Mehrere Presseerklärungen "schießen" aktuell gegen den geplanten Provisionsdeckel in der Lebensversicherung. Grund ist die Veröffentlichung zweier Gutachten, die das Regulierungsinstrument als verfassungswidrig und als europarechtlich unzulässig bewerten. Die Vermittlerbranche wehrt sich. Die Frage ist nur: Lässt sich die Bundesregierung davon beeindrucken?
Provisionsdeckel für erstes Quartal 2019 angekündigt
Wird der Provisionsdeckel für Lebensversicherungen kommen? Die Bundesregierung jedenfalls plant nach jetzigem Stand, einen detaillierten Entwurf für das erste Quartal 2019 vorzulegen. Das äußerte zumindest Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, bei einer Veranstaltung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im September des letzten Jahres (der Versicherungsbote berichtete).
Der Staatssekretär gab bekannt: Bis zu diesem Zeitpunkt werde ein Entwurf für einen Provisionsdeckel durch das Bundesfinanzministerium erarbeitet, und zwar in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Seitdem aber ist es ruhig geworden um die Pläne der Bundesregierung.
Gutachten: Provisionsdeckel verfassungswidrig und europarechtlich unzulässig
Dass freilich keine Ruhe bei dem Thema einkehrt, ist den Gegnern dieses umstrittenen Regulierungsinstruments zu verdanken. Denn da scheint sich einiges zu tun: Der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) veröffentlichte am Dienstag zwei Gutachten, die zum einen die Verfassungswidrigkeit eines Provisionsdeckels und zum anderen einen Verstoß gegen Europarecht durch den Provisionsdeckel behaupten – erstellt wurden die Gutachten vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier sowie vom Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski.
So wäre der Provisionsdeckel laut Hans-Jürgen Papier ein „Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung“ und mithin sogar ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und damit gegen den grundlegenden Gleichheitsgrundsatz des Gesetzes. Und laut Hans-Peter Schwintowski würde „der geplante Preisdeckel gegen die in Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union garantierte Dienstleistungsfreiheit verstoßen“ (der Versicherungsbote berichtete).
Die Gutachten stellen erste Schritte der Gegner des umstrittenen Regulierungsinstruments dar für den Fall, dass der Provisionsdeckel tatsächlich kommt: Neben dem Bundesverband Finanzdienstleistung will auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) gegen eine Einführung des Provisionsdeckels klagen (der Versicherungsbote berichtete).
Wirtschaftsforum der SPD: Interessenverband reiht sich bei Gegnern ein
Nun wendet sich mit einer weiteren Pressemeldung zudem das Wirtschaftsforum der SPD e.V. gegen den Provisionsdeckel. Zu bedenken ist freilich: Bei dem Forum handelt es sich nicht um eine Organisation der SPD, sondern nach Eigendarstellung um einen unabhängigen unternehmerischen Berufsverband, der den Austausch mit sozialdemokratischen Verantwortungsträgern in Parlamenten bezweckt. Dennoch zeigt auch diese Presseerklärung: Der Widerstand der Gegner nimmt zu.
Die Ablehnung des Provisionsdeckels beruft sich hierbei ebenfalls auf die Gutachten des Bundesverbands Finanzdienstleistung. So werden die Argumente des Gutachtens wiederholt, ein Provisionsdeckel würde „gegen das Grundrecht auf Gewerbefreiheit verstoßen und zu Wettbewerbs- und Marktverzerrungen in Europa führen“. Doch auch weitere Argumente werden vorgebracht:
Harald Christ, für den Verband als Schatzmeister tätig, befürchtet zum Beispiel: Ein gesetzlicher Provisionsdeckel könne dazu beitragen, dass die Anzahl der Vermittler in Deutschland weiter abnehme. Christ bezieht sich hierbei auf eine Entwicklung bei den Versicherungsvermittler-Zahlen, über die auch der Versicherungsbote wiederholt berichtete. So nimmt die Gesamtzahl der Vermittler seit Jahren ab.
Da Einkommenseinbußen drohen, von denen mehr als 200.000 Versicherungsvermittler betroffen wären, befürchtet der Interessenverband einen weiteren Rückgang der Vermittler-Zahlen und damit auch eine Schwächung der privaten Altersvorsorge. Ginge doch ohne Beratung auch die Altersvorsorge zurück. Aus diesem Grund mahnt der Schatzmeister des Interessenverbands: „Die Vermittler von Lebens- und Rentenversicherungen“ dürften „nicht ins berufliche Abseits gestellt werden“.
Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler: Nicht den Don Quichote spielen
Freilich gab es gegen Ende des letzten Jahres auch andere Stimmen, sogar aus dem Bereich der möglicherweise Betroffenen. Äußerte doch zum Beispiel der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM), sich durchaus mit einem Provisionsdeckel arrangieren zu können. Man versuche, gesellschaftliche und politische Entwicklungen realistisch einzuschätzen und nicht den Don Quichote zu spielen, wie Verbandspräsident Georg Bräuchle meinte. Aus diesem Grund schließe man sich auch den Klagen der anderen Verbände nicht an (der Versicherungsbote berichtete).
Eine Umfrage unter BDVM-Maklern ergab zudem laut Portal, dass 47 Prozent der Befragten gar nicht von der Deckelung betroffen wären. Auch Vertriebsexperte Matthias Beenken, Professor am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Dortmund für das Lehrgebiet Versicherungswirtschaft, hält viele Existenzängste aufgrund der drohenden Gesetzesänderung für unbegründet, wie er gegenüber dem Versicherungsboten äußerte.
Zumal ein Provisionsdeckel von einigen auch als kleineres Übel gewertet wird: Verbraucherzentralen und Politiker wie Gerhard Schick von den Grünen fordern schon länger ein komplettes Provisionsverbot für LV- und Rentenversicherungen. Sollten sich doch Produktempfehlungen "immer ausschließlich am Interesse des Kunden orientieren und nicht durch die Höhe der Provisionen beeinflusst werden können", wie der Grünen-Politiker gegenüber fondsprofessionell.de äußerte.