Ein wichtiger Punkt der Verhandlungen betraf die Frage, ob der Anleger die Investition getätigt hätte, wäre er angemessen über die Höhe der Vertriebskosten aufgeklärt worden. Und das hat seinen Grund: Insbesondere hohe Vertriebsprovisionen werden als Risiko für einen Anleger bewertet und beeinflussen die Werthaltigkeit einer Kapitalanlage „maßgeblich nachteilig“, wie der Bundesgerichtshof ausführt. Denn Beträge, die in die Provisionen fließen, stehen dem eigentlichen Anlageobjekt nicht zur Verfügung und können demnach auch keine Erträge erwirtschaften – je höher die Provision im Verhältnis zum investierten Kapital, desto größer der Nachteil für den Kunden.
Banken stehen generell in der gesetzlichen Pflicht, über die konkrete Höhe von Provisionen aufzuklären. Ab einer bestimmten Schwelle steht aber auch der Anlageberater in der Aufklärungspflicht. Laut ständiger Rechtsprechung liegt die Schwelle, ab der ein Anlageberater von sich aus und ohne Aufforderung über die Höhe der Provision aufklären muss, bei 15 Prozent des angelegten Eigenkapitals eines Anlegers. Wichtig: Auch der Ausgabeaufschlag (das Agio) muss zur Berechnung dieses Schwellenwertes berücksichtigt werden. Übersteigen demnach die Provisionen oder übersteigt die Summe aus Provisionen plus Agio 15 Prozent des angelegten Kapitals, muss über die konkrete Höhe der Vertriebskosten durch den Berater aufgeklärt werden – und zwar auch ohne explizite Nachfrage.
Abschläge auf das Agio reduzieren die Aufklärungspflicht-Schwelle
Vor Gericht war nun unstreitig für beide Parteien: Bei zwei Fonds wurde nicht über die Höhe der Provisionen aufgeklärt, obwohl Vertriebskosten die Schwelle zur Aufklärungspflicht überschritten. Das betraf die Tankschifffonds: Für Provision und Agio wurden hier einmal 20,15 Prozent und einmal 20,2 Prozent des angelegten Eigenkapitals von dem klagenden Mann gefordert, weswegen der Berater hätte zwingend und von sich aus die Höhe der Provision ansprechen müssen. Bei dem dritten und damit dem Twindfonds jedoch klärte der Berater auf, obwohl die Provision die Schwelle zur Aufklärungspflicht gar nicht überschritt. Für die Beratungspraxis ist hierbei ein Rechenfehler des Oberlandesgerichts Celle bedeutsam, den der Bundesgerichtshof zugunsten der Revision geltend machte.
Zeigt doch die Korrektur dieses Fehlers: Auch Abschläge und Rabatte auf das Agio fließen in die Berechnung der Aufklärungspflicht-Schwelle ein, und zwar zugunsten des Beraters. Der Bundesgerichtshof wertete den Sachverhalt als wichtig genug, ihn in den Tenor des Urteils aufzunehmen. Denn das Oberlandesgericht hatte auch für jenen dritten Twinfonds eine Aufklärungspflicht gesehen, allerdings nicht bei Berechnung der Vertriebskosten bedacht: Ausschlaggebend ist nicht ein im Prospekt genanntes, sondern das tatsächliche Agio.
Laut Prospekt sollten fünf Prozent des Kapitals als Agio für den betroffenen Fonds eingebracht werden. Dieser Wert floss in die Berechnungen des Oberlandesgerichts ein. Hinzu kam eine Provisionsquote (Verhältnis der Vertriebsprovision zum investierten Einlagekapital) für diesen Fonds von 12,5 Prozent. Jedoch wurde dem Anleger die Hälfte des Agios erstattet – er brachte real nur 2,5 Prozent Agio für den Twinfonds ein. Das Oberlandesgericht errechnete folglich eine falsche Vertriebskostenquote – denn unter Einbeziehung des realen Werts standen genau 15 Prozent des Kapitals für Vertriebskosten zu Buche. Erst mit Überschreitung der 15-Prozent-Schwelle jedoch greift die Aufklärungspflicht.
Revision erfolgreich: OLG überging Beweis eines möglichen Beratungsverzichts
Dennoch war nicht dieser Rechenfehler des Oberlandesgerichts Celle für den Erfolg der Revision maßgebend. Zumal sich der Fehler ja nur auf jenen Twinfonds bezog und hier der Berater sogar ohne Pflicht über die konkrete Höhe der Provision aufklärte. Hingegen klärte der Berater nicht über die wesentlich höheren Vertriebskosten der Tankschifffonds auf, obwohl er für diese in der Aufklärungspflicht gestanden hätte. Hier verletzte der Berater seine Aufklärungs- und Informationspflichten. Folglich war ein anderer Fakt ausschlaggebend für die Aufhebung des Urteils: Das Berufungsgericht hatte einen wichtigen Beweis übergangen, der durch die Bank geltend gemacht werden sollte.
Um was geht es? Die Bank wollte einen Tatsachenvortrag des Klägers für das Urteil geltend machen, laut dem der Mann selbst aussagte, er hätte auch ohne Kenntnis der Vertriebsprovisionen die Investitionen getätigt. Das Oberlandesgericht Celle hielt diesen Beweis jedoch für unbeachtlich. Laut Bundesgerichtshof jedoch ist die Behauptung des Mannes beachtlich genug, um zwingend in die Erwägung des Urteils einbezogen zu werden. Folglich wird das Urteil an das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Denn zwar sind hohe Vertriebskosten nur ein Risiko unter mehreren Risiken, zu denen ein Anlageberater aufklären muss. Deswegen ist der Sachverhalt verschwiegener Provisionen auch nicht für sich, sondern nur im Kontext weiterer Anhaltspunkte des konkreten Falls bedeutsam. Jedoch: Diese weiteren Anhaltspunkte könnten in Verbindung mit dem übergangenen Beweis dennoch zu dem Schluss führen, der Anleger hätte eine Beratung im Sinne der rechtlichen Vorgaben gar nicht gewünscht. Deuten doch zum Beispiel dokumentierte Anlageziele des Klägers wie Steuerersparnisse darauf hin: Dem Kläger kam es eventuell doch nicht darauf an, die Umstände seines Investments durch ausreichende Beratung zu ergründen.