Was sind Versicherungsanlageprodukte? Dieser Frage widmet sich BaFin in ihrem aktuellen Magazin 08/2017. Nicht von ungefähr, denn für diese Verträge wird es wohl ab 2018 striktere Regulierungsvorschriften geben als für „bloße“ Versicherungen. Unter anderem muss den Versicherungsnehmern ein zusätzliches Basisinformationsblatt ausgehändigt werden.
IBIP – diese Abkürzung klingt putzig und ein wenig nach Schluckauf. Dahinter verbirgt sich aber ein neuer Terminus Technicus des europäische Gesetzgebers im Versicherungsrecht, den auch Versicherungsvermittler kennen sollten. Denn für sogenannte Insurance-based Investment Products, hierfür steht die Abkürzung, sollen spätestens ab dem 23. Februar 2018 striktere Aufsichtsanforderungen gelten als für „reine“ Versicherungsprodukte. Darüber informiert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der aktuellen Augustausgabe ihres Journals.
Keine konkreten Vorgaben für Versicherungsanlageprodukte
Ins Deutsche lässt sich der Terminus mit „Versicherungsanlageprodukte“ übersetzen. Und zunächst erscheint die Sache einfach. Hiermit sind jene Lebensversicherungen gemeint, die nicht nur der Absicherung biometrischer Risiken dienen, sondern auch eine „Kapitalanlagekomponente mit Chancen und Risiken“ enthalten, „um für den Versicherungsnehmer im Todes- oder Erlebensfall einen Wert zu bieten“, wie die BaFin schreibt. Mischprodukte also, die ein Hybrid aus Risikoabsicherung und Geldanlage sind.
Geht es um die konkrete Definition einzelner Produkte, die den IBIP zuzurechnen sind, wird die Sache schon schwieriger. „Die Frage, welche Verträge als Versicherungsanlageprodukte einzustufen sind, ist nicht leicht zu beantworten“, schreibt die BaFin in ihrem Fachbeitrag. Denn der europäische Gesetzgeber habe diese Produkte nicht konkret definiert, sondern lediglich bestimmte Produktkriterien vorgegeben, anhand derer sich die nationalen Gesetzgeber orientieren sollen. Dies sei der Heterogenität des europäischen Markts geschuldet, „der es nahezu unmöglich macht, alle IBIPs zu benennen“, heißt es weiter.
Es gibt also nur einen losen Kriterienkatalog, welche Produkte als IBIP gemäß der Priips-Verordnung zu werten sind. Zu ermitteln, welche Produkte die Anforderungen konkret erfüllen müssen, sei "Aufgabe der Hersteller von Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsprodukten sowie der Personen, die Kleinanleger über diese Produkte beraten oder ihnen diese verkaufen."
Basisinformationsblatt und neue Beratungspflichten
Die Aufsichtsbehörde benennt auch, welche zusätzlichen Anforderungen zukünftig mit dem Vertrieb von IBIPs verbunden sein werden. Oder versucht es zu benennen, denn auch hier ist vieles noch unklar.
Fest steht: Die Verträge dürfen künftig nicht ohne Basisinformationsblatt nach der PRIIPS-Verordnung ausgehändigt werden. Ein Beipackzettel also, der das Risiko und die Renditechancen der Geldanlage ausweist, ebenso wie die Kosten des Anlageproduktes. Über die konkrete Ausgestaltung der Blätter konnte man sich bisher nicht einmal auf EU-Ebene einigen. Das EU-Parlament hat einen Vorschlag der EU-Kommission als „irreführend und fehlerhaft“ zurückgewiesen (der Versicherungsbote berichtete).
Der Vertrieb muss sich zudem auf neue Beratungspflichten einstellen. Auch hier sind die Details laut BaFin noch nicht geregelt – Grundlage wird das IDD-Umsetzungsgesetz sein.
Versicherungsanlageprodukte: Alle kapitalbildenden Lebensversicherungen
Welche Verträge rechnet nun die BaFin den IBIPs zu? Typisch für den deutschen Markt seien alle kapitalbildenden Lebensversicherungen, erklärt die Aufsichtsbehörde. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine „klassische“ Police mit Garantiezins handelt oder um ein Fonds-Produkt. Ausschlaggebend sei, dass beide Formen Marktschwankungen unterliegen. Hierzu führt die Finanzaufsicht aus:
„Bereits in der Begründung zum Vorschlag für die PRIIPs-Verordnung hatte die EU-Kommission deutlich gemacht, dass es keine Rolle spielen soll, ob der Kleinanleger ein direktes Kapitalverlustrisiko trägt. Entscheidend ist, ob ein IBIP direkt oder indirekt Marktschwankungen unterliegt. Dies ist sowohl bei klassischen Kapitallebensversicherungen als auch bei fondsgebundenen Lebensversicherungen und Hybridprodukten der Fall, so dass sich eine Differenzierung zwischen fondsgebundener und klassischer Kapitallebensversicherung verbietet.“
Die Klassifikation einer kapitalbildenden Lebensversicherung als IBIP erfolge unabhängig davon, ob die Prämie laufend oder als Einmalbetrag zu zahlen ist. „Entscheidend ist, ob sie einen Fälligkeits- oder Rückkaufswert enthält, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist“, argumentiert die Finanzaufsicht. Dies sei sowohl bei fondsgebundenen Lebensversicherungen zu bejahen, deren Fälligkeits- und Rückkaufswert von den Schwankungen der Fondsanteilswerte abhängt, als auch bei allen Verträgen, die eine Überschussbeteiligung des Versicherungsnehmers aus Kapitalerträgen vorsehen.
Darüber hinaus zählen laut BaFin auch sogenannte Termfixversicherungen zu den IBIPs. Also Policen, bei denen der Sparprozess auf einen festen Termin hin ausgerichtet ist wie bei Ausbildungsversicherungen. Auch Todesfall-Policen, bei denen die Überschüsse verwendet werden, um die Laufzeit zu verkürzen, müssen als Versicherungsanlageprodukt gewertet werden.
Negativliste: Diese Produkte sind ausdrücklich keine IBIPs
Darüber hinaus benennt die BaFin Verträge, die explizit nicht als Versicherungsanlageprodukte zu werten sind. Darunter fallen:
- alle nicht-fondsgebundenen Verträge ohne Beteiligung an Überschüssen aus Kapitalerträgen.
- Sofort beginnende Rentenversicherungen mit oder ohne Entnahmemöglichkeit und sofort beginnende abgekürzte Leibrenten gelten ebenfalls nicht als IBIPs, „da sie keinen Anlagecharakter im Sinne einer vermögensmehrenden Investition aufweisen“, so die Finanzaufsicht. Statt einen Vermögenszuwachs zu erzielen, werde das eingezahlte Kapital bei diesen Versicherungen durch die Rentenzahlungen aufgezehrt.
- Auch die betriebliche Altersversorgung sei nicht als Versicherungsanlageprodukt definiert. Hierfür sorge Artikel 2 Absatz 2 lit. f PRIIPs-Verordnung und Artikel 2 Absatz 1 Nr. 17 lit. d IDD. Somit sind neben Pensionskassen und Pensionsfonds auch Direktversicherungen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.
- Ebenso schon vom Wortlaut ausgeschlossen seien gemäß Artikel 2 Absatz 2 lit. e der PRIIPs-Verordnung zertifizierte Produkte nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG), also Riester- und Basisrenten. Vereinfacht gesagt, weil hier der Staat die Zertifizierung übernimmt und Zweck dieser Policen "in erster Linie die Versorgung im Alter" sei, was die BaFin vom Zweck der Geldanlage unterscheidet.
- Auch Versicherungsverträge, die nach der Solvency-II– Richtlinie Nicht-Lebensversicherungsprodukte (non-Life) sind, seien explizit vom Anwendungsbereich der IBIPs ausgenommen. Darunter fallen Krankenversicherungen in allen Produktvarianten, beispielsweise Wahltarife zur gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch Unfall-Policen mit Beitragsrückerstattung.