Die Versicherten häufen immer höhere Beitragsschulden bei den gesetzlichen Krankenkassen an. Die Außenstände beziffern sich mittlerweile auf über 7 Milliarden Euro: damit sind sie innerhalb von vier Jahren um mehr als 220 Prozent angewachsen. Vor allem Unternehmer mit kleinem Einkommen ächzen unter der Schuldenlast. Der GKV-Spitzenverband ruft nun nach einem Finanzausgleich durch Steuergelder.
Die Beitragsschulden der Kassenpatienten sind seit Einführung der Krankenversicherungspflicht im Jahr 2007 nahezu explodiert. Auf 7,045 Milliarden Euro summierten sich die Außenstände aller Krankenkassen im Juli 2017, so bestätigte der GKV-Spitzenverband am Donnerstag laut Deutscher Presse-Agentur. Zuerst hatte die „Berliner Zeitung“ über die enorme Schuldenlast bei den Krankenkassen berichtet.
Wie schnell sich die Schuldenlast vermehrt, zeigt ein Blick auf frühere Werte. Vor der letzten Bundestagswahl hatte die Schuldenlast der Kassenversicherten noch bei rund 2,2 Milliarden Euro gelegen, berichtet dpa. Damit sind die Außenstände der Krankenkassen innerhalb von vier Jahren um 220,23 Prozent angewachsen. Die Versichertenpflicht entpuppt sich für viele Menschen als Schuldenfalle.
Vor allem Selbstständige mit kleinem Einkommen überfordert
Mit Blick auf Zahlen des Bundesversicherungsamtes zeigt sich, dass vor allem sogenannte Solo-Selbstständige mit kleinem Einkommen bei den Kassenbeiträgen finanziell überfordert sind. Das sind solche Unternehmer, die keine eigenen Angestellten haben. So entfällt mit 5 Milliarden Euro der Löwenanteil der Schulden in die Kategorie der „freiwilligen Selbstzahler“, zu der vor allem Selbstständige gehören.
Kleine Unternehmer müssen regelmäßig den Höchstbeitrag von 760 Euro für die Kranken- und Pflegeversicherung zahlen, der normalerweise bei einem Einkommen ab 4.350 Euro fällig wird. Auch den Arbeitgeberanteil müssen sie selbst leisten. Auf die tatsächliche Höhe des Einkommens nehmen die Kassen hier keine Rücksicht. Den Versicherungsnehmern wird einfach ein Mindesteinkommen unterstellt, das viele Unternehmer nicht annähernd erzielen.
Infolgedessen können viele Selbstständige die Kassenbeiträge nicht aufbringen. Die Versicherer übernehmen dann nur noch eine Notfallversorgung. Um die Schulden abzubauen, rufen die Krankenkassen nun nach dem Staat. Wenn sich die Außenstände weiter summieren, müssten die Beitragsausfälle mit Steuergeldern ausgeglichen werden, heißt es aus dem GKV-Spitzenverband.
Fast die Hälfte des Brutto-Einkommens für die Krankenkasse
Wie prekär die Situation für viele Selbstständige ist, zeigt eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK aus dem Jahr 2016. Demnach verdient ein Drittel aller gesetzlich versicherten Selbstständigen – beziehungsweise 600.000 Personen von 2,16 Millionen – ein Bruttoeinkommen von durchschnittlich 787 Euro im Monat (siehe Tabelle).
Für diese Einkommensgruppe sei die Belastung durch die Krankenversicherung erheblich, schreibt das AOK-Institut. Dieses Drittel an gesetzlich versicherten Selbstständigen müsse "durchschnittlich 3.520 Euro jährlich an Beiträgen aufwenden, entsprechend einem Anteil von durchschnittlich 46,5 Prozent ihrer Einkünfte“ (Berechnungen nach dem Soziooekonomischen Panel 2012).
Kein anderes Bild in der privaten Krankenvollversicherung. Hier verdienen rund 143.630 Selbstständige in der untersten Einkommensgruppe ein durchschnittliches Jahres-Brutto von 8.041 Euro. Und müssen weit mehr als die Hälfte allein für die Krankenversicherung ausgeben: Die PKV-Beiträge fressen 58 Prozent des Bruttoeinkommens auf. „Ohne finanzielle Unterstützung, zum Beispiel von Familienangehörigen, sind die Belastungen in diesem Einkommenssegment für PKV- und GKV-versicherte Selbstständige kaum zu schultern“, so das Fazit der Studie.