Eine Stellenbörse nur für die Versicherungsbranche – kann das funktionieren? Ja, wie das Beispiel von Hans Steup zeigt. Mit „VersicherungsKarrieren“ betreibt Steup seit 2011 eine Stellenbörse, die sich ganz auf Jobs, Events und Kontakte rund um Versicherungen spezialisiert hat. Der Versicherungsbote hat mit dem gelernten Versicherungskaufmann und Networker gesprochen.
Versicherungsbote: Sie betreiben Deutschlands ersten reinen Stellenmarkt für Versicherungen. Wie kamen Sie dazu? Und wie wird das Angebot angenommen?
Hans Steup: Nach fast zwanzig Jahren bei der Allianz suchte ich eine neue Beschäftigung. Als KV-Vertriebs-Unterstützer in Berlin keine leichte Aufgabe. Zum einen schreiben viele Unternehmen ihre Jobs nicht aus. Keine Ahnung, wie sie eigentlich gefunden werden wollen. Zum anderen rufen ahnungslose Personal-Vermittler an, suchen einen KV-Sachbearbeiter, meinen aber einen Kfz-Versicherungs-Sachbearbeiter. Es war ein riesiges Durcheinander. In meinen Gesprächen mit Arbeitgebern kam heraus, dass auch die Unternehmen genervt waren von der komplizierten Suche nach Mitarbeitern. Ein zentraler Stellenmarkt für die Versicherungsbranche musste also her.
Welche Wege empfehlen Sie Finanzdienstleistern (darüber hinaus), um Mitarbeiter zu gewinnen? Hat die klassische Stellenanzeige ausgedient?
Stellenanzeigen sind oft das erste, was ein möglicher Mitarbeiter von Ihrem Unternehmen sieht. Klassische Stellenanzeigen lesen sich allerdings wie Bedienungs-Anleitungen. Sterbenslangweilig. Teilweise unverständlich. Darauf bewirbt sich niemand mehr. Miese Stellenanzeigen schrecken gute Mitarbeiter sogar ab. Denn diese haben die freie Wahl. Nur eine Story-basierte Stellen-Ausschreibung gibt möglichen Kandidaten ein Gefühl dafür, wie es ist, in Ihrem Unternehmen zu arbeiten. Alles andere ist wirkungsloses Blabla.
Wo können Finanzdienstleister denn gezielt proaktiv suchen, um neue Mitarbeiter für den Versicherungsvertrieb zu finden? Gibt es Plattformen, die Sie empfehlen können – oder gar Geheimtipps?
Sie empfehlen, Stellen auch via Social Media zu bewerben. Wie gewinnt man dort Mitarbeiter? Es langt ja nicht einfach, eine gute und beeindruckende Facebook- oder Xing-Seite zu haben – sie muss von der Zielgruppe auch entdeckt werden!
Eine Seite bei Facebook oder Xing zu haben, bringt gar nichts, wenn Sie nicht regelmäßig und gezielt Beiträge schreiben. Denn die organische Reichweite einzelner Beiträge über eine Facebook-Firmen-Seite sinkt seit Jahren. Mark Zuckerberg kündigte an, dass sich dieser Trend in 2018 verstärke. Nur mit zielgerichteter Bezahl-Werbung erreichen Sie die Menschen, die Sie erreichen wollen. Trotz allem war es für Unternehmen nie zuvor einfacher und preiswerter, Menschen zu erreichen. Schreiben Sie auch in Facebook-Gruppen: hilfreiche Kommentare und Beiträge, die die Mitglieder der Gruppe, bestenfalls Ihre Zielgruppe, weiterbringen.
„Festigen Sie Ihren guten Ruf“, heißt einer Ihrer Ratschläge, um neue Mitarbeiter zu überzeugen. Wie kann das aussehen? Hierbei gilt es ja auch zu bedenken, dass die Vermittler- und Finanzbranche allgemein ein eher negatives Image hat.
Das Image haben wir selbst verzapft. Mit manch` schlecht ausgebildeten Vermittler und einigen gierigen Führungskräften. Mein Selbstmitleid hält sich in Grenzen. Um negative Schlagzeilen müssen wir uns nicht kümmern. Dafür gibt es Verbraucherschützer, ZDF-WISO und unterbeschäftigte Zeitungs-Redakteure. Wir müssen für schöne Schlagzeilen sorgen. Und zwar selbst. Versicherer zahlen jedes Jahr rund 208 Milliarden Euro an Leistungen. Das sind alle zehn Minuten vier Millionen Euro für verletzte und kranke Menschen, überschwemmte Wohnhäuser und abgebrannte Lagerhallen. Das müssen wir den Menschen erzählen: die Motivation, warum wir Versicherungen verkaufen. Auf unseren Webseiten und bei Facebook. Jeden Tag.
Makler, Finanzberater oder Vertriebsleiter müssen auch gute Verführer sein, schreiben Sie auf Ihrer Webseite. Was meinen Sie damit? Was zeichnet einen guten Verführer aus – und wozu muss er „verführen“?
Verführung läuft in drei Stufen: Kennen lernen, lieben lernen, haben wollen. In genau dieser Reihenfolge. Viele Arbeitgeber sind schlechte Verführer und benehmen sich wie ein Mann, der auf der Straße wildfremde Frauen fragt, ob sie ihn heiraten wollen. Kandidaten wollen wissen: Wie ist das Unternehmen so? Passt es zu mir? Wie hilft es mir, meinen Job gut zu machen? Zeigen Sie das potentiellen Kandidaten.
Stellen Sie als Unternehmen den Mensch in den Mittelpunkt!
Versicherungsbote: Die Branche hat ein Nachwuchsproblem. Versicherungs- und Finanzvermittler haben ein Durchschnittsalter, das auf die 50 Jahre zugeht, so zeigen es mehrere Befragungen. Macht die Branche aus Ihrer Sicht selbst genug, um neue Mitarbeiter für den Vermittlerberuf zu begeistern?
Hans Steup: Viele Unternehmen stellen sich selbst in den Mittelpunkt. Ego-Kram. Sie spielen das alte Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Spiel. Heute sucht niemand ein Unternehmen, das ihm Arbeit gibt, die er dann nehmen kann. Stellen Sie den Kandidaten als Mensch in den Mittelpunkt. Zeigen Sie ihm, wie Sie ihn auf seinem beruflichen Weg begleiten. Bewerben Sie sich bei ihm. Ansonsten kommt er nicht zu Ihnen.
Die Branche stellt auf digital um - Fast täglich berichten wir von Stellenabbau in der Versicherungs- und Finanzbranche, sei es im Vertrieb oder Innendienst. Können Sie vor diesem Hintergrund jungen Menschen überhaupt empfehlen, eine Karriere in der Branche anzustreben?
Wer sich als Risikomanager für Familien und Firmenkunden versteht, hat auch in Zukunft viel zu tun. Der im Durchschnitt schlecht informierte Kunde braucht einen qualifizierten Ratgeber. Hinzu kommen neue Berufsfelder: Versicherungskenntnisse plus Online-Marketing, plus Social Media, plus Storytelling uvm. Außerdem brauchen wir Prozess-Verbesserer und Produkt-Entwickler. Entdecker, die mit offenen Augen durch die Welt gehen und neue Ideen finden und bauen. Ich finde die Versicherungsbranche extrem spannend.
Als Branchenbeobachter – Wie gestaltet sich aus Ihrer Sicht das Miteinander in Firmen von Finanzdienstleistern? Ein -möglicherweise- Klischee besagt ja, es herrscht hoher Vertriebsdruck, man muss schnell Erfolge liefern, von festen Arbeitszeiten kann keine Rede sein. Berechtigt?
Ich höre noch zu viele Schauer-Geschichten aus Unternehmen. Nicht eingehaltene Versprechen. Und Führungskräfte, die in den 90ern das letzte Mal selbst beim Kunden waren und glauben, dass die alten Methoden noch immer funktionieren. An manchen dieser Leute sind Internet, Facebook und Xing komplett vorbeigerauscht. Solche Führungskräfte haben keinen blassen Schimmer von modernen Geschäftsmodellen für Vermittler. Auf der anderen Seite sorgen immer mehr außergewöhnliche mittelständische Vermittlerbetriebe dafür, dass ihre Mit- arbeiter erfolgreich arbeiten können. Viele von denen betreiben leider kein gutes Arbeitgeber-Marketing, sodass diese Perlen potentiellen Mitarbeitern verborgen bleiben. Gutes Marketing ist selten bei Vermittlern.
Was muss oder kann sich mit Blick auf das Betriebsklima in der Finanzbranche noch verbessern?
Ganz einfach: Stärken Sie die Menschen und klären Sie die Dinge. Lassen Sie jede Führungskraft alle sechs Monate von den Mitarbeitern beurteilen. Vom Orgaleiter bis zum Vorstand. Und dann handeln Sie. Die Guten in‘s Töpfchen. Die Schlechten ins Kröpfchen. Fertig.
Die Fragen stellte Mirko Wenig