Vor Amazon muss keinem Vermittler bange sein. Das sagt einer, der als ausgewiesener Digitalisierungs-Experte im Versicherungsmarkt gilt: Matthias Brauch, Geschäftsführer der softfair GmbH. In diesem Jahr hat sein Unternehmen in Hamburg 30. Geburtstag gefeiert. Der Versicherungsbote sprach mit Brauch über den Inhaberwechsel und mögliche Konkurrenz von mächtigen Wettbewerbern aus dem Silicon Valley.
Versicherungsbote: Sie haben als Maklerdienstleister einen guten Namen. Nun wurden Sie von den Fonds Finanz-Gesellschaftern aufgekauft, dem Marktführer unter den Maklerpools. Hand aufs Herz: Haben Sie dadurch Geschäftspartner verloren, etwa von der Konkurrenz?
Matthias Brauch: Der Inhaberwechsel hat ja bereits im Mai 2017 stattgefunden. Beim Kauf haben sich die neuen Inhaber dezidiert für eine Unabhängigkeit von softfair ausgesprochen. Daran gibt es auch heute, eineinhalb Jahre später, nichts zu rütteln. Und auch nicht in Zukunft. Diese Unabhängigkeit liegt einfach in der DNA von softfair und sie wird von allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen. Unsere durchweg guten Geschäftszahlen zeigen, dass der Markt uns das Vertrauen gibt.
Ja, einige wenige Kunden haben uns den Rücken gekehrt, aber es konnten auch einige neue Kunden gewonnen werden. Das ist der ganz normale Lauf in einem umkämpften Markt, in dem wir uns bewegen. Wir planen dieses Jahr mit einer Umsatzsteigerung von knapp 20 Prozent zum Vorjahr.
…daran anschließend: Wie wollen Sie die Unabhängigkeit gegenüber der Fonds Finanz wahren, um auch mit Konkurrenz-Anbietern Dienstleistungen anzubieten? Oder wollen Sie dies überhaupt? Immerhin hantieren Sie mit sensiblen Daten.
Ein Unternehmen würde sich selbst aus dem Markt schießen, wenn es mit sensiblen Daten nicht absolut sorgfältig umgeht. Ich bin sicher, dass ist jedem klar. Die Sorgen kommen aus einer ganz anderen Ecke. Nämlich, dass wir nicht ausreichend Ressourcen für unsere Kunden zu Verfügung stellen, nur noch für die Fonds Finanz entwickeln oder gar Mitbewerber der Fonds Finanz abschalten könnten. Dass diese Sorgen unbegründet sind, müssen wir beweisen. Das ist mir bewusst, und das ist insbesondere auch den Inhabern bewusst. Wir tun dies mit weitreichenden vertraglichen Regelungen, welche wir unseren Kunden anbieten. Vor allem aber durch unser praktisches Handeln. Jeden Tag.
Manche Branchenexperten warnen davor, dass Anbieter wie Amazon oder Google eigene Versicherungslösungen anbieten und damit das Geschäftsmodell der traditionellen Versicherer überflüssig machen können: einfach deshalb, weil sie mehr persönliche Daten der Nutzer haben. Aus Ihrer Sicht ein realistisches Risiko - oder Panikmache gegenüber den „Etablierten“?
Das Geschäftsfeld der Versicherungen ist wahnsinnig komplex, sowohl in der Produktgestaltung als auch im Vertrieb. Diese Internet-Riesen werden vielleicht erfolgreich standardisierte Sachprodukte, wie Kfz und - mit Abstrichen - Haftpflicht und Hausrat, vertreiben können. In den „Königsdisziplinen“ Lebens- und Krankenversicherungen werden sie sich aber trotz der enormen Präsenz und des Datenschatzes kaum nennenswerte Marktanteile sichern können. Ich sehe hier keine unmittelbar bevorstehende Entwicklung, die daran etwas ändern könnte.
Die Branchen-Giganten aus dem Silicon Valley könnten auch Vergleichssoftware und sogar Maklerprogramme bzw. -dienstleistungen überflüssig machen, so ließe sich argumentieren, wenn sie entsprechende Tools entwickeln. Das würde auch Ihr Unternehmen betreffen. Wie schätzen Sie den Zukunftsmarkt für Vergleichsprogramme ein?
Gegenfrage: warum sollte sich Silicon Valley mit einem so komplexen Thema überhaupt beschäftigen? Ein Thema mit extrem viel Detailliertheit, technisch wie fachlich, und vor allem mit einer solchen Begrenzung? Jedes Land ist schließlich anders. Und warum sollten diese Tech-Firmen es jetzt tun, wenn sie es schon seit Jahren hätten tun können? Nicht ohne Grund sind IT-Dienstleister wie wir hoch spezialisiert und bewegen uns in einem Oligopol. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft – jeder, der hier mitspielen möchte, ist natürlich herzlich willkommen.
Technik, um Vermittler überflüssig zu machen, gibt es längst!
Versicherungsbote: Wie schätzen Sie die Zukunft für persönliche Versicherungsvermittler ein, da auch Vergleichsprogramme immer genauer mit Daten der Nutzer arbeiten können? BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein hat jüngst in einem Blog-Beitrag gewarnt, Versicherer würden am liebsten auch Vermittler komplett einsparen, wenn dies möglich sei. Wird Alexa Herr Kaiser verdrängen?
Matthias Brauch: Um es etwas überspitzt zu sagen: die Technik, um Vermittler überflüssig zu machen, gibt es längst. Geld steht ebenfalls genug bereit. Aber trotzdem ist Herr Kaiser noch da. Versicherungen lassen sich durch digitale Anwendungen – egal ob Portale oder Vergleichsprogramme – vielleicht einfacher verkaufen. Aber nicht vermitteln. Bei den “Must-Have“, also Produkten wie die Kfz-Police, wird Alexa die Nase vorne haben. Sie hat es ja bereits. Im beratungsintensiven Versicherungsgeschäft, wie zum Beispiel die Berufsunfähigkeitsversicherung, wird die persönliche Beratung durch einen Vermittler weiterhin die Zukunft sein. Davon bin ich fest überzeugt.
Zudem: kein Endkunde schreit nach einer Versicherung. Der Bedarf muss meistens erst geweckt werden und – das übersehen die meisten, vor allem wenn sie die Branche nicht kennen – nicht nur geweckt, sondern das Produkt muss auch verkauft werden, mitsamt aller Gesundheitsfragen etc. Und das kann die Technik längst nicht so gut wie der Vermittler.
Der Branchenführer Allianz Deutschland hat angekündigt, in bestimmten Sparten ihre Policen auf wenige Produktvarianten einzustampfen und diese zu vereinfachen und zu standardisieren, etwa in der Kfz-Sparte. Dem entgegen betonen andere Experten, dass vermehrt individualisierte und auf den Kunden zugeschnittene Policen entstehen. Aus Ihrer Sicht ein Widerspruch? Wie passen standardisierte und individualisierte Tarife zusammen?
Standardisierung und Vereinfachung bedeutet nicht unbedingt weniger Komplexität in den Tarifen. Gesellschaften wie die Allianz verschlanken zwar ihre Produktfamilien. Gleichzeitig packen sie aber unzählige Wahlmöglichkeiten in einen Tarif. Das Prinzip „Keep it simple“ mag dann für eine Gesellschaft umgesetzt sein. Für uns Vergleicher ist es aber eine echte Herausforderung – dann gibt es auf einmal 500 statt fünf Tarifvarianten. Generell machen wir bei softfair die Beobachtung: der Anteil der Tarife, die vereinfacht werden, muss mit der Lupe gesucht werden. Der Trend geht hin zu wesentlich komplexeren Tarifen. Die Versuchung, damit bestimmt Risiken ins Haus zu holen bzw. andere abzulehnen, scheint einfach zu verlockend für die Gesellschaften zu sein.
softfair hat 30 Jahre Branchenerfahrung, auch Sie waren lange dabei. Gibt es etwas, was Sie gegenüber den „alten Zeiten“ vermissen? Wo könnte sich die Digitalisierung eher als Fluch denn als Segen entpuppen?
Als Chef eines IT-Hauses muss ich gar nicht 30 Jahre zurückgehen. Was sich in Sachen Technik in den letzten zehn bis zwölf Jahren getan hat, ist enorm. Zu der Zeit gab es nur eine überschaubare Auswahl an Programmiersprachen. Man arbeitete am PC – mobile Geräte steckten noch in den Kinderschuhen. Heute ist die Anpassungsfähigkeit an technische Zyklen entscheidend geworden für den Erfolg eines Hauses wie unseres. Auch ein Zeichen der neueren Zeit ist, dass sich das Grundprinzip einer Versicherung ändert. Eine Versicherung sollte ursprünglich Einzelne in einem Kollektiv absichern. Frei nach den drei Musketieren: „Einer für alle, alle für einen“. Durch die Digitalisierung und die daraus ergebenen Möglichkeiten der Risiko-Diversifikation löst sich dieses Prinzip langsam aber sicher auf. Das finde ich erschreckend. Insgesamt aber lebe ich überaus gerne im Hier und Jetzt und vermisse nichts aus früheren Zeiten. Dafür bin ich umso gespannter, was sich im nächsten Jahrzehnt alles tun wird. Als softfair wollen wir die Versicherungswelt der Zukunft jedenfalls aktiv mitgestalten.
Die Fragen stellte Mirko Wenig