Mehr als 50 Prozent aller Kinder und Jugendlichen tragen im Laufe ihres Heranwachsens eine Zahnspange. Ein Großteil der Eltern bezahlt dabei durchschnittlich 1.200 Euro für private Zusatzleistungen. Daniel Seeger, Geschäftsführer der Zusatzversicherung-Online GmbH, klärt in seinem Gastbeitrag auf, welche Leistungen für orthopädische Behandlungen die Krankenkassen übernimmt - und welche nicht.
Die kieferorthopädische Behandlung gehört laut §29 SGB V zum Leistungsanspruch von Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Der Anspruch besteht, „wenn eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.“
KIG Einstufung entscheidet über Kassenleistung
Seit der Einführung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) im Jahr 2002 übernehmen die Krankenkassen die Kosten bei einer Diagnose von KIG 3 bis KIG 5. In diesen Fällen ist eine besondere Schwere der Fehlstellung festgestellt und die Behandlung medizinisch begründet. Der Leistungsanspruch besteht in der befundbezogenen Regelleistung. Bei der KIG-Einstufung untersucht der Zahnarzt/Kieferorthopäde den Kiefer auf mögliche Unregelmäßigkeiten wie Zahnunterzahl, Offener Biss, Engstand oder ob Schneidezähne fehlstehen. Ragen die oberen Schneidezähne beispielsweise zwischen 6mm und 9mm vor die unteren, erfolgt die Einstufung in KIG 4. Sind es mehr Millimeter, sogar KIG 5. Sind alle Anomalien dokumentiert, zählt die schwerste Fehlstellung für die KIG Einstufung.
Tipp: Zahnärzte sind bei Anspruch auf Kassenleistung zur Aufklärung und Beratung über eine kostenfreie Behandlung verpflichtet. Private Zusatzleistungen dürfen alternativ angeboten werden.
Eigenanteil bei Regelleistung
Selbst wenn ein Leistungsanspruch der GKV existiert, müssen Eltern anfangs 20 Prozent der Behandlungskosten aus eigener Tasche bezahlen. Beim zweiten Kind reduziert sich dieser Anteil auf 10 Prozent, wenn beide Kinder im gemeinsamen Haushalt leben. Bei Kosten zwischen 2.000 und 6.000 Euro für die Zahnspange dennoch kein kleiner Betrag. Bei erfolgreichem Abschluss der Behandlung erstattet die Krankenkasse den Eigenanteil zurück. Dabei muss der Zahnarzt oder Kieferorthopäde den Erfolg entsprechend des Behandlungsplans nachweisen. Für die Rückerstattung ist das Einreichen der Zahnarztrechnungen bei der Krankenkasse notwendig.
Private Leistungen und Zusatzleistungen
Bei einer Zahnfehlstellung mit geringerer Ausprägung (KIG 2) wird die Behandlung auch bei medizinischer Notwendigkeit nicht durch die GKV übernommen. Findet dennoch eine Spangenbehandlung statt, ist sie zu 100 Prozent Privatleistung. Das gleiche gilt für private Zusatzleistungen bei der Einstufung in KIG 3 bis KIG 5.
Zu den privaten Zusatzleistungen gehören zum Beispiel:
- Selbstligierende Brackets
- Kunststoff-Brackets oder Mini-Brackets
- Hochelastische oder farblose Bögen
- Innenliegende Zahnspangen
- Festsitzende Retainer
- Glattflächenversiegelung (im Umfeld der Brackets)
- Professionelle Zahn- und Spangenreinigung
In Summe geben Eltern durchschnittlich circa 1.200 Euro für diese Zusatzleistungen aus. Der medizinische Nutzen ist laut Experten jedoch nicht nachgewiesen. Dennoch übernehmen viele private Zahnzusatzversicherungen die Kosten für diese Leistungen.
Das gleiche gilt für die kieferorthopädische Behandlung bei der Einstufung in KIG 2, sofern die Maßnahme als medizinisch notwendig deklariert wird. Ohne Zusatzversicherung sind mehrere tausend Euro für die Spange aus eigenen Mitteln zu bezahlen.
70 Prozent der Eltern kommen für die Zusatzversicherung zu spät
Die kieferorthopädischen Maßnahmen finden in der Regel ab dem 9. Lebensjahr statt. Der Kiefer ist noch nicht vollständig ausgewachsen und es sind noch nicht alle Zähne vorhanden. Das natürliche Wachstum des Kiefers unterstützt die KFO-Maßnahme und kann eine effizientere Behandlung bewirken.
Die ersten Untersuchungen finden jedoch bereist deutlich früher statt. Experten raten zur Untersuchung durch den Kieferorthopäden bereits vor der Einschulung. Seit 2016 enthält das neue U-Heft mit den Punkten U7a, U8 und U9 die Aufforderung zur zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung. Die U7a ist zwischen dem 34. Und 36. Lebensmonat.
Was viele Eltern nicht wissen: Hat der Zahnarzt bei einer Untersuchung eine Fehlstellung bereits diagnostiziert oder den Verdacht dazu geäußert und in der Patientenakte dokumentiert, ist es für eine zusätzliche Absicherung der Zahnspange zu spät. Versichert werden können immer nur aktuell unbekannte Diagnosen.
Laut unserer Erfahrung müssen wir 65 bis 75 Prozent der Anfragen zu einer Zahnzusatzversicherung für Kinder ablehnen, weil die Diagnose bereits gestellt ist. Dennoch ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt für den Abschluss der Versicherung zu definieren. Wer zu 100 Prozent sicher gehen will, muss sich vor der ersten zahnärztlichen Früherkennung darum kümmern. Ansonsten sollte spätestens vor dem ersten Besuch beim Kieferorthopäden vor der Einschulung gehandelt werden.
Daniel Seeger ist ZVO bei zahnversicherung-online.de. Die Webseite betreibt auch: www.kfo-versicherungsvergleich.de – ein Portal für Zahnzusatzversicherungen für Kinder.