Was geht, was nicht? Auf den Facebookseiten von Vertretern und Partnern gelten andere Regeln als auf den Konzernseiten.
Ein Gastbeitrag von Anne Schneider
Selbst die Facebookprofis in den Zentralen der Versicherungsunternehmen können sich nie ganz sicher sein: Läuft der Post, oder läuft er nicht? Erfolg im größten sozialen Netzwerk ist abhängig von so vielen Faktoren, dass sich kaum sicher vorhersagen lässt, wie viele Aufrufe und Interaktionen es geben wird. Um so schwerer ist das für Laien, die Facebookseiten administrieren - darunter viele Vertreter und Partner in Regionalbüros und Agenturen von Versicherungen.
Fast alle Versicherungsunternehmen unterstützen ihre Vertreter bei der Arbeit mit Facebook, besonders viele tun das mit Hilfe von „professocial“. Das ist ein Tool, das das IT-Unternehmen 3m5. gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft entwickelt hat, und das heute Marktführer in diesem Bereich ist. Insgesamt nutzen heute etwa 20 Unternehmen in Europa „professocial“. Das Tool liest unter anderem aus, welche Beiträge der Vertreter besonders erfolgreich waren – und welche nicht. Spannend ist auch der Blick über die Unternehmen hinweg, also: Was sind die Tops und Flops bei den Vertretern verschiedenster großer Versicherungsmarken? Welche Parallelen gibt es? Gibt es Patentrezepte für erfolgreiches Posten zum Thema Versicherungen?
1. Produkte, Produkte, Produkte
Unternehmen sprechen auf ihren „großen“ Facebookseiten über alles Mögliche – Sportsponsorings, Lifestyle, globale Awards. Ihre Produkte kommen am Rande vor, spielen aber keine Hauptrolle. Das ist in den lokalen und regionalen Facebookkanälen anders. Hier postet der Außendienst Beiträge über Versicherungen aller Art und bekommt dafür Reichweite und Zustimmung. Beispiel von der Concordia-Versicherung: Ein Erklärvideo zum Pflegetagegeld, Motto: „Kinderleicht erklärt“. Die Klicks, die es dafür auf allen Vermittlerseiten zusammen gab, bringen diesen Beitrag aktuell auf Platz eins im vorläufigen Jahresranking (Stand Mitte September).
Auch beim Außendienst der HUK-Coburg führt ein Produkt-Post das Ranking an, hier geht es um die Moped-Versicherung, Überschrift: „Die nächste Moped-Saison steht vor der Garage!“. Weitere erfolgreiche Beispiele anderer Versicherungen, die in den Top Ten landen: Ein Post zum Thema „Wölfe in Deutschland“ und wie sich Tierbestände gegen Gefahren absichern lassen. Oder gleich zwei Posts zu Versicherungen für Referendare, die ihre Tätigkeit als Lehrkraft absichern können. Großer Vorteil dieser Postings ist, dass sie sich sehr zielgerichtet bewerben lassen. Wer bei Facebook wirbt, muss seine Zielgruppe genau kennen und sein Targeting richtig auswählen. Wer könnte das besser als jemand, der tagtäglich Versicherungen verkauft?
„Unsere Vermittlerseiten sind vertriebsnäher als unser Unternehmenskanal“, sagt auch Jan-Hendrik Diederich, der Social-Media-Projekte bei Concordia Versicherungen leitet. „Der Weg zur Interaktion ist viel kürzer.“
2. Engagement und „Frohe Ostern!“
Wo interagiert wird, erhöht sich die Engagement-Rate. Zieht man diese für das Ranking heran, sieht man ebenfalls Postings, die im „großen“ Unternehmenskanal kaum eine Chance hätten. Fast alle Versicherungen, die für diesen Beitrag analysiert wurden, haben Posts in den Top Ten, die frohe Ostern, ein frohes Neues oder eine schöne Urlaubszeit wünschen. Denn hier wünscht das nicht eine anonyme Marke, sondern der Mensch oder die Agentur, der ich auf Facebook folge. Das mögen Fans, teilen es, kommentieren. Engagementrates, berechnet aus dem Verhältnis von Interaktionen und individuellen Views, erreichen hier locker fünf bis 10 Prozent.
Und noch eine Besonderheit beim Engagement, das sich von anderen Branchen unterscheidet: Bei der Interaktion im regionalen Facebookkanal wahrt man die Form. Während selbst im konservativen Umfeld der Social-Media-User ums „Du“ nicht herumkommt und sogar die Hauptkanäle der Versicherungen ihre Fans oft duzen, bleibt der regionale Versicherungskanal meist beim „Sie“. Kein Wunder – schließlich könnte der Angesprochene der nächste Kunde sein und plötzlich in der Agenturtür stehen.
Inhalte, Reichweite und Überraschungen
Wer etwas Besonderes zu sagen hat, wird gehört. Das gilt auch im Vermittlerkanal.
3. Exklusive Inhalte bringen Reichweite
In den Top Ten landen auch Beiträge, die mit exklusiven Inhalten punkten. Wie ein Post zum Thema Altersvorsorge, der im Teaser feststellt: „Besonders Frauen müssen bei der gesetzlichen Rente oft zurückstecken. Männer erhalten im Schnitt sogar fast das Doppelte.“ Es folgt die Ankündigung eines Beitrags im Online-Unternehmensmagazin. Dort werde erklärt, woran das liege, und was Frauen bei der Altersvorsorge beachten sollten. Dazu ein Foto von einer sympathischen Endvierzigerin, die in die Kamera blickt. Ergebnis: viertbeste relative Reichweite, darunter vermutlich sehr viele Frauen, außerdem wurde der Beitrag sehr oft geteilt. Der Inhalt des Posts, die Ankündigung eines Überblicksartikels zu einem komplexen Thema, war offenbar so exklusiv und auch im regionalen Umfeld relevant, dass er überdurchschnittlich oft wahrgenommen wurde. Exklusiv auch der HUK-Coburg-Post, in dem Kinder in einem Video über den Arbeitsplatz ihrer Eltern erzählen – so viel Content landet auf Platz eins der Liste in Sachen Engagement.
4. Überraschung und um die Ecke denken
Nicht alles ist anders im regionalen Kanal – auch dort bringt es Klicks, wenn der Faktor „Überraschung“ ins Spiel kommt. Wie in zwei Frühlingsposts, die große Versicherungsmarken ihren Vermittlern zur Verfügung stellten: Im Frühling mal wieder Blumen verschenken – das ist der Teil, der zu erwarten ist. Aber: Wie überreicht man eigentlich einen Blumenstrauß korrekt? Papier dran, Papier ab? Und sonst? Das Überraschungsmoment im zweiten Fall: Die Frühlingsblume Nummer Eins ist die Narzisse – haben Sie schon gewusst, wie giftig die ist? Vor allem für Kinder und Haustiere? Fürs Um-die-Ecke-Denken gibt es für beide Posts viele Klicks und Engagement, sowie obere Plätze in den Top Ten.
5. Aktionen und Spiele
Überraschend bei der Auswertung der Vermittler-Posts war, wie wenige Gewinnspiele es in die Highscores schafften. Zwei haben wir gefunden, und es sind nicht die üblichen Gewinnspiele. In einem Fall hat die Versicherung eine Kooperation mit einem Bundesligaverein und vergab über die Seiten der Vermittler Plätze für Balltragekinder. Teilen erwünscht, Klicks provoziert, Eltern aktiviert – Ergebnis war Platz Eins im Ranking der relativen Reichweite. Im anderen Fall vergab die Versicherung, hier die Concordia, ein Motorrad-Action-Wochenende – auch das brachte die Fans der Vermittler zum Klicken und den Beitrag auf Platz Vier im vorläufigen Jahresranking der höchsten relativen Reichweite. Auch hier spielte Werbung eine große Rolle, die sich bei der Zielgruppe „Motorradfahrer“ über Facebook sehr genau platzieren lässt.
6. Video oder Foto?
Im Newsfeed haben Unternehmen nur noch eine Chance, wenn sie coole Videos zeigen? Da ist sicher was dran, für kleinere Unternehmensseiten wie die von Vermittlern scheint das aber nicht zu stimmen. Denn die große Mehrzahl der Top-Postings ist eine Kombination aus Bild und Text. Die erfolgreichen Bild-Postings haben fast immer eine positive Bildsprache, eine frohe Grundstimmung und zeigen Menschen, die in die Kamera schauen. In den Top-Flops sind hingegen viele Videos, vor allem schlecht gemachte. Wie das eines sehr großen Versicherungs- und Finanzdienstleisters, der per Video mahnt, „Aufschieberitis“ zu vermeiden: „Mit der Wäsche ist es oft wie mit der Altersvorsorge: Mach ich morgen! Bezwing deinen inneren Schweinehund und kümmere dich jetzt um deine Rente. Dein zukünftiges Ich wird es dir danken.“ Im Video ein Wäscheberg, der im GIF-Stil anwächst, und das wohl nicht die gewünschte Wirkung erzielte. Offenbar mag der Facebookfan in diesem Kanal nicht an Versäumnisse erinnert werden. Eine These, die andere Flops übrigens bestätigen – wer mahnt und an lästige Pflichten erinnert, wird mit wenig Reichweite und Engagement abgestraft.
Fazit: Wer im regionalen Umfeld postet, in dem Fans potenzielle Kunden sind, hat viele Chancen auf Vertriebserfolg. Selbst wer keine Unterstützung aus einer zentralen Social-Media-Redaktion bekommt, kann relativ schnell einen erfolgreichen Kanal für den Erstkontakt aufbauen. Wichtig ist nicht unbedingt, das coolste Video zu veröffentlichen. Wichtig ist Inhalt, der für die Zielgruppe relevant ist, sie überrascht und ihr weiterhilft. Die größte Stärke der regionalen Vermittler, Partner oder Makler ist die gute Kenntnis ihrer Zielgruppe. Die lässt sich über Facebookwerbung sehr günstig und präzise ansprechen. Solange das alles professionell aussieht, kann man kaum etwas falsch machen – über Produkte sprechen, reicht für den Anfang schon.
Hintergrund: Welche Zahlen wurden für diesen Beitrag ausgewertet?
Die Grundlage der hier dargestellten Ergebnisse bilden die Postings von circa 7.200 regionalen Vertretern, die im Außendienst bzw. Agenturen für fünf große Versicherungsunternehmen in Deutschland arbeiten. Diese Mitarbeiter erhalten von Redaktionen in den Firmenzentralen Material für Posts zur Verfügung gestellt, meist sind das Texte mit Bildern und Videos. Dieser Content ist stets neu, das heißt, er wird von den Redaktionen nicht für die Unternehmensseite bei Facebook verwendet. Sie können die Postings thematisch vorauswählen und bestimmen, ob sie automatisiert oder individuell veröffentlicht werden. Alle Interaktionen bei Facebook lassen sich dann über Tools auslesen, die wichtigsten Werte sind relative Reichweite und Engagement-Rate. Eine sehr hohe relative Reichweite ist ein Hinweis darauf, dass der Beitrag beworben wurde. Die Engagement-Rate sagt etwas über Kommentare und geteilte Inhalte aus. Social-Media-Redakteure bei Versicherungen freuen sich, sobald dieser Wert auf über 10 Prozent steigt.