Es ist ein Triumph für die Versicherer und eine bittere Niederlage für die klagenden Kunden: Im sogenannten PKV-Treuhänderstreit lehnt der Bundesgerichtshof (BGH) ab, dass die Unabhängigkeit von Treuhändern durch Zivilgerichte überprüft werden kann. Damit folgen sie weitgehend der Rechtsauffassung der Versicherer. Es stand im Raum, dass Beitragsanpassungen der letzten Jahre unwirksam sind, weil sie von befangenen Aktuaren nicht ausreichend überprüft wurden.
In seiner heutigen mündlichen Verhandlung hat der Bundesgerichtshof (BGH) zu erkennen gegeben, dass er die zivilrechtliche Überprüfbarkeit der Unabhängigkeit des Treuhänders in der Privaten Krankenversicherung (PKV) ablehnt. Das berichtet der Bund der Versicherten (BdV) in einem Pressetext. Mit anderen Worten: Die Richter des obersten Zivilgerichts stützen die Auffassung der Versicherungsgesellschaften. Eine abschließende Bewertung des Urteils ist aber erst möglich, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt.
Für viele privat Krankenversicherte dürfte sich damit die Hoffnung erledigt haben, teils saftige Prämienanstiege in den letzten Jahren rückgängig zu machen. Sie wollten Beitragsanhebungen anfechten, weil sie von vermeintlich befangenen Treuhändern durchgewinkt wurden und damit ungültig seien. Seit 1994 sind die Versicherer gesetzlich verpflichtet, jede Prämienanpassung zu Lasten ihrer Kundinnen und Kunden von einem unabhängigen Treuhänder prüfen zu lassen. Die Aktuare sollen die Versicherten vor willkürlichen Beitragsanhebungen schützen.
Es ging um viel Geld: Allein ein Rentner, der gegen die Axa klagte, wollte 5.000 Euro erstattet haben. Wären die Prämienanpassungen der letzten Jahre tatsächlich unwirksam, hätten die Versicherer Millionen, wenn nicht gar Milliarden an ihre Kunden zurückzahlen müssen. Mehr als einhundert Verfahren führte allein die Berliner Anwaltskanzlei Pilz, Wesser und Partner in dieser Angelegenheit gegen Versicherer wie Axa und die Ergo-Tochter DKV.
“Urteil war erwartbar“
„Wir haben damit gerechnet, dass der BGH nicht der Rechtsauffassung der Instanzgerichte in diesem Verfahren folgt“, zeigt sich BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein nicht überrascht. So hatte unter anderem das Amtsgericht sowie Landsgericht Potsdam den klagenden Verbrauchern Recht gegeben. „Trotz des BGH-Urteils ist die Unabhängigkeit des Treuhänders noch lange nicht abschließend geklärt“, erläutert Versicherungsmathematiker Kleinlein.
Im konkreten Fall hatte der Treuhänder rund 300.000 Euro pro Jahr von einem einzigen Versicherer erhalten: Dafür, dass er Prämienanpassungen auf seine Rechtmäßigkeit überprüft. Nur in zwei Fällen dürfen die Versicherer tatsächlich die Kosten für Bestandskunden raufsetzen: Wenn die Ausgaben die kalkulierten Kosten um zehn Prozent übersteigen. Und wenn sich die Lebenserwartung der Versicherten stärker als kalkuliert erhöht, weil dies im statistischen Schnitt auch zu höheren Gesundheitsausgaben führt.
Doch die Versicherer behandeln die Prämienkalkulation als gut gehütetes Geheimnis. Damit Wettbewerber keinen Einblick erhalten können, müssen sie ihre genaue Kalkulation der Tarife nicht offenlegen. Das erlaubt es den Anbietern teils auch, die Kosten schlechter Kalkulation oder steigende Gesundheitsausgaben über die Beiträge auf die Kunden umzulegen (siehe Kommentar).
Bestellung der Treuhänder durch BaFin entscheidend
Mit dem jetzigen Urteil des BGH ändert sich für die betroffenen Versicherten zum aktuellen Zeitpunkt nichts, so berichtet der BdV aus der mündlichen Verhandlung. Damit das verfassungsrechtliche Gebot gewährleistet sei, das Recht der Privatversicherten auf faire Beiträge zu stützen, sei es schlicht nicht notwendig, dass Zivilgerichte die Unabhängigkeit von Treuhändern überprüfen. Es genügt die Prüfung bei der Bestellung des Treuhänders durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Damit schloss sich der BGH weitestgehend einem Urteil des Oberlandesgerichtes Celle (OLG) an, das ähnlich entschieden hatte (der Versicherungsbote berichtete).
Ob sich das aktuelle System bewährt hat, kann bezweifelt werden. Ganze 16 Treuhänder wachen derzeit über die Prämien der Branche und sind im Schnitt für drei Anbieter tätig, so musste die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen im Sommer einräumen. All diese Aktuare sind mittlerweile pensioniert, waren davor aber jahrzehntelang selbst für die Versicherungswirtschaft tätig. Die BaFin überprüft überhaupt nicht, wie viel diese Treuhänder von einem einzigen Versicherer an Geld erhalten, wenn sie über die Prämien wachen sollen. Die Wachhunde der Verbraucher sind folglich gut bezahlte Rentner und stehen den Versicherern sehr nahe.
Hier sieht auch der BdV Bedarf für Korrekturen, um die Versicherten besser vor willkürlichen Prämienanstiegen zu schützen. „Wir sehen die BaFin in der Pflicht, die Unabhängigkeit des Treuhänders fortlaufend regelmäßig zu überprüfen“, fordert Kleinlein. Hierzu müssten auch die gesetzlichen Vorschriften zur Missbrauchsaufsicht konkretisiert werden. „Wir fordern die Aufsicht auf, schärfer die Interessen der Versicherten, besonders in der PKV, wahrzunehmen“, so der BdV-Sprecher, der jahrelang selbst als Aktuar tätig gewesen ist.