Wie wichtig sind Emotionen auf dem Börsenparkett – und lassen Sie sich selbst davon beeinflussen? Ihr Moderationsstil und Rhetorik ist emotional geprägt (Jahresendrallye etc.). Oft hat man den Eindruck, Hektik und Panik sind häufige Begleiter auf dem Börsenparkett?
Emotion spielt sicher eine Rolle, allerdings früher mehr als heute. Die Technik, das Internet und der schnelle Handel über die Online-Plattformen haben hier viel dazu beigetragen, dass Hektik und Panik aus dem Börsensaal verschwunden sind. Alles ist nüchterner, transparenter und noch schneller geworden. Es wird auch nicht mehr „miteinander“ gehandelt, sondern nur noch über die „Maschine“. Dass mein Stil relativ emotional ist, liegt vielleicht eher in meinem Naturell begründet. Ich bin Rheinländer und versuche durch meine Stimmung und mit meiner Rhetorik, darauf hinzuweisen, dass es die Börse ÜBERHAUPT gibt. Denn wie schon festgestellt, wir haben in Deutschland immer noch zu wenig Aktionäre.
...was ist die Moral der Börse? Auch das ein Grund, weshalb viele Bürger ein Investment scheuen: sie wittern Betrug und fehlendes Gewissen, Thema Finanzspekulationen mit Lebensmitteln etc.. Gibt es auch eine Art Ethik der Finanzmärkte?
Das kommt darauf an, was man genau unter Ethik versteht?! Die Märkte handeln alles, was zu handeln ist. Angebot und Nachfrage, dass uralte Ritual des Handels. Jeder will ein Geschäft machen, die Unternehmen nehmen das Geld der Aktionäre und die Aktionäre wollen dafür natürlich „etwas mehr“ zurück. Ob in Form von Aktiengewinnen oder auch Dividenden. Niemand leiht Ihnen heute Geld, um nicht in ein paar Wochen, Monaten oder Jahren etwas mehr zurückzubekommen, oder? Also stellt sich die Frage der Moral eher für den Anleger selber, in welche Unternehmen er investiert. Der Markt ist groß genug um Gewinne auch mit Unternehmen zu machen, die nichts mit Waffen, Lebensmitteln oder Kinderarbeit zu tun haben.
Hand aufs Herz: Haben Sie selbst schon einmal mit einem Anlage-Tipp richtig daneben gelegen? Und wie haben Sie darauf reagiert?
Lacht….. Da muss ich die Hand nicht auf mein Herz legen, da bin ich ehrlich genug, auch zu mir selber. Natürlich habe auch ich schon daneben gelegen und mit Schmerzen und Verlust verkauft. Das gehört aber mit zum Lernprozess an der Börse. Je mehr man recherchiert und liest und sich mit einem Unternehmen beschäftigt, je mehr kann ich mich auch gegen Verluste schützen. Zudem kommt es auch immer drauf an, wieviel Rendite ich von meinem Investment verlange! Um es kurz zu sagen, fange ich an gierig zu werden, geht auch mein Spekulationsgrad in die Höhe und das Wagnis eines eventuellen Verlustes nimmt zu. Bleibe ich aber konservativ, vernünftig und ruhig, denke auf lange Sicht und investiere in die großen, internationalen Unternehmen, ohne eine Wahnsinnsrendite zu erwarten, so mache ich langfristig an der Börse auch weniger Fehler.
Die OECD hat wiederholt gewarnt, der anhaltende Niedrigzins bedroht Rentenfonds und Lebensversicherungen, speziell in Europa. Diese könnten gar Auslöser für eine neue Finanzkrise werden. Ihre Einschätzung – berechtigte Sorge? Kommt nach einer Dotcom- und Immobilien-Blase nun die Versicherungs-Blase?
Sicherlich ist die Niedrigzinsphase nicht unbedingt das, was wir uns hier in Deutschland erwarten. Aber was will EZB Chef Mario Draghi tun, um die angeschlagenen südlichen Länder vor dem Kollaps zu bewahren? Wir hier könnten auch durchaus mit Zinsen von 3- 3,5 % gut leben. Aber sicher nicht Spanien, Zypern, Italien, Griechenland oder auch Frankreich. Somit muss die EZB die Zinsen tief halten, was aber für mich noch nicht bedeutet, dass die Versicherer uns morgen „um die Ohren fliegen“. Die müssen ihren Kunden halt andere Wege anbieten, ihr Vermögen zu schützen und aufzubauen, denn das Thema Lebensversicherung ist sicher keine Alternative mehr.
Die Fragen stellte Mirko Wenig