Provisionsabgabeverbot: GoNetto zieht gegen BaFin vor Verwaltungsgerichtshof

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Das Makler-Startup GoNetto kämpft um sein Geschäftsmodell – und zieht nun gegen die BaFin vor den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel. Das Portal, das mit der Auskehrung von Bestandsprovisionen um die Kunden wirbt, stellt sich auf ein langwieriges Verfahren ein.

Provisionsauskehr als Geschäftsmodell

Das Makler-Startup GoNetto ist angetreten, um herkömmlichen Vertriebsmodellen den Kampf anzusagen. Als Versicherungsmakler registriert, möchte der Finanzdienstleister die Provision für Hausrat- und Haftpflichtversicherungen zu 100 Prozent an die Verbraucher ausschütten. Statt dass also die Kunden mit ihren Prämien für Provisionen einstehen müssen, sollen sie pro Jahr und Vertrag ein Honorar von zwölf Euro bezahlen. Auch wirbt der Dienstleister damit, Brutto- und Nettotarife für die Kunden deutlich zu veranschaulichen. Das Versprechen auf der Seite des jungen Unternehmens: GoNetto "kämpft für Objektivität und Transparenz".

Und es könnte gut laufen für den Makler-Dienst, eigentlich. Berichteten doch Medien wie „BILD“ oder die „FAZ“ positiv über den Webanbieter. Auch Verbraucherschützer waren angetan von einem Geschäftsmodell, das Provisionen auf seiner Webseite nicht nur ausweist, sondern eben auch auskehrt – und damit einen Weg zu Nettotarifen und einer Bezahlung der Beratungs- statt der Abschlussleistung verhieß.

„Geschäftsmodelle wie GoNetto sind aus Verbrauchersicht sehr begrüßenswert“, äußerte zum Beispiel Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gegenüber dem Tagesspiegel. Jedoch sah es die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) anders. Deswegen droht dem Geschäftsmodell nun das Aus.

„Provisionsabgabeverbot" als Sonderfall in der europäischen Rechtslandschaft

Der Grund: In Deutschland ist die Weitergabe von Provisionen und Courtagen an Kundinnen und Kunden aufgrund des sogenannten „Provisionsabgabeverbots“ stark eingeschränkt. Ein Sonderfall in der europäischen Rechtslandschaft. Von 1982 bis 2017 wurde dieses Verbot über eine Verordnung geregelt. Das Relikt der Vergangenheit nannte sich „Verordnung über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen in der Schadenversicherung (VersSoVergV)“.

Als aber die europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD in deutsches Recht gegossen wurde, nahm der Gesetzgeber am 29.7.2017 eine Regel in das Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 48b VAG) auf, die es Versicherern und Vermittlern weiterhin und nun anhand des Versicherungsaufsichtsgesetzes verbietet, ihre Provision mit dem Kunden zu teilen. In einem zweiten Gesetzesschritt wurde am 23.2.2018 dieses Verbot zudem in § 34d Abs. 1 S.5 der Gewerbeordnung (GewO) verankert.

Rundschreiben der BaFin gefährdet GoNetto „existentiell“

Bedroht ist das Geschäftsmodell von GoNetto aufgrund dieses Verbots durch ein Rundschreiben der BaFin. Denn aus BaFin-Sicht verstößt der Anbieter just gegen jenes Provisionsabgabeverbot nach § 48b VAG, weswegen in einem am 06. August 2018 verschickten Musterschreiben explizit gewarnt wurde. Dort heißt es: Eine „Zusammenarbeit eines Erst-Versicherungs-Unternehmens mit einem Versicherungsmakler wie beispielsweise der GoNetto GmbH“ bedeute „einen Verstoß gegen das Verbot von Sondervergütungen“. Sollten Versicherungsunternehmen mit dem Startup zusammenarbeiten, könne dies als Ordnungswidrigkeit abgestraft werden (der Versicherungsbote berichtete).

Tatsächlich stoppten in der Folge viele Assekuranzen ihre Kooperationen mit GoNetto, wie „fondsprofessionell.de“ von GoNetto-Geschäftsführer Dieter Lendle erfuhr (siehe den Bericht zur aktuellen Meldung). Die drohende Strafe möchten Versicherer nicht in Kauf nehmen – und kündigten die Courtagezusage für den Onlineanbieter auf.

Erste Niederlagen gegen BaFin vor Gerichten

Somit ist auch verständlich, dass die Jungunternehmer sich durch dieses Schreiben in ihrem Geschäft bedroht fühlen und Verluste oder sogar die Insolvenz fürchten müssen. Der Versuch aber, schnell zu einer Lösung im Sinne des Unternehmens zu kommen, scheiterte.

So ging das Start-up mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gegen die BaFin vor und wollte sich auf eine Ausnahmeregel berufen. Ermöglicht das Gesetz doch eine Provisionsabgabe unter der strengen Ausnahme, dass der Kunde dauerhaft von einer Leistungserhöhung oder von niedrigeren Prämien durch den Versicherer profitiert. Weil ein Kunde spare, sobald er ein Honorar bezahle und zudem die Provision erhalte, sei ein derartiger Vorteil gegeben, führte der Dienstleister aus. Zumal sich auch die höhere Kostentransparenz positiv für den Kunden auswirke. Dieser Eilantrag aber wurde durch das Verwaltungsgericht abgeschmettert.

Stattdessen unterstellte das Gericht in einem Pressetext: “Der Antragstellerin sei bereits seit Beginn ihrer Geschäftstätigkeit bekannt gewesen, dass die Antragsgegnerin ihre Zusammenarbeit mit Versicherungen für rechtswidrig halte. In Kenntnis des Risikos habe sie das streitgegenständliche Geschäftsmodell jedoch fortgesetzt und keine Anpassung vorgenommen“ (der Versicherungsbote berichtete).

Auch mit einem Eilantrag vor der nächsthöheren Instanz, dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, scheiterte der Makler-Dienst. Hingegen schlug das Gericht eine gütliche Vermittlung zwischen beiden Parteien, GoNetto und der BaFin, vor. Wie fondsprofessionell.de berichtet, scheiterte dieser Schlichtungsversuch jedoch an der BaFin. So bleibt GoNetto nun nichts weiter übrig, als ein Verfahren vor dem obersten hessischen Verwaltungsgericht in Kassel zu eröffnen und in der Zwischenzeit in Kauf zu nehmen, dass Versicherer bis zur langwierigen Klärung des Rechtsstands weiterhin die Zusammenarbeit verweigern.

Provisionsabgabeverbot – Segen oder Fluch für die Kunden?

Freilich steht das Provisionsabgabeverbot schon länger selbst in der Kritik. So setzt sich ein weiteres Start-up-Unternehmen, die Webseite kinder-privat-versichern.de, nach einer Klage durch einen Wettbewerber das Ziel: bis vor den Bundesgerichtshof will man ziehen, um das Provisionsabgabeverbot zu kippen (der Versicherungsbote berichtete). Wird doch schon länger darüber diskutiert, ob dieses Verbot überhaupt verfassungs- und europarechtskonform ist.

Auch Norman Wirth, Vorsitzender des Bundesverbandes Finanzdienstleistung e.V. (AfW) und Fachanwalt für Versicherungsrecht, äußerte in dieser Frage gegenüber dem Tagesspiegel Bedenken. Stattdessen mahnte er: Die Branche müsse sich dringend modernisieren – auch, weil sich aus Sicht des Fachanwalts dieses Verbot leicht umgehen lasse.

Zumal fraglich ist, ob das Provisionsabgabeverbot überhaupt leistet, wozu es noch immer aufrechterhalten wird. In der Argumentation der BaFin schützt das Verbot gegen Fehlanreize – es soll verhindern, dass durch Sondervergütungen und Provisionsabgaben vorschnell Versicherungsverträge abgeschlossen werden mit Blick auf die Auskehrung statt den Versicherungsschutz. Das zumindest führt die Behörde in ihrem Rundschreiben 11/2018 aus.

Fehlanreiz als Scheinargument?

Verbraucherschützer aber halten dies schon lange für eine Scheinargumentation und sehen in der intransparenten Bestandsprovision eher lobbygeschützte Fehlanreize für die Vermittlung von Policen, da Provisionen als Anreiz der Vermittlung wichtiger wären als der Versicherungsschutz und damit die Leistung für den Kunden. Kritisiert wird unter anderem, dass Bestandsprovisionen auch bei schlechter Beratung bezahlt werden. Oder sogar dann, wenn gar keine Beratung stattfindet. Zumal für die Kunden die Höhe der Provision oft nicht ersichtlich ist.

Aus diesem Grund fordert zum Beispiel der Bundesverband der Verbraucherzentralen in seinen Stellungnahmen seit Jahren, das Provisionsabgabeverbot ganz abzuschaffen (siehe die "Stellungnahme zum Referentenentwurf der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie" vom 12. Dezember 2016). Die Verbraucherschützer begrüßen auch die Geschäftsmodelle der neuen Start-Ups, die eine provisionsbasierte Vermittlung von Versicherungen zum Wanken bringen könnten.