Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), hat erneut ein Provisionsverbot für alle Finanzanlage-Produkte gefordert. Dies würde die Qualität der Beratung verbessern. Positivbeispiele seien Großbritannien und die Niederlande.
Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), hat in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ (Mittwoch) erneut ein Provisionsverbot gefordert. „Ohne Provision gebe es sicher weniger Berater, aber die Qualität wäre höher. Dies haben die Erfahrungen aus Großbritannien und den Niederlanden gezeigt“, entgegnete Deutschlands oberster Verbraucherschützer auf den Einwand des Interviewers, Honorarberater würden in Deutschland für die Altersvorsorge keine Rolle spielen, da es zu wenige gebe. Darüber hinaus würde nicht jeder Verbraucher eine „ausgewachsene Beratung“ brauchen, argumentiert Müller weiter. Es gebe eine Reihe von Online-Plattformen, die bei standardisierten Finanz- und Versicherungsprodukten helfen könnten.
England und Niederlande mit Provisionsverbot
In England und den Niederlanden gilt seit 2013 ein Provisionsverbot für bestimmte Sparverträge und Lebensversicherungen. In beiden Staaten evaluierten die Finanzaufsichtsbehörden die Auswirkungen - mit einem überwiegend positiven Fazit. So kam eine Studie der niederländischen Finanzaufsicht Autoriteit Financiele Markten (AFM) zu dem Ergebnis, dass sich Beratungsqualität und Qualität der Finanzprodukte tatsächlich verbessert haben. Vor allem seien Produkte, die auf Provisionsmaximierung ausgelegt waren, vom Markt verschwunden. Auch das Vertrauen der Verbraucher in die Vermittlung sei leicht gestiegen.
Dass ein breites Vermittlersterben einsetzte wie von deutschen Gegnern eines Verbotes befürchtet, stellten die Behörden hingegen nicht fest. Nur leicht gingen die Vermittlerzahlen zurück. Die Verbraucherzentrale beruft sich auf diese Berichte, um auch in Deutschland ein Provisionsverbot zu bewirken (der Versicherungsbote berichtete).
Schlupflöcher - und nationale Eigenheiten
Bei den Ergebnissen gibt es aber einiges zu berücksichtigen. So bietet zum Beispiel das Provisionsverbot in Großbritannien Schlupflöcher für bestimmte Policen. Wenn Kunden einer sogenannten Advisory Charge schriftlich zustimmen, können sich Berater weiterhin von den Produktgebern vergüten lassen - quasi eine Provision beziehen. Entsprechende Klauseln lassen sich leicht im Kleingedruckten eines Beratervertrages verstecken. Das lässt den Schluss zu, dass weiterhin viele britische Finanzberater gegen Provision beraten. Für bestimmte Verträge wie zum Beispiel Berufsunfähigkeits-Versicherungen besteht das Verbot zudem nicht (der Versicherungsbote berichtete).
Zudem handelt es sich um zwei Länder, in denen die persönliche Anlagenberatung traditionell weit weniger nachgefragt ist. Das zeigen Zahlen des EU-Verbandes der Assekuranzvertriebler (BIPAR) aus den Jahren 2014 bis 2016. Auf den britischen Inseln ist die Vermittlerquote mit 19 Beratern je 100.000 Einwohnern die niedrigste in Europa. In Holland sieht es kaum besser aus: Hier kümmern sich 39 Berater im Schnitt um 100.000 Einwohner. In Deutschland gibt es je 100.000 Einwohner 287 Versicherungsvermittler. In vielen anderen Staaten ist der Schnitt ebenfalls dreistellig, in Tschechien und Luxemburg gar vierstellig (der Versicherungsbote berichtete).
Die niedrigen Vermittlerzahlen in beiden Staaten lassen sich zum Teil mit nationalen Eigenheiten sowie kulturellen Unterschieden erklären. So ist zum Beispiel in Großbritannien die betriebliche Altersvorsorge über das sogenannte „Auto-Enrolement“ Pflicht. Alle Firmen müssen ein solches Modell ("Pensions Scheme") anbieten. Der Beschäftigte zahlt in eine Betriebsrente ein, sofern er nicht explizit widerspricht („Opt-out“). Das System wurde stufenweise seit 2012 eingeführt - Ansprechpartner für die betriebliche Altersvorsorge sind oft die Arbeitgeber, so berichtet der britische "Guardian".
Auch in den Niederlanden sind Betriebsrenten per „Opt-out“ organisiert. Das führt dazu, dass in beiden Staaten weit mehr Menschen eine Betriebsrente halten und folglich zusätzlich fürs Alter abgesichert sind. In Deutschland fehlt ein solches Modell aber bisher.
Honorarberatung ist hierzulande eine Nische
In Deutschland gibt es aktuell nur etwas mehr als 300 Anlageberater gegen Honorar. Kritiker wenden ein, dass sich damit der Bedarf der Bevölkerung nach Finanzberatung nicht decken ließe. Inklusive Vor- und Nachbereitung kann eine Honorarberatung schnell einen vierstelligen Betrag kosten. Speziell Menschen, die sich eine Finanzberatung gegen Honorar nicht leisten können, könnten künftig leer ausgehen. Auch das zeigt ein Blick auf die Insel:
In Großbritannien bieten viele Berater ihre Dienste nur ab einer gewissen Anlagesumme an. Es sind gerade weniger finanzkräftige Kundinnen und Kunden, die auf eine Beratung verzichten und stattdessen zur Selbstauskunft über Online-Portale greifen - oft finden sie dort stark standardisierte Produkte. Wenn Klaus Müller nun auf Onlineportale als Informationsquelle hinweist, resultiert das auch aus den Erfahrungen im Vereinigten Königreich: Menschen mit kleinem Geldbeutel werden wohl darauf angewiesen sein.
In England und Holland haben sich darüber hinaus neue Bezahlmodelle etabliert. Beispiel "Beratungs-Abonnements": Hier zahlt der Verbraucher monatlich einen zuvor vereinbarten Betrag, beispielsweise 10 Euro im Monat. Damit erwerben sie das Recht, sich zu bestimmten Themen beraten zu lassen.