetreibende online Kredite für ihre Projekte einwerben können. Auch Lendico setzte auf die Vorteile von digital: Die Nutzer können sich hier Geld beschaffen, ohne bei einer Bank vorstellig werden zu müssen. Und hat Erfolg damit: Die Kreditplattform hat nach eigenen Angaben bereits 330.000 Nutzer erreicht.
Jahresleistung schätzen – später tatsächlich gefahrene Kilometer abrechnen
Friday erhebt nun den Anspruch, der erste und einzige Kfz-Versicherer in Deutschland zu sein, der bei der Prämie die tatsächlich gefahrenen Kilometer berücksichtigt. Der dazugehörige Tarif nennt sich „Zahl-pro-Kilometer“. Die Abrechnung Der Kilometerzahl sei möglich „ohne technische Einbauten zur Überwachung deines Fahrverhaltens“, heißt es auf der Webseite an die Kunden adressiert.
Zwar sind unterschiedliche Tarife nach Kilometerleistung nicht neu – viele Versicherer rechnen die Laufleistung bei ihrer Prämienkalkulation mit ein. „Aber nur bei uns wird kilometergenau abgerechnet“, sagte Samwer der Süddeutschen. Hierfür sei allein der Kilometerstand entscheidend.
Der Tarif funktioniert folgendermaßen: Bei Abschluss der Versicherung schätzt ein Kunde, wie viele Kilometer er im Jahr fahren wird, und zahlt anhand dieses Schätzwertes seinen Beitrag plus einer Grundpauschale. Nach einem Jahr fragt Friday dann den Kilometerstand erneut ab und validiert ihn „auf Basis von verschiedenen Regeln“, um einen Betrug auszuschließen. Wenn der Fahrer sein Auto weniger nutzte als geschätzt, erhält er die zu viel gefahrene Kilometer-Pauschale zurück. Wenn er mehr fuhr, muss er nachzahlen.
Vollkasko nur mit Selbstbehalt ab 300 Euro
Doch ist der Abschluss einer Kfz-Versicherung wirklich so einfach, wie Friday dies verspricht? Der Versicherungsbote hat sich auf der Webseite ein Testangebot für eine Vollkasko-Police erstellen lassen. Erste Beobachtung: Anders als beworben, wurde der Beitrag nicht schon nach 90 Sekunden angezeigt. Das Ausfüllen der angeforderten Daten ging zwar recht zügig vonstatten, nahm aber insgesamt knapp zehn Minuten in Anspruch. Und hält auch einige Fallstricke bereit.
Das liegt auch daran, dass bestimmte Leistungen extra hinzugewählt werden müssen und aufpreispflichtig sind. Sowohl der Rabattschutz kostet extra (Ein Schaden pro Jahr ohne Prämienanhebung) als auch die freie Werkstattwahl. Darüber hinaus kann ein Fahrerschutz integriert werden, der den Fahrer bei Unfällen absichert, sowie jeweils ein Schutzbrief für Pannen im In- und Ausland.
Als Automodell hat der Versicherungsbote einen neuen 3er BMW mit 118 PS für den Raum Leipzig (04103) versichern lassen. Die jährliche Fahrleistung war auf 12.000 Kilometer beschränkt. Die versicherte Person wurde mit Schadensfreiheitsklasse 10 angegeben, auch der Ehepartner sollte das Auto laut Antragsformular fahren dürfen.
Inklusive freier Werkstattwahl und Rabattschutz errechnete sich für das Modell ein Vollkasko-Beitrag von 51,20 Euro im Monat. Das ist vergleichsweise günstig. Allerdings wurde ohne diese Leistungen zunächst eine monatliche Prämie von 39,30 Euro angezeigt. Ist dies ein Fehlanreiz für den Kunden, auf wichtige Leistungszusagen zu verzichten? Ebenfalls auffallend: Der Abschluss des Vollkasko-Schutzes war nur mit einem Selbstbehalt von 300, 500 und 1.000 Euro wählbar. Friday-Sprecher Lukas Jarkowski bestätigte auf Anfrage des Versicherungsboten, dass die Teil- und Vollkasko nur mit Selbstbehalt wählbar ist.
Vertragsbedingungen erst nach Eingabe der Kontaktdaten zugesendet
Die Vertragsbedingungen erhält der Kunde erst zugesendet, wenn er eine Proberechnung zu seinem Fahrzeug durchgeführt und die Adress-Daten sowie die Bankverbindung eingegeben hat. Dann werden ihm die Unterlagen per Email zugeschickt. Der Versicherungsbote hat deshalb bei Friday-Sprecher Jarkowski nachgefragt, weshalb das Insurtech die Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht auf der Webseite zum Download anbietet – und wie das Unternehmen die Daten der Kunden behandelt, wenn sie keinen Vertrag abschließen. Werden die sensiblen Kundendaten möglicherweise sogar an Dritte weitergegeben?
„Die Dokumente - insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen - sind für den Kunden abrufbar, bevor er seinen Antrag absendet“, antwortete Jankowski. „Der Kunde kann vor Stellung seines Antrags die Zusammenfassung, der von ihm gemachten Angaben überprüfen und die Dokumente herunterladen und lesen und gegebenenfalls entscheiden, ob er den Antrag überhaupt absenden möchte.“
Selbst wenn der Kunde einen Antrag absendet, „werden keine Daten an Dritte – auch nicht innerhalb des Konzerns – weitergeleitet“, versicherte Jarkowski. Die Daten müssten erhoben werden, um den Antrag entsprechend § 28 Abs.1 Nr.1 BDSG bearbeiten zu können. Dennoch stellt sich weiterhin die Frage, weshalb der Kunde Kontodaten und Telefonnummer nicht erst später angeben kann, nachdem er sich für einen Antrag entschieden hat. Ohne Angabe dieser Daten erhält er die Vertragsunterlagen nicht zugeschickt.
Ziel: Beliebtester Sachversicherer werden
Auf dem Markt aktiv ist Friday bereits seit dem März 2017. Gestartet ist der Digital-Versicherer mit einem "klassischen" Autoversicherungs-Tarif, der aber ebenfalls eine Besonderheit aufweist: Er soll monatlich kündbar sein. Der "Zahl-pro-Kilometer"-Tarif sieht hingegen eine branchenübliche jährliche Kündigungsfrist vor. Die Pläne für die Zukunft sind ambitioniert. Aktuell beschäftigt Friday "30 Mitarbeiter, darunter promovierte Versicherungswissenschaftler, Wirtschaftsmathematiker, erfahrene Gründer und Digitalexperten", heißt es in einer aktuellen Pressemeldung des Unternehmens.
Mit der Autoversicherung hat sich das Start-up jene Sparte ausgesucht, die - dank hoher Standardisierung - laut GDV schon heute am häufigsten online nachgefragt wird. Und der Versicherer will sein Produktportfolio weiter ausbauen. "Unser Ziel ist, dass Friday der beliebteste Sachversicherer ist", sagte Firmenchef Samwer im Interview mit dem it-finanzmagazin.