Dass der Dachverband der Verbraucherzentralen die Riester-Rente mittlerweile kritisch sieht, ist bekannt. Dass er an den Beitragsgarantien rüttelt, bisher weniger. Doch genau so äußert sich nun Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller in einem Interview: „Wir stellen die Garantien in Frage“.
Wer in Deutschland eine Riester-Rente abschließt, dem garantiert der Gesetzgeber mindestens die eingezahlten Prämien plus staatliche Zulagen. Kein Wunder, gelten doch deutsche Sparer als sicherheitsbedacht, wie Umfragen zeigen. Eine jüngst veröffentlichte Studie aus dem Hause J.P. Morgan hat errechnet, dass circa 2,2 Billionen Euro Privatvermögen in kaum verzinsten Spareinlagen stecken (der Versicherungsbote berichtete). „Sicherheit vor Rendite“, so lautet ein Credo deutscher Sparer - die mit Abstand beliebteste Geldanlage ist das Sparbuch.
Doch genau diese Beitragsgarantien bei Riester-Renten stellt Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), nun zur Debatte. „Risiko und Rendite sind am Kapitalmarkt untrennbar verbunden und Grundlage der Idee privater Altersvorsorge. Daher muss man sich fragen, ob die Garantie eines Mindest-Auszahlungsbetrags im Interesse des Verbrauchers ist“, sagte Müller in einem Interview mit der „Südwest Presse“. Die meisten in Deutschland würden nicht wissen, welch hohen Preis sie für die Garantien zahlen - speziell, wenn man auf die entgangene Rendite schaue. „Wir vom vzbv halten es für richtig, die Garantien in Frage zu stellen“, so Müller.
Beiträge sind in festverzinsliche Anleihen einbetoniert
Hier sei auf ein wichtiges Problem verwiesen: Die Garantien für Renten-Policen sind gerade in Zeiten niedriger Zinsen extrem teuer. Will ein 25jähriger Sparer 42 Jahre lang fürs Alter sparen und eine Garantie für seine gezahlten Beiträge haben, müssen zwei Drittel der Beiträge in sichere Anleihen mit bester Bonität fließen, so hat die Frankfurt School of Finance & Management (FSFM) im Jahr 2016 errechnet. In Anlagen also, die aktuell kaum etwas abwerfen. Hier bleibt den Anbietern keine Wahl, der Gesetzgeber verpflichtet sie dazu (der Versicherungsbote berichtete).
Um Beispiele zu nennen: Wer etwa im Juli 2018 in Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit investiert hat, bekam im Schnitt für die Niederlande eine Rendite von 0,48 Prozent, für Frankreich 0,67 Prozent und für die USA immerhin noch 2,88 Prozent. In solchen Papieren steckt aber ein Großteil der Riester-Gelder, weil eben die Garantien abgesichert werden müssen. Wer das Geld frei an der Börse investieren kann, kann auf weit höhere Renditen hoffen - auch, wenn er es vergleichsweise sicher anlegt.
Hier scheint auch bei den Verbraucherzentralen ein Umdenken einzusetzen: Weg von den Garantien, hin zu mehr Renditechancen. Wobei Müller damit ausdrücklich nicht die Lebensversicherungen der „neuen Klassik“ meint, die nun fast ausschließlich im deutschen Neugeschäft angeboten werden - und eben ohne Garantiezins auskommen. Diese seien oft „zu unflexibel und teuer“, kritisiert der Diplom-Volkswirt. „Bei der Altersvorsorge geht es um 20, 30 oder 40 Jahre. In dieser Zeit kann zum einen viel passieren, darauf sollte man reagieren können. Zum anderen ist die Zeit bei der Kapitalanlage etwas ausgesprochen Wertvolles, da man Schwankungen aussitzen kann. Beispielsweise gibt es aktienbasierte Modelle, die wesentlich kostengünstiger sind und nicht von vornherein eine Leibrente vorsehen.“
Riester-Rente "gut gemeint, doch grottenschlecht gemacht"
Klaus Müller wiederholte in dem Interview die Kritik der Verbraucherzentralen am Status Quo der Riester-Vorsorge. "Die Riester-Rente war gut gemeint. Die Idee war, auch Menschen, die nicht Chancen des Finanzmarktes oder der Börse für sich nutzen wollen oder können, an den Gewinnen Teil haben zu lassen", sagt Müller. Hinzu seien die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente gekommen, die private Vorsorge erfordere.
Doch Riester sei "grottenschlecht gemacht", so das Fazit des früheren Grünen-Politikers. Müller nennt gleich mehrere Versäumnisse. So hätte man mehr auf die Produktqualität achten sollen, statt zu hoffen, dass der Markt schon alles allein regle. Auch hätten die Anbieter Produkte unter dem Namen "Riester" verkauft, die schlicht zu teuer seien. Hier hätte ein Opt-out-Modell aus Sicht von Müller die Kosten bereits drücken können, also dass jeder riestert, solange er nicht explizit widerspricht: "weil dann Vertriebs-, Marketing- und Werbekosten nicht angefallen wären", so der Verbraucherschützer. Insofern ein strittiges Statement, da die Banken und Versicherer ja trotzdem um ihre Produkte hätten werben müssen, um nicht der Konkurrenz das Feld zu überlassen.
Die Lösung: ein staatlicher Kapitalstock?
Zwei Erwartungen hätten sich bei Riester nicht erfüllt, kritisiert Müller: "dass sie jeder abschließt und dass sie eine signifikante Rendite abwirft". Hier könne es einen Ausweg bedeuten, wenn auch die gesetzliche Rentenkasse entsprechende Policen anbiete, vergleichbar mit ähnlichen Angeboten in Schweden oder Großbritannien.
"Die Idee ist: Private Altersvorsorge soll nicht den Banken und Versicherungen dienen, sondern den Menschen eine möglichst hohe Rendite bieten. Ein Standardprodukt, das nicht von kommerziellen Gewinninteressen und hohen Gebühren geprägt ist, wäre der richtige Weg", sagte Müller.
Doch nicht jeder ist davon überzeugt, dass ein Kapitalstock bei der Rentenversicherung gut angesiedelt wäre. Er könnte auch beim Staat und der Politik Begehrlichkeiten wecken, wenn es wieder Löcher im Staatshaushalt geben sollte. "Ein Kapitalstock in Staatshand ist so ähnlich, als würde man einem Hund zwei Knochen hinschmeißen und sagen: Pass auf, einer ist für morgen!", kommentierte der Ökonom und Versicherungslobbyist Bernd Raffelhüschen im Versicherungsbote-Interview. Als Beispiel nannte er Rückstellungen für frühere Postbeamte, an denen sich der Staat bedient hatte.