Sind die Stars aus Silicon Valley wie Amazon, Facebook oder Google Wettbewerber für die etablierten Versicherer? Thomas Buberl, deutscher Chef der französischen Axa-Gruppe, sieht in ihnen auch potentielle Partner. Man rede auch mit den Anbietern, um gemeinsame Interessen auszuloten, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
Es gibt eine recht einseitige Prognose zur Zukunft der europäischen Versicherungswirtschaft, genährt von Unternehmensberatern und teils auch Insurtechs, wonach die etablierten Versicherer von den großen Tech-Konzernen aus dem Silicon Valley irgendwann regelrecht überrollt werden. Demnach besitzen Amazon, Google und Co. so viele Daten, dass sie irgendwann selbst als Versicherer agieren - und andere Anbieter überflüssig machen.
Versicherer sind in dieser Perspektive quasi die kleinen Tante-Emma-Läden, die vom Online-Versand kaputtgemacht werden, weil sie alt und behäbig sind. Und vor allem, weil sie nicht über die enorme Masse an Daten verfügen, wodurch sie einen deutlichen Wettbewerbsnachteil haben. Die Weltkonzerne aus Kalifornien kennen ihren Kunden vermeintlich besser, denn sie sind näher dran.
“Wir müssen auf den Stärken Europas aufbauen“
Eine etwas differenziertere Sicht auf die neue Tech-Elite wagt nun Thomas Buberl in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Mit 45 Jahren hat es der deutsche Manager bereits an die Spitze eines Global Players unter den Versicherern geschafft: die Axa mit Hauptsitz in Paris. Und auch er sieht durchaus die neu erwachsene Konkurrenz aus der Bay Area. Aber er betont auch die Stärken europäischer Unternehmen, die eben auf einem anderen Gebiet liegen.
“Wir haben in Europa einen deutlichen Rückstand, wenn man die Entwicklung der digitalen Großkonzerne wie Google, Amazon oder Alibaba betrachtet“, sagt Buberl der „Süddeutschen“. Es sei aber nicht die Lösung, diese Konzerne einfach zu kopieren: dafür müsse man schneller und entscheidungsfreudiger sein als die anderen. „Unsere Geschichte zeigt, dass wir Europäer das bislang nicht geschafft haben.“
Aber auch europäische Unternehmen hätten Stärken, so Buberl - und verweist darauf, dass die Axa 80 Prozent des Umsatzes außerhalb von Frankreich mache. „Das Geheimnis liegt in der Verbindung von online und offline. Das haben inzwischen auch die großen Digitalkonzerne erkannt. Sie gründen Läden, führen die telefonische Beratung ein und gehen mit weiteren Schritten Richtung Offline-Vertrieb“. Es reiche längst nicht mehr aus, Fernseh- und Google-Werbung zu generieren, um Gewinn und Umsatz zu erzielen.
Beim Offline-Dienst am Kunden haben die etablierten und oft in Europa beheimateten Konzerne wiederum einen Vorsprung, argumentiert Buberl. Und stellt damit indirekt die oft geäußerte Behauptung in Frage, dass die Tech-Konzerne tatsächlich näher dran sind am Kunden, schon weil sie mehr Daten besitzen. „Die Kundin und der Kunde wollen über verschiedene Wege mit uns kommunizieren“, sagt der Vorstandschef. In diese Verbindung von online und offline müssten die etablierten Versicherer investieren.
Kooperation - auch mit den Etablierten
Tatsächlich hätten die Silicon-Valley-Wettbewerber mehr Daten von den Versicherten, gibt Buberl zu bedenken. Und appelliert an die Branche: um diesen Nachteil auszugleichen, müssten die Versicherer stärker zu Kooperationen bereit sein: untereinander, aber auch mit branchenfremden Firmen. „Nehmen Sie die Telekommunikation und die Krankenversicherung. Da gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Die Bewegungsdaten, die Mobilfunkanbieter haben, könnten wichtige Hinweise darauf geben, ob jemand ein gutes und qualitativ hochwertiges Leben führt. Dazu kommen Daten über Einkäufe, ob jemand gesunde oder weniger gesunde Lebensmittel kauft“, nennt Buberl ein Beispiel aus der Telematik. Willige der Kunde der Nutzung dieser Daten ein, könne man ihm „maßgeschneiderte Lösungen“ anbieten.
Sehr wohl auch werden Google und Amazon im europäischen Versicherungsgeschäft tätig werden, prognostiziert Buberl. Wenn die Silicon-Valley-Anbieter das Geschäft einsteigen werden, dann eher ins Endkunden-Geschäft mit einfachen Tarifen wie Kfz und Hausrat, schätzt Buberl. „Je wissensintensiver ein Geschäft ist, desto schwieriger ist für sie der Einstieg.“ So brauche etwa die Industrie- und Gewerbesparte viel Expertise - weshalb die Axa auch für 12 Milliarden Euro den nordamerikanischen Versicherer XL erstanden habe. Hier erwartet Buberl so schnell keine harte Konkurrenz der Techfirmen.
Darüber hinaus haben Amazon und Co. auch Services für Versicherer ins Auge gefasst, prognostiziert der Axa-Chef: als Beispiele nennt er die „Veredelung von Kundendaten, Preisgestaltung, Schadensteuerung“. Hier könne man mit den Techkonzernen auch gemeinsame Sache machen. „Wir schauen, wo gemeinsame Interessenlagen und die Kernpunkte sind“. Darüber rede die Axa bereits mit Amazon, Google und anderen. Der Versicherer versteht sich als Partner - auch aus einer Position der Stärke heraus.