Ein Urteil des Kammergerichts Berlin veranschaulicht, wann Schäden durch die Rückstau-Klausel der Allgemeinen Wohngebäudeversicherungs-Bedingungen (VGB) mit Elementarschaden-Klausel gedeckt sind und wann nicht. Zugleich verdeutlicht das Urteil: Wie eh und je ist es wichtig, die Versicherungsbedingungen genau zu kennen. Denn definierte Risiken aus den Versicherungsbedingungen widersprechen mitunter den Vorstellungen der Versicherungsnehmer. Ein Urteil auch als Lehrstück für die Beratung und Vermittlung: Auf Genauigkeit kommt es an, damit die Kunden wissen, gegen welche Risiken sie wirklich abgesichert sind.
Schadenfall mit zunehmender Relevanz: Balkone als Unwetter-Risiko
Bei schönem Wetter sind sie ein Segen, bei starkem Niederschlag für Wohngebäude aber schnell ein zusätzliches Risiko: Balkone. Denn sammelt sich Niederschlagswasser auf einem Balkon und kann nicht mehr ablaufen, ist die Gefahr groß, dass Wasser in das Gebäude eindringt und hohe Schäden verursacht. Aber sind derartige Schäden, die durch zunehmende Unwetter immer wahrscheinlicher werden, nicht durch die Rückstau-Klausel der Allgemeinen Wohngebäudeversicherungs-Bedingungen (VGB) gedeckt? Diese nicht abwegige Meinung führte eine Klägerin vor das Kammergericht Berlin. Das Gericht hingegen fällte im April dieses Jahres ein Urteil, das nur auf den ersten Blick überraschend, aber für Wohnungs- und Immobilieneigentümer von besonderem Belang ist.
Die Richter mussten beurteilen, ob die Berufung der Klägerin Aussicht auf Erfolg hat. Denn die Klägerin wollte Schadenersatzkosten von ihrer Wohngebäudeversicherung für einen durch Niederschlag verursachten Schaden geltend machen: Infolge eines starken Regens wurde das Balkonentwässerungssystem der Frau überlastet. Regenwasser staute sich auf dem Balkon, der Pegel stieg über das Niveau der Balkontürschwelle. Da das Wasser in die Wohnung eindrang, beschädigte es Fußbodenbeläge, Tapeten und Farbanstriche (siehe Beschl. v. 18.05.2018, Az.: 6 U 162/17).
Hierfür wollte die Klägerin Kosten in Höhe von 5.757,86 Euro zuzüglich Zinsen und Rechtsverfolgungskosten von der beklagten Wohngebäudeversicherung geltend machen. Unter anderem berief sie sich auf die Wohngebäudeversicherungsbedingungen und im speziellen auf die „besonderen Bedingungen und Zusatzbedingungen zur Wohngebäudeversicherung (Wgeb)". Hatte doch die Frau eine Zusatzversicherung gegen Elementarschäden abgeschlossen. Und diese Zusatzversicherung deckte laut Vertrag auch Schäden ab, die durch Rückstau hervorgerufen werden. Aus Sicht der Frau lag ein solcher Schaden vor, denn das Wasser hatte sich ja auf ihrem Balkon „zurückgestaut“ und war dann in die Wohnung geflossen.
Teilzahlungen durch XXL-Deklaration, keine Schadendeckung aber durch Rückstau-Klausel
Bereits vor ihrer Anrufung des Kammergerichts erstritt die Frau einen Teilsieg vor Gericht aufgrund einer vereinbarten XXL-Deklaration ihrer Police, erlitt aber zugleich auch eine Niederlage. So wurden ihr zwar 2.500 Euro nebst Zinsen vom Landgericht Berlin anerkannt, die von der beklagten Versicherung zu zahlen waren. Abgewiesen wurde jedoch eine anhängige Klage, die Zahlungen aufgrund des vermeintlichen Rückstaus geltend machen sollte (siehe das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 5. Dezember 2017 / Bl. 62-66 d.A.). Aus Sicht des Landgerichts lag also kein Rückstau vor.
Gegen dieses Urteil wollte die Frau nun Berufung einlegen und erhoffte weitere Zahlungen für die vermeintlichen Rückstau-Schäden, zudem für Zinsen und für Gerichtskosten. Das Kammergericht aber gab dem Urteil des Landgerichts Recht: Durch einstimmigen Beschluss wurde die Berufung zurückgewiesen, da aus Sicht des Senats keine Aussicht auf Erfolg für die Klägerin besteht. Somit liegt auch laut Urteil des Kammergerichts kein Rückstauschaden im Sinne von § 4 Wgeb vor.
Auf den Austritt statt den Nichteintritt des Wassers kommt es an
Aber warum urteilten die Gerichte derart eindeutig? Zunächst ging das Kammergericht von dem Grundsatz aus: durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer dürften nur erwarten, bestimmte und in den Bedingungen definierte Risiken mit der Wohngebäudeversicherung abzudecken. Die Risiken (Überschwemmung des Grundstücks oder Rückstau) sind durch die Versicherungsbedingungen klar definiert. So setzt ein Rückstau voraus, dass Wasser aus dem Rohrsystem des versicherten Gebäudes austritt. Ein solcher Vorgang aber fand beim von der Klägerin erlittenen Schaden gar nicht statt.
Zwar gehört auch das Balkonentwässerungssystem zum Rohrsystem des versicherten Gebäudes. Der Schaden aber entstand nicht, weil Wasser aus den Rohren austrat. Mehr noch: Da das Wasserableitungssystem aufgrund der angefallenen Wassermassen "randvoll" war, konnte hinzukommendes Niederschlagswasser gar nicht mehr in das Balkonentwässerungssystem hineingelangen. Und deswegen staute sich Wasser auf dem Balkon und richtete in der Folge die Schäden an.
Beim Rückstau aber komme es auf einen bestimmungswidrigen Austritt aus dem Rohrsystem an, nicht auf einen bestimmungswidrigen Nichteintritt in das Rohrsystem. Deswegen ist die Art des Schadens nicht vom Wortlaut der Rückstau-Klausel gedeckt (und sind auch andere Schäden durch Wasser nicht von der Klausel gedeckt, sobald das Wasser sich staut, ohne aus den Rohren auszutreten).