Finanztest erhebt Vorwürfe gegen Kfz-Versicherer

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Die Zeitschrift Finanztest rät in ihrer aktuellen Heftausgabe Verbrauchern dazu, sich einen Anwalt zu nehmen, wenn sie unverschuldet in einen Unfall verwickelt werden. Auf keinen Fall sollen Betroffene die gegnerische Kfz-Haftpflicht kontaktieren und sich auf Angebote einlassen, dass der Versicherer alles Anfallende regle. Denn oft würden die Versicherer versuchen, die Unfallgeschädigten über den Tisch zu ziehen. Der Versicherungs-Dachverband GDV weist die Behauptungen zurück - und verweist auf die sehr geringe Zahl an Rechtsstreiten in der Autoversicherung.

Schwere Vorwürfe gegen Kfz-Haftpflichtversicherer erhebt die Zeitschrift „Finanztest“ in ihrer aktuellen Heftausgabe vom September 2018. Obwohl diese Anschuldigungen nur indirekt artikuliert werden, denn der entsprechende Artikel kommt als Verbrauchertip daher (hier online lesbar). Demnach sollen Geschädigte auf keinen Fall den Kfz-Haftpflichtversicherer des Verursachers kontaktieren, wenn sie unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt werden. Stattdessen sollen sie sich einen Anwalt nehmen, weil sie sonst fürchten müssen, über den Tisch gezogen zu werden.

Versicherer diene sich als Rundum-Schadenbearbeiter an, um Geld zu sparen

Muss ein Kfz-Versicherer für den Schaden eines Unfallverursachers aufkommen, so versuche er, nach dem Crash möglichst schnell das Unfallopfer anzusprechen, schreibt „Finanztest“. Dem Opfer verspreche sie dann, den Schaden schnell und umfangreich zu regeln, ohne dass er sich um etwas kümmern müsse. Getreu dem Motto: „Wir zahlen alles, übernehmen die komplette Abwicklung und ersparen Ihnen den Stress“.

Darauf aber sollen sich die Unfallgeschädigten nich einlassen, rät das Verbrauchermagazin. Denn der Versicherer sei häufig nicht der nette Helfer und Servicepartner, als der er sich andiene. Stattdessen verfolge er das Ziel, die Verbraucher über ihre Rechte im Unklaren zu lassen, um maximal Geld sparen zu können. Oder mit anderen Worten: die Betroffenen sollen über den Tisch gezogen werden. Laut Finanztest handelt es sich keineswegs um Einzelfälle, vielmehr seien Tricksereien "typisch". Im Artikel heißt es: "Nach einem Verkehrs­unfall versuchen Versicherer mit vielen Tricks, die Entschädigung möglichst nied­rig zu halten".

“Ungewiss, ob neue Teile eingebaut werden - oder alte zurechtgedengelt“

Kennt der Unfallgeschädigte seine Rechte nicht, können die Versicherer „viele Ansprüche unter den Tisch fallen lassen“, schreibt Finanztest. „Regelt die gegnerische Versicherung alles, bleibt für den Autobesitzer ungewiss, ob die Werkstatt neue Teile einbaut oder gebrauchte oder das verbogene Teil wieder zurechtdengelt“. Im schlimmsten Fall droht dann ein Wertverlust des Fahrzeuges oder eine baldige neue Reparatur, wenn nur provisorisch nachgebessert wurde. Ähnliches drohe, wenn man sich auf das Rundum-Paket einer Werkstatt verlasse, auch wenn diese Bonbons wie Mietwagen biete.

Deshalb rät „Finanztest“ dazu, immer einen Anwalt einzuschalten - selbst bei kleineren Schäden. Die gegnerische Versicherung müsse die Anwaltskosten selbst bei Geringfügigkeit tragen. Auch sollen Geschädigte notfalls auf Kosten des Unfallverursachers einen eigenen Gutachter in Auftrag geben, da auch der Gutachter des gegnerischen Versicherers befangen sein könnte. Bei Gutachten muss aber eine Geringfügigkeitsgrenze von 1.000 bis 1.500 Euro beachtet werden - ansonsten ist der Kostenvoranschlag einer Werkstatt ausreichend.

GDV weist Berichterstattung von Finanztest zurück

Der Versicherungsbote hat den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit den Finanztest-Vorwürfen gegen die Autoversicherer konfrontiert. Dieser zeigte sich verwundert - und wies die Berichterstattung zurück. „Zahlen belegen: Fast immer wird reibungslos reguliert“, antwortete GDV-Sprecherin Kathrin Jarosch.

"GDV: Über 97 Prozent der Schäden reibungslos reguliert"

Die Sprecherin verwies auf eine Umfrage des GDV. Der Verband hat nach ähnlichen Vorwürfen des Deutschen Anwalt-Vereins (DAV) Statistiken für die Jahre 2014-2016 ausgewertet. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie oft sich Verbraucher mit ihrem Autoversicherer vor Gericht streiten müssen. „Nach der Erhebung des GDV werden in der Kfz-Haftpflichtversicherung über 97 Prozent der Schäden reibungslos und zur Zufriedenheit der Kunden reguliert. Der Anteil der Fälle, in denen es zum Prozess kommt, ist seit Jahren stabil und liegt bei 2,7 Prozent. In der Kaskoversicherung kommt es sogar zu fast gar keinen Prozessen – hier liegt der Anteil der reibungslos regulierten Schäden bei über 99,9 Prozent“, berichtet Jarosch.

Die GDV-Sprecherin verwies auf einen weiteren Aspekt. Wenn die Versicherer Schadenskosten auch bei Unfallgeschädigten nicht sorgfältig prüfen würden, belastet dies die gesamte Versichertengemeinschaft. "Die Gesamtheit der Versicherten trägt mit ihren Beitragszahlungen jeden Schaden, daher sind Versicherer in der Pflicht sorgfältig zu prüfen. Nur so können im Einzelfall berechtigte Ansprüche von unberechtigten Forderungen unterschieden und Prämienerhöhungen vermieden werden. Das betont das Justizministerium in seinem Schreiben aus 2013 zur Schadenregulierung der Versicherer", schreibt Jarosch an den Versicherungsboten.

Der Hintergrund: Im Jahr 2013 hatte das Bundesministeriums der Justiz (BMJ) die Landesjustizverwaltungen und juristische Verbände um eine Einschätzung zur aktuellen Regulierungspraxis der Versicherer gebeten. Die Landesjustiz habe Vorwürfe, wonach Versicherer ihre Kunden zermürben oder nur zögerlich regulieren, "ganz überwiegend" nicht bestätigen können, so das Ergebnis der Befragung. Dass die Versicherer vermehrt die Regulierung von Schäden vermeiden oder die Verbraucher in lange Rechtsstreite verwickeln, habe sich nicht bestätigt.

Sind die Vorwürfe von "Finanztest" also zu pauschal? Fakt ist, sie werden ihre Wirkung entfalten. Auch die BILD hat als Deutschlands größte Boulevardzeitung das Thema aufgegriffen und schießt noch schärfer gegen die Versicherer. Die Überschrift des BILD-Artikels: "Kfz-Versicherer tricksen Geschädigte aus!"