Chinas Sozialkredit vs. Schufa in Deutschland

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China verwendet bereits digitale Hilsmittel, um seine Bürger zu kategorisieren und zu erziehen. Dabei zeigt das Land die Potentiale und Gefahren des Datensammelns: Wer in der Volksrepublik einen schlechten Score hat, darf zum Beispiel nur eingeschränkt reisen. Ein Gastbeitrag von Marcel Neumann, Head of Sales bei finanzcheckPRO.

Die Volksrepublik China hat als sozialistisch ausgerichteter Staat seit jeher das Ziel, die eigene Bevölkerung zu besseren Menschen zu erziehen. Das aktuell in einer Pilotphase ausgerollte und freiwillige „Social Credit System“ nutzt verschiedene Datenbanken und Hunderte Millionen von Überwachungskameras zur Erziehung der eigenen Bürger zu mehr Aufrichtigkeit. So gibt es beim Kauf von gesunder Babynahrung oder der Nutzung von Leihfahrrädern auf dem Weg zur Arbeit Punkte auf das digitale Konto. Abzüge gibt es wiederum für das Überqueren von roten Ampeln oder bei zu wenigen Besuchen der Eltern im Altersheim.

Somit erhält der sozialistische Bürger mit vielen gesammelten Pluspunkten Privilegien wie günstigere Kredite, eine bessere Krankenversicherung sowie Freizügigkeit im Inland. Was sich wie Science-Fiction anhört, ist in einigen Regionen Chinas schon gelebte Realität.

Kredite nur mit gutem Schufa-Score

Auch bei uns in Deutschland bekommt man Kredite oder eine Wohnung nur mit einer reinen Weste. Das alles seine Richtigkeit hat, wird u.a. von der Schufa, der führenden Auskunftei in Deutschland, sichergestellt. Sie verfügt über kreditrelevante Informationen zu 66,3 Millionen Personen und 4,3 Millionen Unternehmen. Viele Bürger fürchten sie, hat ihre Bewertung doch weittragende Folgen.

Doch wie unterscheidet sich das chinesische System von unserer Schufa-Auskunft und wäre eine derartige Kontrolle auch in Deutschland vorstellbar Vielleicht sind Sie am Ende dieses Artikels sogar ein Fan der Schufa.

Welche Daten sammelt die Schufa in Deutschland?

Es gibt in Deutschland grundsätzlich keine gesetzlichen Restriktionen für Auskunfteien wie beispielsweise die Schufa, personenbezogene Daten zu sammeln und zu bewerten, ob ein Verbraucher seinen Rechnungszahlungen pünktlich nachkommt.

Die Schufa speichert alle persönlichen Angaben wie beispielsweise Name, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift. Darüber hinaus werden Daten über Bank- oder Mobilfunkkonten, Leasing-Verträge, Kreditkarten, Ratenzahlungen, Kredite sowie Bürgschaften und die damit zusammenhängenden Daten erfasst. Beispiele hiervon sind die Laufzeiten der Kredite, eine schlechte Zahlungsmoral, Kreditkarteneinzüge oder gar -kündigungen. Jedoch werden keine Daten zum Einkaufsverhalten gespeichert oder Pluspunkte für die aktive Mitgliedschaft im Sportstudio von der Schufa vergeben.

Wer in China Schulden anhäuft, darf nur eingeschränkt reisen

Wer zu viele Schulden anhäuft oder sie nicht zurückzahlt, kann in China nicht mehr den Schnellzug oder das Flugzeug nutzen. Somit baut China ein Belohnungs- und Bestrafungssystem für seine Bürger auf. Bis 2020 sollen alle privaten und staatlichen Datenbanken miteinander kommunizieren können. Ein genauer Blick auf den chinesischen Sozialkredit lässt dennoch gewisse Parallelen zur westlichen Struktur zur Ermittlung der Kreditwürdigkeit erkennen.

Der gute chinesische Bürger beginnt ab 1.000 Punkten

Wer ein „guter Bürger“ ist und sich nichts zuschulden kommen lässt, kann sich ab einem Score von 1.000 Punkten einen Nachweis von einem chinesischen Amt besorgen, auf dem die „Stufe A“ bestätigt wird. Der Score bezieht sich auf insgesamt mehr als 400 Indikatoren, die zur Bewertung herangezogen werden.

Die Bürger mit mindestens 1.300 Punkten gehören zur höchsten Stufe AAA. Hat das Konto lediglich 600-849 Punkte, wird man in die Stufe C eingeordnet. Wer sogar weniger als 599 Punkte besitzt, landet in Stufe D und verliert sehr viele Freiheiten. Betroffene bekommen beispielsweise keine Darlehen mehr, haben Probleme Wohnraum zu mieten und erhalten keinen Zugang zu guten Arbeitsplätzen oder Schulen für ihre Kinder. Alle Bürger Chinas haben zu Beginn eine Basispunktzahl von 1.000 Punkten und können sich durch gute Taten im System nach oben arbeiten.

Die Datenquellen für die Einstufung

Wie aber ermittelt China die Punkte für die Einstufung? Datenquellen sind hierbei Kranken- und Gerichtsakten, Onlineshopping-Verläufe oder auch Beiträge in sozialen Netzwerken. Des Weiteren werden auch Internet-Suchanfragen, Reisepläne oder Einkäufe mit der Kreditkarte oder Bezahl-Apps zur Informationsbeschaffung herangezogen. Diese Daten analysiert und gewichtet das System, um daraus die jeweilige Punktzahl abzuleiten. Onlineshops wie Alibaba verfügen über riesige Datenbanken und wissen (ähnlich wie Facebook) vermutlich mehr über den eigenen Partner als man selbst.

Ähnliches Bewertungssystem in Deutschland - der Schufa-Score

Die Schufa berechnet die Bonität von Bürgern in einem sogenannten Scoring-Verfahren. Der Score-Punktestand ist hier ein Prozentwert zwischen 1 und 100, der per Computer für Branchen wie Kreditwirtschaft, Versandhandel oder Telekommunikation einzeln ermittelt wird. Je niedriger der Score, desto schlechter die angenommene Bonität.

Bundesbürger in Deutschland erhalten über die Schufa eine ähnliche Einstufung bezüglich ihrer Kreditwürdigkeit. Werte knapp unter 100 sind noch gut, unter 90 wird es bereits kritisch mit der Kreditvergabe und dringend benötigte Anschaffungen müssen warten, bis der Score wieder einen besseren Wert vorweist. Gute Fahrleistungen, ein gesunder Lebensstil oder schlechte Manieren haben allerdings keinen Einfluss auf den Schufa-Score. Dieses mathematische Verfahren soll rein statistisch prognostizieren, ob ein bestimmter Kreditvertrag sich ähnlich entwickelt wie Kreditverträge aus vergleichbaren Personenkreisen. Der Wohnort fließt hierbei in der Regel nicht in die Bewertung des Scorings ein. Eine Vergabe von Krediten soll nicht davon abhängig gemacht werden, in welchem Stadtteil der Kunde wohnt.

Der Kreditvergleich in einem sozialistischen System

Wie sähe unser Kreditvergleich in China aus? Unser Kreditvergleich würde zu Beginn vermutlich den Punktewert aus einer Datenbank ziehen, bevor zusätzliche Daten abgefragt werden. Eine Haushaltsrechnung durch die Angabe persönlicher Informationen wie Gehalt, Arbeitsstätte und Wohnort könnten somit vermutlich entfallen, da aller Voraussicht nach sowieso alle Daten des Kreditinteressenten bereits vorliegen.

Vorteile für Kreditnehmer mit hohem Social-Score wären weniger Rückfragen zur persönlichen Haushaltsrechnung beantworten zu müssen und eine zügigere Kreditentscheidung. Auf Seiten der Banken gegebenenfalls eine noch bessere Risikominimierung des Zahlungsausfalls. Gewaltige Nachteile hätten allerdings Systemkritiker sowie Berufsgruppen wie Journalisten oder Blogger, die sich kritisch über die Regierung äußern, aber eigentlich über eine positive Haushaltsrechnung verfügen.

Chinesischer Sozialkredit auch in Deutschland denkbar?

Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich das chinesische Punktesystem auch in Deutschland bzw. europaweit durchsetzen wird, da hier andere Prinzipien und Werte herrschen. Besonders aus dunkleren Zeiten unserer Deutschen Geschichte erinnern sich viele noch allzu gut, welche Risiken drohen, wenn der Staat massiv Informationen über seine Bürger sammelt. Der Widerstand wäre sicher groß.

Nichtsdestotrotz sind auch wir durch die stetig voranschreitende Digitalisierung unaufhaltsam auf dem Weg zum gläsernen Bürger, denn wir teilen freiwillig unsere Daten sowie Vorlieben auf Social-Media-Plattformen und erhalten Punkte beim Einkauf in der Drogerie. Wer also derartige Karten nutzt, sollte sich bewusst sein, dass ein detailliertes Käuferprofil erstellt wird, in dem neben Alter, Geschlecht und Adresse vor allem die eigenen Kaufvorlieben abgespeichert werden.

Vor einiger Zeit hinzugekommen ist, dass man mit einigen Punktekarten auch in teilnehmenden Geschäften regulär bezahlen kann. Ein auf das Konsumverhalten gerichtetes Scoring, anhand dessen Kreditlinien genehmigt werden, ist in diesem Zusammenhang keine Utopie mehr. Ob es nun besser ist, dass der Staat private Daten sammelt und nutzt oder private Unternehmen, muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Man sollte sich solange es geht nur bewusst machen, welche Daten man preisgeben will.

Heute in Deutschland können sich Kreditnehmer darauf verlassen, dass Informationen zum Lebensstil, dem Verhalten im Internet oder auch die Ernährungsgewohnheiten dank smarter Vergleichsplattformen keine Grundlage zur Kreditentscheidung darstellen. Mit einer gesunden Haushaltsrechnung können Versicherungsmakler und Finanzberater mit der notwendigen Gewerbeerlaubnis ihre Kunden zu Krediten beraten und sich so vom Wettbewerb abheben.