Konnektivität wird immer mehr zur Eintrittskarte und später zur Voraussetzung, um weiter am Marktgeschehen teilzunehmen. Heute schon bedingen einige Plattform-Distributoren wie zum Beispiel Maklerpools von den Produktgebern digitale Prozesse als Aufnahmevoraussetzung für neue Produkte. Folglich bestimmen künftig weniger Marke und Konditionsgestaltung über den Verbreitungsgrad von Versicherungstarifen, sondern die Möglichkeit einer kostengünstigen digitalen Abwicklung des Neugeschäfts.
Konnektivität in der Versicherungswirtschaft bedeutet zunächst nichts anderes, als den Austausch von Informationen zwischen dem Versicherer, Maklerpools, Verbraucher und Makler über verschiedene Plattformen oder Schnittstellen. Insbesondere Vergleicher, als Plattformanbieter vergrößern dadurch die Transparenz und (leider) die Standardisierung der Produkte. Das sorgt zeitgleich für eine Machtverschiebung vom Produktgeber zum Distributor und Intermediär: also jenen Firmen, die sich zwischen Versicherer und Endkunden platzieren. Diese stellen eine Fraktion mit wachsender Bedeutung als Vertriebskanal dar.
Im Jahr 2016 entfielen circa 20 Prozent aller Neuabschlüsse auf das Online-Geschäft, welche sich Produktgeber und Plattformanbieter je hälftig teilten. Zum Vergleich: Circa 56 Prozent der Verträge wurden durch den Versicherer (Vertreter) gewonnen und 15 Prozent über den Makler (YouGov Studie, n=2.307).
Es klingt nicht nach einer Vormachtstellung, wenn Plattformanbieter 10 Prozent der Abschlüsse einfahren. Es sollte aber bedacht werden, dass außerdem fast alle Makler und Vertriebe Vergleichsplattformen nutzen, was die Gesamtzahl der Abschlüsse über diese Kanäle auf ca. 25 Prozent erhöht.
Der Vergleicher wird Vertrauensgeber
Die Plattformen lassen jedoch kaum Platz, die Markenbotschaft des Versicherers zu übertragen. Bis auf ein kleines Logo neben der Listung ist die Darstellung generisch, also nicht auf einen spezifischen Versicherer Bezug nehmend. Außerdem erzwingt die Nutzung von Filter- und Suchkriterien Uniformität bei den Produkten. Denn nicht alle Bedingungswerkeigenschaften können soweit vereinheitlicht werden, dass eine Berücksichtigung im Vergleich sinnvoll ist – diese fallen daher unter den Tisch und ihre individuellen Vorteile werden von den Endverbrauchern nicht wahrgenommen.
Das aktuelle Plattformdesign etabliert folglich nicht den Produktgeber als Vertrauensträger, sondern den Vergleicher. Er spricht die Empfehlung aus und er wickelt (nach außen hin) ab. Das senkt die Kundenloyalität gegenüber dem Versicherer. Warum dann nicht gleich beim Vergleichsportal ein Abo abschließen, was mir regelmäßig die besten Tarife automatisch abschließt?
Ein weiterer Faktor, der die Austauschbarkeit der Produkte begünstigt, ist die steigende Transparenz. Produktgeber sehen sich gezwungen, der Listungslogik zu folgen. In Google entfallen z. B. knapp 60 Prozent der Klicks auf den ersten organischen Treffer, das Letzte der zehn Ergebnisse erhält nur noch ein bis drei Prozent der Klicks.
Auch bei den Vergleichsplattformen werden jeweils die Versicherer mit organischen Mehrverkäufen belohnt, die sich bei der Produktgestaltung den Rankingkriterien unterwerfen. Da aber alle Produktgeber der gleichen Versicherungsmathematik unterliegen, müssen sie aufgrund des Rankings und der Transparenz im magischen Dreieck zwischen Beitrag, Leistung und Service springen. Als Ausweg bleibt nur die Senkung der Kosten. Das erfordert Konnektivität und der Kreis schließt sich.
Um dennoch die Vorlieben von Maklerpools oder die Wünsche bestimmter Versicherer zu berücksichtigen, können Vergleichsanbieter die Listung beeinflussen und künstlich Tarife bevorzugen oder als Empfehlungen hervorheben. Am Ende kontrolliert jedoch der Supermarkt, wer wo im Regal steht und was es ihn kostet. Langfristig könnte sich daraus ein Produktgebermarkt entwickeln, der so austauschbar ist wie die Milch in den Tüten. Und nur wer den Bauern kennt, denkt über den Inhalt nach.
Ein Gastkommentar von Matti Bargfried