Am Freitag wird Allianz-Chef Oliver Bäte auf dem Investorentag des Versicherers seine Strategie für die kommenden drei Jahre vorstellen. Gegenüber dem Handelsblatt gab der 53jährige jetzt schon einen Einblick, wo es künftig hingehen soll mit Europas Branchen-Schwergewicht. Die Mitarbeiter müssen sich auf eine noch radikalere Digitaloffensive einstellen - auch die Versicherungsprodukte könnten sich deutlich ändern. Denn als Vorbilder hat Bäte Unternehmen wie Amazon oder Netflix ins Auge gefasst.
Oliver Bäte ist seit 2015 Chef von Europas Versicherungsriesen Allianz - und Ende des Jahres läuft sein erstes Reformprogramm aus, die sogenannte Renewal Agenda. Doch in diesen unruhigen Zeiten ist nach der Reform bekanntlich vor der Reform. Und so ist es kein Geheimnis, dass der Manager am kommenden Freitag ein neues Dreijahresprogramm vorstellen wird.
Bäte bleibt Reformer
Bei einer Veranstaltung des „Handelsblatts“ gab Oliver Bäte nun am Wochenende erste Einblicke, was von seinem neuen Strategieprogramm zu erwarten sein wird. Wie das Wirtschaftsmagazin am Samstag berichtete, wird Bäte von seinem bisherigen Reformkurs nicht abweichen. Muss er auch nicht, denn soeben hat der Verwaltungsrat dem Konzernlenker den Rücken gestärkt und seinen Vertrag bis 2024 verlängert - trotz interner Kritik im Unternehmen, die auch aus den Reformen resultieren. Der Erfolg gibt Bäte recht. Es wird erwartet, dass die Allianz in diesem Jahr einen Reingewinn von 11,1 Milliarden Euro einfahren kann: erneut ein Rekordergebnis.
Damit wird Bäte auch weiterhin die Digital-Offensive der Münchener eilig vorantreiben. In Sachen Kundenorientierung sind nicht die anderen Versicherer seine Hauptkonkurrenten bzw. Vorbilder. „Wir wollen im Kundennutzen dahin kommen, wo die Top-Unternehmen sind“, zitiert das Handelsblatt den Manager. Gemeint sind Amazon, Google und Apple. Diese hätten einen weit höheren Net Promoter Score (NPS) als die Versicherer, gibt er zu bedenken: ein Wert zur Messung der Kundenzufriedenheit. Die Allianz habe ihren NPS unter seiner Führung bereits von 47 Prozent auf 70 Prozent steigern können, sei aber noch weit vom Kundenzuspruch der Digital-Dinos aus dem Silicon Valley entfernt.
Er selbst beschäftige sich vier bis fünf Stunden mit IT und Digitaltechnik, berichtet Bäte weiter dem „Handelsblatt“. Und das erwarte er nun auch von den 350 anderen Vorständen, die weltweit der Allianz Gruppe und ihren Töchtern vorstehen. Sie sollen ein Trainingsprogramm durchlaufen, um ihr Know-how auf diesem Gebiet aufzupeppen. Die Ziele Bätes sind deutlich: Er will die Allianz noch stärker in einen Tech-Konzern verwandeln.
Einfachere Produkte - und standardisierte Policen
Den Tech-Visionen des Allianz-Chefs wird sich wohl auch die neue Produktwelt der Allianz anpassen müssen. Und das heißt: sie sollen radikal verschlankt und vereinfacht werden. Auch hier nimmt sich Bäte laut dem Handelsblatt-Bericht Wettbewerber aus branchenfremden Kreisen zum Vorbild. Apple biete zum Beispiel nur vier aktuelle Smartphone-Modelle an und Netflix drei Abo-Modelle. Diese werden erst auf einer unteren Ebene variiert und entsprechend den Kundenwünschen ausgestaltet. Versicherungen sollen dabei auch emotional eine Bindung zum Kunden schaffen. Oder anders gesagt: Spaß machen.
Als Beispiel nennt Bäte erneut Verträge aus dem eigenen Haus. Früher hätten die Kfz-Tarife je nach Vertrag „Zusammenstöße mit Haarwild, Pferden, Rindern und Schafen sowie die Kollision mit allen Tieren“ abgesichert, zitiert er aus dem Vertragswerk. So etwas könnten sich nur Aktuare ausdenken, schießt der Allianz-Chef gegen die eigene Branche. In den neuen Kfz-Tarifen, die der Versicherer 2017 auf den Markt brachte, sei nun einfach der Zusammenstoß mit allen Tieren versichert. Die neue Einfachheit sei ein Grund für den Erfolg der neuen Kfz-Versicherungen.
Grundsätzlich strebt Bäte eine stärkere Standardisierung der Tarife an. In der Wohngebäude- und Hausratversicherung seien bis zu 86 Prozent der Produkte standardisierbar, bei Kfz sogar 95 Prozent, zitiert das „Handelsblatt“ den Konzernchef. Selbst bei Gewerbeversicherungen für Kleinunternehmer, die eigentlich als hoch differenziert gelten (Verträge müssen auf die Bedürfnisse der jeweiligen Betriebe abgestimmt werden), seien 89 Prozent Standardisierung machbar. Pläne, die vor allem die hauseigenen Vertreter aufhorchen lassen dürften. Solche Standard-Verträge lassen sich auch einfacher per App abschließen, wie schon jetzt die Kfz-Versicherung zeigt: Laut GDV-Statistik wird jeder achte Kfz-Vertrag online gezeichnet, Tendenz steigend.
Wie ernst es Bäte mit einfacheren und verständlicheren Produkten meint, wird sich zeigen müssen. Neue Angebote der Allianz wie der Tarif Fourmore - eine Lebensversicherung für junge und hippe Versicherungsnehmer - oder auch "Index Select" wurden zuletzt eher wegen der fehlenden Transparenz und Verständlichkeit kritisiert (der Versicherungsbote berichtete).