Pflegeversicherung - Pflegereform führt zu Antragsstau

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Wird ein Mensch pflegebedürftig, dann brauchen er und seine Angehörigen schnelle Hilfe. Doch genau dies kann die gesetzliche Pflegeversicherung derzeit nicht bieten. Die Pflegereform hat zu deutlich längeren Bearbeitungszeiten bei der Begutachtung geführt – ein Antragsstau ist die Folge.

Am 1. Januar 2017 trat die zweite Stufe des 2. Pflegestärkungsgesetzes in Kraft. Seitdem wird die Pflegebedürftigkeit in der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht mehr in drei Pflegestufen gemessen, sondern in fünf Pflegegraden. Doch diese Reform hat nun dazu geführt, dass die Bearbeitungszeit bei Pflegegutachten deutlich zugenommen hat. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Deutschen Bundestag hervor, über die das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet.

30,6 Tage Wartezeit

Laut Bundesregierung betrug die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei den sogenannten Regelbegutachtungen im Oktober 2017 im Bundesschnitt 30,6 Arbeitstage. Im Vorjahr waren es noch 18,1 Tage gewesen. Im Schnitt müssen also die Menschen 12 Tage länger warten, bis sie erfahren, welchen Pflegegrad ihnen zugesprochen wird.

Die Bundesregierung begründet das damit, dass die Pflegereform zu einem erhöhten Antragsaufkommen geführt habe. So erlangen nun erstmals Menschen Anrecht auf Pflegeleistungen aus der gesetzlichen Pflegekasse, die zuvor durch das soziale Netz gerutscht waren: Speziell Menschen mit geistiger Beeinträchtigung wie Demenz werden durch die Pflegereform deutlich bessergestellt.

Bundesweit gab es im November 2017 circa 220.000 unbearbeitete Anträge, so berichtet die Bundesregierung weiter. Dieser Rückstau soll aber bis März 2018 aufgeholt werden, verspricht das Bundesgesundheitsministerium. Wichtige Erstanträge mit besonders dringlichem Entscheidungsbedarf würden zudem bereits nach durchschnittlich 12,5 Arbeitstagen abgearbeitet.

Regional große Differenzen

Doch noch etwas fällt auf bei der Bearbeitungsdauer von Pflegeanträgen: regional gibt es enorme Differenzen. Demnach überschreitet in 10 von 15 Regionen die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 25 Tagen, die als gesetzliche Höchstgrenze vorgeschrieben ist: Wenn diese auch für das Jahr 2017 ausgesetzt wurde. Und während in Mecklenburg-Vorpommern die Pflegebescheide schon nach 20,7 Bearbeitungstagen erteilt werden, müssen die Menschen in Westfalen-Lippe 36,1 Tage warten und in Schleswig-Holstein gar 46,1 Tage.

„Die Erhöhung der Bearbeitungszeit ist besorgniserregend. Jeder Pflegebedarf ist dringend und es muss schnell gehandelt werden“, kommentierte Sabine Zimmermann, Fraktionsvize der Linken im Bundestag, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Sie forderte, die Medizinischen Dienste aufzustocken und bundeseinheitliche Standards bei der Bearbeitungszeit festzulegen.

Die Pflegereform der Bundesregierung hatte als wichtiges Ziel, Menschen mit geistigen Einschränkungen besser zu versorgen. Die bisherigen drei Pflegestufen wurden ab Januar 2017 zu fünf Pflegegraden ausgebaut, um differenzierter die Ansprüche eines auf fremde Hilfe angewiesenen Patienten erfassen zu können. Geringe, erhebliche und schwere Beeinträchtigungen werden seitdem in die Pflegegrade 1 bis 3 eingestuft. Pflegegrad 4 bedeutet, dass der Pflegebedürftige „schwerste Beeinträchtigungen“ hat. Die höchste Pflegestufe 5 bedeutet „besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung“, etwa die Notwendigkeit einer lückenlosen Betreuung. Entsprechend ist auch gestaffelt, auf welche Geld- und Sachleistungen ein Patient Anspruch hat.

Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland