Sollten Versicherungsmakler kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) als Zielgruppe für gewerbliche Versicherungen ins Auge fassen - auch dann, wenn sie bisher auf das private Geschäft spezialisiert sind? Hierzu hat der Versicherungsbote mit Ulrich Neumann gesprochen, Leiter der Partnervertriebe der Gothaer. Der Versicherer untersucht die Absicherung von KMU regelmäßig mit einer Marktstudie.
Versicherungsbote: Sie haben letztes Jahr in einer Studie herausgefunden, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht ausreichend gegen Gewerberisiken versichert sind: 45 Prozent hätten nur bis zu drei Policen. Für einen Laien klingt das erstmal viel, immerhin 88 Prozent haben eine Betriebshaftpflicht. Naiv gefragt: Warum reicht das nicht? Bei welchen Risiken bestehen Lücken?
Ulrich Neumann: Wir stellen fest, dass die Einschätzung der Unternehmen, welchen Bereich des Betriebes sie am wertvollsten einschätzen, von Jahr zu Jahr deutlich ansteigt: genannt werden da das „Computersystem inkl. Daten“. Gerade dort finden wir gleichzeitig derzeit nur wenige Versicherungsvorträge vor und somit teilweise bedeutende Lücken in der Absicherung der betrieblichen Risiken.
Viele Versicherungsmakler scheuen nach unseren Erfahrungen die Beratung zum Thema Gewerbe. Speziell bei kleinen und mittelständischen Firmen könnte man vermuten, dass der Beratungsaufwand hoch ist, die Haftung riskant. Ist das ein Vorurteil?
Auch die umfassende Beratung zu einer Privathaftpflicht- und Hausratversicherung benötigt bei richtiger Ausführung entsprechende Zeit und birgt ebenfalls Haftungsrisiken, mit Fach- und Branchenwissen wird eine Beratung bei kleinen oder mittelständischen Firmen natürlich deutlich leichter.
Es gibt über 2.000 Betriebsarten in Deutschland mit verschiedensten Anforderungen. Ist es ratsam für Versicherungsvermittler, aufgrund der Komplexität von Gewerberisiken sich auf eine Branche zu spezialisieren?
Eine Spezialisierung kann ein guter Ansatz sein, wenn es die Region hergibt - ein Vermittler in einer Großstadt hat gegenüber einem in einer ländlichen Gegend auch ausreichend Potentiale – oder wenn man sich an das Gewerbegeschäft erst noch herantraut. Eine Spezialisierung kann helfen, man sammelt schneller Erfahrungen und umfangreiche Kenntnisse in einer Branche und kann diese dann auf andere Branchen übertragen und sein Zielgruppen ausbauen.
Wie finden Versicherungsmakler den Einstieg in die Gewerbesparte, wenn sie zuvor nur Privatkunden beraten haben? Wo finden sie Ansprechpartner?
Als erster Schritt wäre es zu empfehlen sich gezielt weiterzubilden und somit fachlich aufzurüsten. Hier bieten sich Weiterbildungsinstitute wie z.B. die Deutsche Makler Akademie (DMA) an. Anschließend wäre es notwendig sich auf Zielgruppen zu fokussieren. Dafür sollte der Geschäftspartner sein Umfeld oder seinen bestehenden Kundenkreis auf Potentiale untersuchen. Danach wäre dafür der Anbietermarkt zu sondieren. In diesem Markt gibt es die Top 10 auf der Anbieterseite, zu denen zum Beispiel die Gothaer gehört. Bei der Kontaktaufnahme bietet das Maklerportal die Ansprechpartner-Kontaktdaten, so daß dann in einem persönlichen Gespräch die Möglichkeiten und Angebote, aber auch die Vorgehensweise abgesprochen werden können.
Vertriebsexperten empfehlen Versicherungsmaklern, den Bedarf eines Unternehmens individuell zu beurteilen. Wie sollten die Vermittler bei der Bedarfsermittlung vorgehen?
Nach einer detaillierten Bestandsaufnahme aller risikoerheblichen Umstände des Betriebes und des Betriebsinhabers sowie seiner Mitarbeiter, sollte dem Kunden das Spektrum versicherungsrelevanter Gefahren aufgezeigt werden, um mit ihm seine Einschätzung und Bewertung zu teilen, auf deren Basis dann ein Beratungsprotokoll erstellt werden sollte und die gefragten Angebote erstellt werden.
Versicherungsbote: Wo sehen Sie potentielle Haftungsrisiken, wenn Vermittler speziell kleinere Firmen beraten?
Wichtig ist vor allem die betriebliche Tätigkeit des Unternehmens richtig einzuschätzen inkl. eventueller Abhängigkeiten (Zulieferer, Abnehmer, Kundenbeziehungen) sowie bei der Ermittlung der Versicherungswerte ordentlich zu agieren. Zu niedrige Versicherungssummen sorgen beispielsweise bei Schäden durch einen Brand oder Einbruch für viel Verärgerung und oft auch zu einer Kürzung der Versicherungsleistung.
Bei Cyber und Datenschutz noch massive Unterdeckung
Versicherungsbote: Gibt es aktuell Branchen, wo Sie speziell mit Blick auf KMU besondere Wachstumspotentiale sehen?
Ulrich Neumann: Hier verweise auf die KMU-Studie aus unserem Hause. Aber auch: Deutschland ist ein Land mit über 3 Millionen mittelständigen Unternehmen, die im Handel, Handwerk und im Bereich Dienstleistungen stark aufgestellt sind. Insbesondere wachsen Dienstleistungsbereiche besonders stark in den letzten Jahren. Neue Risiken wie Cyber und Risiken, die sich aus dem Umfeld des Datenschutzes ergeben, haben ein großes Wachstumspotential, da hier noch eine massive Unterdeckung besteht.
Der zu versichernde Wert eines Unternehmens kann sich schnell ändern: der Umsatz steigt oder sinkt, man stellt zusätzliche Mitarbeiter ein, findet Vertriebspartner etc. In welchen Situationen sollten Unternehmen ihren Versicherungsschutz überprüfen - und wie oft?
Auf jeden Fall immer vor Investitionen oder Veränderungen im Betrieb, beispielsweise bei Produktionsablauf, Warensortiment oder Tätigkeitsfeld. Regelmäßige Gespräche sollten vor Ort geführt werden - die Nutzung digitaler Medien kann die Kommunikation für alle Parteien erleichtern.
Viele Menschen verkaufen im Internet Produkte, die sie teils als Hobby herstellen, etwa Kleidung oder Selbstgebasteltes. Ab wann braucht man eigentlich eine Gewerbehaftpflicht oder eine andere Absicherung für Unternehmen?
Im Prinzip immer! Eine „Untergrenze“ oder etwas ähnliches gibt es nicht, es ist gerade für diese Zielgruppe nicht so einfach das Risiko zu vermeiden, dass beispielsweise ein Produkt immer zum vorgesehen Zweck verwendet wird. Daraus können Schadenersatzansprüche - bspw. Personenschäden - entstehen, mit denen der Unternehmer sich im In- oder auch Ausland auseinandersetzen muss. Die Betriebshaftpflicht hilft bereits bei der Prüfung der Haftungsansprüche, wehrt diese dann gegebenenfalls ab oder leistet eine Entschädigung.
Sie haben gemeinsam mit der Debeka, Barmenia, HUK-COBURG und Die Stuttgarter das Rentenwerk ins Leben gerufen, um das Tarifpartnermodell nach dem Betriebsrentenstärkungsgesetz anbieten zu können. Die Bundesregierung will damit Betriebsrenten auch in KMU besser fördern. Können Sie berichten, wie hier der Stand ist? Mein persönlicher Eindruck: bisher tut sich noch nicht viel beim neuen Durchführungsweg der Betriebsrenten.
Es ist richtig, dass es aktuell noch keine Versorgungswerke gibt, die nach dem neuen Sozialpartnermodell ausgestaltet sind. Hier sind die Sozialpartner, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften gefragt, entsprechende tarifvertragliche Regelungen miteinander zu verhandeln und schlussendlich auch zu vereinbaren. Es ist jedoch nicht verwunderlich, dass einige Monate nach Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes die Sozialpartner in diesem Bereich noch keine Tarifabschlüsse erzielt haben. Der Erfahrung nach muss das Thema Altersversorgung - neben zahlreichen anderen wichtigen Themen - in den Tarifrunden eine so bedeutsame Rolle spielen, dass es letztlich auch zu neuen tarifvertraglichen Regelung in der Altersversorgung kommt. Die Neugestaltung komplexer Versorgungswerke (z.B. im Bereich der Metall- oder Chemierente) erfordert erfahrungsgemäß einiges an Zeit und intensiver Arbeit. Wir wissen aber, dass es in verschiedenen Tarifbereichen großes Interesse an dem Sozialpartnermodell gibt und auch einige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände hierzu bereits in Gesprächen stehen.
Das Rentenwerk kann hier mit der Expertise von fünf großen Versicherungsvereinen punkten. Das Produktkonzept des Rentenwerks ist meines Erachtens transparent und fair. Denn unseren Kunden stehen die Erträge zu, die nach Abzug von Kosten und optionalem Versicherungsschutz erwirtschaftet werden. Damit unterscheidet sich Das Rentenwerk grundsätzlich von klassischen Versicherungen und auch manchem Pensionsfonds. Wir sind daher überzeugt, dass das Rentenwerk eine bedeutende Rolle bei der Ausgestaltung von Sozialpartnermodellen spielen wird.
Die Fragen stellte Mirko Wenig