Die Gothaer musste im Rechtsstreit um ihre Riester-Rente ReFlex eine Niederlage gegen den Bund der Versicherten (BdV) einstecken. Nun geht der Versicherer in Berufung. Das Produkt sei zertifiziert und zugelassen worden: Lediglich einen Fehler lastet sich der Versicherer an.
Die Gothaer rechne falsch, verwende intransparente Klauseln und berechne hohe Abschlusskosten — so klagte der „Bund der Versicherten“ (BdV) gegen die Riester-Rente „Ergänzungsvorsorge ReFlex“, einen Hoffnungsträger im Altersvorsorgegeschäft des Versicherers. Und das durchaus erfolgreich. Denn das Landgericht Köln hat dem Verbraucherverband in einer mündlichen Verhandlung weitestgehend Recht gegeben, während der Versicherer eine bittere Niederlage kassierte (der Versicherungsbote berichtete).
Das aber will die Gothaer nicht auf sich sitzen lassen. Und so hat der Versicherer Widerspruch gegen das Urteil eingelegt, so berichtet der Branchendienst „Versicherungsmonitor“ am Freitag letzter Woche.
Zwar werde man bei einer Komponente der Abschlusskosten nachbessern, zitiert der Monitor Leben-Vorstand Michael Kurtenbach bei der Bilanz-Pressekonferenz des Versicherers. Aber der Manager betont auch, das Riester-Produkt sei bei der zuständigen Behörde, dem Bundeszentralamt für Steuern, vorschriftsmäßig eingereicht und zertifiziert worden. „Wir haben dafür einen Stempel bekommen“, so Kurtenbach.
Falsche Rechenbeispiele, Staatliche Zuschüsse nicht garantiert?
Was der Bund der Versicherten (BDV) anlässlich des Klageerfolges zu berichten hatte, war für die Gothaer allerdings wenig schmeichelhaft. Schon das Produktinformationsblatt (PIB) weise deutliche Mängel auf, die kaum mit dem Gesetz vereinbar sein dürften, so ein Kritikpunkt. Zur Erinnerung: Die Versicherer müssen hier streng vorgeschriebene Mindeststandards erfüllen. Dem Versicherungsboten liegen mehrere der Dokumente vor, nachdem sie der BdV zur Verfügung gestellt hat.
Ein Beispiel: Laut einer Musterrechnung für eine Riester-Rente mit 40jähriger Laufzeit sind dem Sparer nur die eingezahlten Beiträge garantiert, nicht aber die staatlichen Zulagen. Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Altersvorsorgezertifizierungsgetz (AltZertG). Demnach müssen dem Sparer sowohl die Beiträge als auch die Zulagen zugestanden werden: ein zwingendes Muss für eine förderfähige Rente.
160 Promille Abschlusskosten?
Aufhorchen ließen auch die immens hohen Abschlusskosten laut Modellrechnung. Für eingezahlte Beiträge in Höhe von 41.842 Euro wurden in einem Beispielvertrag mit 40 Jahren Laufzeit Abschlussprovisionen in Höhe von 6.802 Euro berechnet: stolze 160 Promille. Verwaltungskosten sind hierbei noch nicht enthalten. Nach einem höchstrichterlichen Urteil des Oberlandesgerichtes Köln (OLG) dürfen diese maximal 25 Promille betragen.
Den Vorwurf immens hoher Abschlusskosten hatte der Versicherer bereits gegenüber dem Versicherungsboten zurückgewiesen. “Die vom Bund der Versicherten kritisierte Höhe der Abschlusskosten von 160 Promille basieren auf einer einseitigen Darstellung der Kostenermittlung des BdV. Tatsächlich berechnen wir von den Beiträgen und Zulagen unserer Kunden 25 Promille Abschlusskosten, allerdings fallen zusätzliche Abschlusskosten abhängig von der Performance der zugrunde liegenden Kapitalanlage an. Eine sehr gute Fondsperformance führt daher zu höheren Abschlusskosten, aber eben auch zu deutlich höheren Leistungen für den Kunden“, hieß es in einer Stellungnahme der Gothaer.
Nur ein "kleiner" Fehler
Gegenstand des Urteils sei übrigens gar nicht die Höhe der Abschlusskosten gewesen, berichtet eine Sprecherin des Versicherers weiter, sondern "ausschließlich die Verteilung der Abschlusskosten über die Laufzeit". Hier ergänzte nun Kurtenbach, man habe eine zweite Abschlusskosten-Komponente berechnet, die 0,03 Prozent des Vertragsguthabens betrage. Diese habe man zu zeitig angesetzt, nämlich ab dem ersten und nicht erst ab dem 61. Monat der Vertragslaufzeit. Trotzdem bliebe damit der Fakt erhalten, dass man zu hohe Abschlusskosten berechnet hätte. Ob bei ReFlex nun tatsächlich alles korrekt zugeht, muss die Berufungsinstanz klären.
Selbst wenn die Gothaer erfolgreich ist, stellt sich aber die Frage, ob die Behörden die Riester-Verträge ausreichend im Sinne der Kunden prüfen. Denn auch, wenn es sich "nur" um diesen einen Fehler gehandelt haben sollte: Die Police hätte wahrscheinlich mit einer fehlerhaften Abschlusskosten-Komponente nicht bewilligt werden dürfen. Der BdV hat als Folge des Rechtsstreites eine strengere Aufsichtspraxis für die Riester-Zertifizierung gefordert.