Bei Wechsel von PKV in gesetzliche Familienversicherung droht zweijährige Pflegelücke

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Wenn Versicherungsnehmer von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln, lauern Hindernisse und Hürden. Auf ein gefährliches Risiko weist aktuell die Verbraucherzentrale Hamburg hin. Demnach riskieren Wechsler in das gesetzliche System eine zweijährige Lücke bei der Pflegeversicherung, wenn sie sich kostenfrei in der Familienversicherung mitversichern lassen. Das kann eine Armutsfalle bedeuten.

Wer von der privaten Krankenversicherung in die Familienversicherung der gesetzlichen Krankenkassen wechselt, riskiert eine zweijährige Lücke in der Pflegeversicherung. Und das völlig zu recht, wie auch das Bundessozialgericht bestätigt hat. Demnach ist es gesetzlichen Pflegekassen erlaubt, erst nach einer zweijährigen Wartezeit ein Pflegegeld auszuzahlen. Darauf macht aktuell die Verbraucherzentrale Hamburg aufmerksam (Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. November 2017, Az. B 3 P 5/16 R).

Mann ohne Einkommen erhält kein Pflegegeld

Im konkreten Rechtsstreit forderte eine Witwe nachträglich Pflegegeld von der gesetzlichen Pflegeversicherung ihres Mannes. Der Mann war zunächst lange privat versichert. Doch nachdem er zu einem Pflegefall geworden war, konnte er in die kostenlose Familienversicherung seiner gesetzlich krankenversicherten Ehefrau aufgenommen werden. Deshalb kündigte er sowohl seine private Kranken- als auch Pflegeversicherung.

Die gesetzliche Pflegeversicherung verweigerte jedoch volle zwei Jahre lang sämtliche Leistungen. Dabei berief sie sich darauf, dass der Betroffene noch nicht die Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Pflegeversicherung erfüllt habe, die zwei Jahre betrage. Die Familie geriet daraufhin in finanzielle Probleme. Der Mann hatte die höchste Pflegestufe III und war auf ständige Betreuung angewiesen: er litt unter der Nervenkrankheit ALS, die unter anderem mit teilweiser Lähmung des Körpers und Muskelschwund einher geht. Pflegeleistungen mussten die Senioren nun selbst zahlen.

Familienversicherung: Zweijährige Wartezeit ist erlaubt

Die Frau gab sich aber nicht damit zufrieden, dass sie selbst die Pflegekosten ihres Mannes zahlen sollte, und zog vor Gericht. Sie wollte nun das Pflegegeld von der Krankenkasse erstattet haben, nachdem ihr Mann verstorben war. Ein Urteil vor dem Landessozialgericht gewann sie zunächst. Doch das nützte ihr wenig, denn die Pflegekasse verweigerte weiterhin das Pflegegeld. Schließlich musste die Frau in den nachfolgenden Instanzen eine bittere Niederlage einstecken.

Denn auch das Bundessozialgericht bestätigte, dass bei der kostenlosen Mitversicherung von Verwandten die Familienversicherung eine zweijährige Wartezeit für Pflegeleistungen verlangen kann. Hierbei betonten die Richter den Unterschied zu dem Fall, dass jemand in die Krankenkasse zurückgezwungen und dort versicherungspflichtig wird: etwa, weil der Betroffene vor dem 55. Lebensjahr als Angestellter mit dem Einkommen unter die Krankenversicherungspflichtgrenze rutscht, also zu wenig verdient, um sich weiter privat zu versichern. In diesem Fall darf die Pflegekasse keine Wartezeit verlangen und die Versicherungszeiten der privaten Pflegepflichtversicherung müssen angerechnet werden.

Familienversicherung "nachrangige Form des Versicherungsschutzes"

Anders bei der Familienversicherung. Diese stelle nicht etwa eine Unterform der Versicherungspflicht dar, betonten die Richter. Es handle sich stattdessen um eine „nachrangige - beitragsfreie - Form des Versicherungsschutzes, insbesondere für Ehepartner und Kinder, die für die Begünstigten zwar zu eigenständigen Leistungsansprüchen führt, nicht aber etwa auch zu einer Pflichtmitgliedschaft bei einer Krankenkasse.“ Stark vereinfacht kann die Krankenkasse hier eine Wartezeit verlangen, weil der Versicherte keine Beiträge zahlt und freiwillig wechselte. „Der Kreis der Familienversicherten bildet insoweit neben den Pflichtversicherten und den freiwillig Versicherten eine eigenständige - dritte - Versichertengruppe“, hoben die Richter hervor.

Verbraucherzentrale kritisiert Intransparenz und Kostenfallen

In die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ihres Partners können Senioren wechseln, wenn sie ein Einkommen von weniger als 435 Euro im Monat haben. Für die Verbraucherzentrale Hamburg bietet sich diese Option speziell für Versicherungsnehmer an, die mit den Beiträgen in der privaten Krankenversicherung überfordert sind. Denn mit einem derart niedrigen Einkommen dürften selbst die Sozialtarife der PKV kaum zu stemmen sein.

Doch aus Sicht der Verbraucherschützer wird den Senioren ein Wechsel bewusst erschwert - und viele werden so in die Armut getrieben. Hier fordert die Verbraucherzentrale Korrekturen durch den Gesetzgeber. In einem Pressestatement heißt es: "In unserem Krankenversicherungssystem gibt es jede Menge Fallstricke. Wir fordern die Politik auf, tückische Gesetzesfallen wie die beschriebene zu beseitigen und gesetzlich zu regeln, dass Familienversicherte den Pflichtversicherten bei der Anrechnung der Vorversicherungszeiten gleichgestellt werden. Ansonsten tappen Betroffene systematisch in diese Falle."

"Selbst Rechtsanwälte blicken nicht mehr durch"

Es verstoße gegen jedes Gebot von Transparenz und Fairness, "das System der Absicherung gegen Krankheit und Pflegebedarf so kompliziert auszugestalten, dass selbst Krankenkassen, Rechtsanwälte und Patientenberater diese Feinheiten nicht mehr kennen und verstehen", argumentiert die Verbraucherzentrale weiter.

Für Wechselwillige hat die Verbraucherzentrale dennoch einen Tipp: "Kündigen Sie nur die private Kranken‑, nicht aber die private Pflegeversicherung, wenn Sie in die gesetzliche Familienversicherung wechseln. Zahlen Sie die Beiträge für die private Pflegeversicherung zunächst zwei Jahre lang weiter – bis Ihnen auch die gesetzliche Pflegeversicherung Leistungen gewährt."

Ohne Versicherungsschutz könne es hingegen teuer werden. Wenn ausgerechnet in der zweijährigen Übergangszeit Pflege notwendig wird, müssen die Betroffenen dann selbst dafür aufkommen. Beim höchsten Pflegegrad 5 wäre für die Dauer von zwei Jahren eine Summe von 50.000 Euro zu stemmen, warnen die Hamburger.