Versicherungsbote: Kann eine private Pflegepolice einen Beitrag leisten, die stationäre Pflege im Pflegeheim zu verbessern? Es wird oft argumentiert, man müsse einfach dafür sorgen, dass die Unterbringung im Heim finanziert ist. Nun habe ich bei Angehörigen die Erfahrung gemacht, dass die Pflege oft nicht optimal ist: zu wenig Pfleger kümmern sich um die Patienten, sie liegen sich wund, haben keine Beschäftigung, werden mit Medikamenten ruhig gestellt. Das betrifft sowohl gesetzlich Versicherte als auch Privatversicherte. Gibt es da Vorsorgemöglichkeiten, damit man auch stationär besser betreut wird?
Hagen Engelhard: Das ist eine einfache Rechnung. Wenn ich sage: „Ich habe nichts getan“. Und sage: „Ich habe eine gesetzliche Pflegeversicherung, die mittlerweile per Gesetz über alle Pflegegrade gleich eine Eigenbelastung zumutet“, dann kann ich in Deutschland im Moment ein durchschnittliches Pflegerisiko definieren. Und dieses Risiko liegt - unabhängig vom Pflegegrad - bei einer Eigenbelastung von 1.700 Euro im Monat. Das kostet mich ein durchschnittlicher Pflegeheimplatz als Patient.
Wenn das Geld nicht aufzubringen ist, kann sich der Pfegebedürftige bzw. seine Angehörigen nur ein Pflegeheim suchen, das unterdurchschnittlich kostet. Dann ist die Gefahr groß, dass man entsprechend betreut wird: man spart am Personal, man spart an der Pflege, man spart an allem, wo irgendwo etwas zu sparen ist. Oder der Patient geht irgendwohin, wo die Kosten niedrig sind. Also ab ins Vogtland, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen und das Lohnniveau niedrig ist. Wenn ich das verhindern will, muss ich sagen: Ich gehe in ein überdurchschnittlich teures Heim, schaue mir an, was die dort machen, und lebe damit, dass es keine 1.700 Euro kostet, sondern 2.000 oder gar 2.500 Euro. Bloß: Dann muss ich dieses Geld auch verfügbar gemacht haben und das geht für viele Menschen nur mit einer vernünftigen Versicherung. Hier wäre darauf zu schauen, ob man mit einer privaten Pflegezusatzversicherung und der erwarteten Rente genug Einkommen hat, um sich eine überdurchschnittliche Unterbringung zu leisten.
Nun habe ich den Verdacht, dass da Menschen auch die Versäumnisse des Gesetzgebers und der Pflegebranche ausgleichen. Sie empfehlen gerade, man soll von vorn herein mehr Kosten einplanen, um eine menschenwürdige Pflege zu erhalten, weil es eben diesen Pflegenotstand gibt. Viele haben schon Probleme, den Standard zu finanzieren. Macht der Gesetzgeber aus Ihrer Sicht genügend, um den Pflegenotstand zu bekämpfen? Bundesgesundheitsminister Spahn hat das Sofortprogramm für mehr Pflegekräfte von 8.000 zusätzlichen Pflegern auf 12.000 aufgestockt.
Die Politik betreibt bei diesem Thema viel Augenwischerei. Sie traut sich nicht den Bürgern zu sagen: „Das, was wir hier absichern, ist ein Notprogramm. Wenn du es bequem haben willst, musst du selbst für die Mehrkosten bezahlen. Wie du es machst, ist uns egal: über eine private Versicherung, über Vermögen, etc.“. Auch das aktuelle Sofortprogramm halte ich für Augenwischerei. Erste Frage: Wo sollen denn die 12.000 Stellen herkommen, die man da verspricht? Wo will man denn das Personal herkriegen? Das ist ja gar nicht ausgebildet. Sobald das Sofortprogramm überhaupt greift, wird es sich selbst schon überholt haben, weil man dann noch mehr Pfleger bräuchte. Hier wird Geld zur Verfügung gestellt, wissend, dass die Pflegekräfte erst ausgebildet werden müssten. Das greift alles erst in frühestens drei Jahren. Aber die Politik sendet das Signal: „Wir haben das Problem sofort angefasst und gehandelt“.
Das klingt, als würden Sie der Bundesregierung in Sachen Pflege ein schlechtes Zeugnis ausstellen!
Nein, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will die Politik nicht schlecht reden, denn der Gesetzgeber macht ja etwas. Er hat mit den Pflegestärkungsgesetzen notwendige Reformen angeschoben und damit die Pflege verbessert. Bei der Begutachtung und Bewertung der Pflegebedürftigkeit hat der Gesetzgeber einen Quantensprung vollzogen. Wir schauen jetzt nicht mehr, wie viel Zeit braucht die Pflege, sondern wir schauen: Was kann der Betroffene noch selbst? Daraus bauen wir hinterher einen Pflegebedürftigkeitsgrad. Das halte ich für sehr vernünftig.
Aber was mir wichtig ist: Selbst wenn der Gesetzgeber Verbesserungen anstößt, bessert er nach. Hier hat die Politik gar nicht viel Spielraum, weil eine bessere Pflege Milliarden kosten würde - außer der Bürger ist Willens und in der Lage, deutlich mehr Geld in die gesetzliche Pflegekasse einzuzahlen. Wir reden hier nicht über 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens, sondern über das Zwei- bis Dreifache. Da hat der Gesetzgeber gesagt: Wir stellen eine Summe X zur Verfügung und wenn die nicht ausreicht, -und wir wissen, dass die Summe nicht ausreicht-, dann muss der Bürger selbst handeln. „Selbst handeln“ heißt, er muss zunächst sein eigenes Einkommen einbringen. Wenn das nicht ausreicht, bringt er sein Vermögen ein. Und wenn das nicht ausreicht, dann springt das Sozialamt ein. Und wenn das Sozialamt dran ist, dann ist es per Gesetz gezwungen, sich Unterhaltsverpflichtete zu suchen, die das Sozialamt ihrerseits ersetzen können. Das bedeutet fast immer: „Kinder haften für Eltern“.
Die Fragen stellte Mirko Wenig