Fondsgesellschaften müssen ihre Anleger "fair" behandeln, so steht es im Kapitalanlagegesetz. Aber was bedeutet das? Ein Düsseldorfer Anwalt macht darauf aufmerksam, dass bestimmte Vertriebskosten und Verwaltungsgebühren allein von Privatanlegern zu zahlen sind, während institutionelle Anleger davon befreit werden. Das könnte eine unfaire Ungleichbehandlung bedeuten.
Wenn Privatanleger in Finanzprodukte wie Investmentfonds investieren, so müssen sie häufig fünf Prozent der angelegten Summe als Ausgabeaufschlag für den Vertrieb drauflegen. Oft gesellen sich Verwaltungskosten hinzu, die weitere ein bis zwei Prozent des angelegten Kapitals ausmachen. Das Geld fließt dann als Provision ganz oder zu Teilen der Bank zu, die diese Fonds vermittelt hat. Aber auch Versicherer oder Pensionsgesellschaften profitieren, wenn sie Anlageprodukte vermitteln.
Diese Aufschläge nehmen viele Privatkundinnen und Kunden einfach hin: Es ist nun einmal so, dass ein Fonds Geld kostet. Das Problem aber ist, dass institutionelle Anleger diese Kosten in der Regel nicht zahlen müssen. Genau darin sieht Rechtsanwalt Jens Graf von der Kanzlei Graf Rechtsanwälte aus Düsseldorf eine unfaire Benachteiligung der Privatanleger. Die ungleichen Kosten für private und institutionelle Investoren würden einen Verstoß gegen das Kapitalanlagegesetzbuch bedeuten, so sein Argument, wonach Fondsgesellschaften verpflichtet sind, „alle Anleger (…) fair zu behandeln“ (KAGB Paragraph 26, Absatz 2, Satz 6).
Ein Vorgang vor Gericht erregt Aufsehen
Jens Graf hat vor dem Amtsgericht München im Auftrag einer Mandantin eine Fondsgesellschaft verklagt. Und was er erreichte, erregt Aufsehen, wie aktuell die Süddeutsche Zeitung und das Manager Magazin berichten. Zwar ging es nur um vermeintliche Peanuts, nämlich um einen Ausgabeaufschlag von rund 200 Euro, die das Fondshaus zurückerstattet sollte. Auch kam es weder zu einer Gerichtsverhandlung noch zu einem Urteil. Dennoch kann Graf triumphieren — und wichtiger ist die vermeintliche Signalwirkung des Rechtsstreites.
Die Bank nämlich überwies die 200 Euro an die Anlegerin zurück, nachdem die Klägerin den Ausgabeaufschlag eingefordert hatte. Doch mehr noch: Das Gericht verpflichtete auch die Fondsgesellschaft, die vollständigen Gerichtskosten zu übernehmen. Im konkreten Fall ging es um den Investmentfonds CS MACS Dynamic, Anteilklasse "B", wie die Anwaltskanzlei auf ihrer Webseite berichtet. Dieser wurde im Juli 2011 auf Empfehlung einer Sparkasse vermittelt und sah einen Ausgabeaufschlag von 5 Prozent nebst Zinsen für sieben Jahre vor. Zusätzlich musste die Anlegerin eine Verwaltungsgebühr zahlen, die zum Teil ebenfalls als Provision an die vermittelnde Bank zurückfloss.
Nun also erhielt die Anlegerin die Vertriebskosten erstattet. Aber wie ist diese Rückzahlung zu bewerten? Hier gehen die Auffassungen erwartungsgemäß auseinander. Während Anwalt Graf das Ergebnis als seinen Erfolg verbucht, schrieb die Fondsgesellschaft in der Klageerwiderung, man habe aus Kulanz nachgegeben. Die Klägerseite wertet das Ergebnis also als Sieg vor Gericht, der Fondsanbieter hingegen als freiwilliges Entgegenkommen.
Fondsanbieter "voraussichtlich unterlegen"
Laut Süddeutscher Zeitung lässt ein Beschluss des Amtsgerichts aufhorchen, in dem es heißt, dass die Fondsgesellschaft "in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre“, so die Einschätzung der Richter. Deshalb musste sich auch die Gerichtskosten erstatten. Darüber hinaus habe die Fondsgesellschaft keineswegs freiwillig gezahlt, wie Jens Graf auf der Webseite der Kanzlei berichtet, sondern sich durchaus gewehrt. Ein 13seitiges Anwaltsschreiben sollte demnach das Gericht überzeugen, die Klage der Kundin abzuweisen. Doch das Fondshaus habe schließlich die strittige Forderung ohne Einwendungen erstattet und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung der Klägerseite berechtigt sei.
Allerdings sollte diese Einschätzung auch nicht überbewertet werden. Das Amtsgericht München hat nur um eine “summarische Prüfung" des Sachverhaltes vorgenommen. Hierbei prüft das Gericht den erwarteten Verfahrensausgang eingeschränkt anhand der Klageschrift und der vorliegenden Beweise. Es könnte also durchaus bei genauerer Prüfung zu einer anderen Einschätzung kommen.
"Ungeeignete Produkte in den Vertrieb gedrückt"
Dennoch stellt sich nun die Frage, wie die Provision für Privatanleger im Fondsgeschäft zu bewerten ist und wofür sie gezahlt werden muss. Jens Graf weist im Interview mit dem "Manager Magazin" die Behauptung zurück, die Vertriebskosten würden ja für die erbrachte Anlageberatung der Bank fällig, die im Falle professioneller Anleger nicht notwendig sei. Im Gegenteil: Die Bank nutze Uninformiertheit und Vertrauen der Kunden systematisch aus, um ihnen hohe Kosten aufzubrummen. So wird sein Vorstoß zu einer grundsätzlichen Kritik am Provisionsvertrieb:
"Die beratende Bank erhält den Ausgabeaufschlag, selbst wenn sie für die Fondsgesellschaft einfach deren Produkte in den Markt drückt, unabhängig davon, ob diese für den Anleger überhaupt geeignet sind", argumentiert der Verbraucheranwalt. "...und ein Teil der Verwaltungsgebühr eines Fonds fließt als Bestandsprovision ebenfalls an die Bank. So will die Fondsgesellschaft erreichen, dass eine Bank, deren Kunde womöglich Gelder umschichten will, dafür sorgt, dass er den fraglichen Fonds nicht verkauft - wiederum unabhängig davon, ob das Produkt für den Anleger geeignet ist oder nicht".
Letztendlich schaden sich die Fondsanbieter damit auch selbst, weil viele Privatanleger auf Indexfonds von Direktbanken und ETFs ausweichen würden, die deutlich kostengünstiger seien. Die Lösung aus Sicht von Jens Graf: Mehr Honorarberatung und ein Provisionsverbot wie in den Niederlanden und Großbritannien. Dem "Manager Magazin" sagt der Anwalt: "Streng genommen gibt es das Provisionsverbot auch in Deutschland längst. 5 Prozent Prämie für die Verordnung von Medikamenten ist laut Bundesgerichtshof Korruption. Paragraf 70 des Wertpapierhandelsgesetzes verbietet umsatzabhängige Vergütungen von und für Finanzdienstleister. Das Problem ist nur, dass dies in der Praxis seit Jahren nicht umgesetzt wird, und dass die gesetzliche Beschränkung nur auf Ausnahmen trotzdem die 100-Prozent-Regel sein soll". Er wolle das Thema weiter verfolgen: Weitere Klagen seien bereits eingereicht.