Unwetter-Schadensbilanz der Versicherer: NRW vor Baden-Württemberg und Bayern

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Die deutschen Versicherer mussten im Jahr 2018 rund 2,6 Milliarden Euro für Unwetterschäden ausgeben. Vor allem Stürme, Hagel und Starkregen richteten starke Verwüstungen an: die meisten das Orkantief "Friederike" im Januar 2018. Besonders betroffen war das Bundesland Nordrhein-Westfalen, es folgen mit großem Abstand Baden-Württemberg und Bayern.

“Dat es, wie wann en Möck en der Ring piss“, lautet eine rheinische Redensart, die für die Gelassenheit der Rheinländer steht: das ist, als würde eine Mücke in den Rinnstein pissen. Ganz und gar kein Mückenpiss ist allerdings die Naturkatastrophen-Bilanz für Nordrhein-Westfalen mit seiner Landeshauptstadt Düsseldorf. 910 Millionen Euro mussten die Versicherer 2018 für Schäden durch Stürme, Hagel und Starkregen allein in diesem Bundesland ausgeben. Das berichtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Montag in einem Pressetext.

Damit ist Nordrhein-Westfalen uneinholbar Spitzenreiter im Naturkatastrophen-Ranking für das Jahr 2018, wenn auch unrühmlicher. Zum Zweitplatzierten in der Unwetterbilanz herrscht schon eine deftige Lücke: 260 Millionen Euro haben die Versicherer in Baden-Württemberg für Unwetterschäden erstattet. Bayern als flächenmäßig größtes Bundesland folgt auf Rang drei mit 252 Millionen Euro Schadenkosten. In der Statistik sind versicherte Schäden an Häusern, Hausrat, Gewerbe- und Industriebetrieben enthalten.

“Friederike“ wütete besonders toll

Insgesamt mussten die deutschen Versicherer im Vorjahr rund 2,6 Milliarden Euro für Unwetterschäden ausgeben, berichtet der GDV. Ein wichtiger Grund: Sturm und Hagel. „2018 gehört zu den vier schwersten Sturmjahren der letzten 20 Jahre“, sagt GDV-Präsident Wolfgang Weiler. So war Mitte Januar 2018 das Orkantief „Friederike“ über West- und Mitteleuropa hinweggezogen. Dabei kamen nicht nur acht Menschen zu Tode. Der Sturm legte auch den Bahnverkehr in Deutschland fast komplett lahm, entwurzelte Bäume, riss Dächer von den Häusern. Wenige Tage zuvor war bereits Sturmtief Burglind über Deutschland hinweggefegt.


Nordrhein-Westfalen war als Bundesland auch von „Friederike“ betroffen. Mit welcher Wucht der Sturm dort wütete, zeigen lokale Zeitungsmeldungen aus der Zeit. In Menden zum Beispiel, einer 55.000-Einwohner-Stadt in Sauerland, wurde das Dach eines REWE-Supermarktes heruntergeweht und wirbelte bis zu einem benachbarten Autohaus. Dort beschädigte es 13 abgestellte Neuwagen — Menschen kamen zum Glück nicht zu Schaden. In Emmerich am Rhein wurde ein Fußgänger vom Baum erschlagen, fünf weitere Personen verletzten sich an einem einzigen Tag. Auf der Rheinbrücke kippten LKW um, die Wasserversorgung war teils stark eingeschränkt — um nur zwei Beispiele zu nennen.

Das spiegelt sich auch in der Schadensbilanz. Über das Jahr gerechnet mussten in Nordrhein-Westfalen allein für 786 Millionen Euro für Schäden durch Sturm und Hagel aufgebracht werden. In Baden-Württemberg verursachten Sturmschäden 156 Millionen Euro Schaden und in Bayern 202 Millionen. Bundesweit mussten die Versicherer für Sturm und Hagel 2,1 Milliarden Euro zahlen.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind die Schäden durch „Starkregen und weitere Naturgefahren“, womit vor allem Schäden aus der Elementarschadenversicherung gemeint sind (Hochwasser, Starkregen, Erdrutsch, Schneedruck etc.). Hierfür zahlten die Gesellschaften bundesweit 500 Millionen Euro. Nordrhein-Westfalen ist mit 124 Millionen Euro Schadensumme auch hier Spitzenreiter vor Rheinland-Pfalz (55 Millionen Euro) und Bayern (50 Millionen).

zehn Millionen Häuser ohne Elementarschadenversicherung

Der GDV weist in seinem Pressetext darauf hin, dass noch immer viele Häuser keine Elementarschadenversicherung haben. "Während bundesweit fast alle Wohngebäude gegen Sturm und Hagel abgesichert sind, fehlt rund zehn Millionen Hausbesitzern der Schutz gegen Elementarrisiken wie Starkregen und Hochwasser", heißt es im Pressetext. Nur eine Elementarschaden-Police zahlt demnach für Schäden durch Überschwemmung und andere Naturgewalten wie Erdbeben, Lawinen, Erdrutsche, Schneedruck oder Erdsenkungen.

Diesbezüglich stellt sich allerdings die Frage, ob die Versicherer nicht selbst auch ein Mitverschulden trifft, dass noch immer viele Häuser ohne Schutz sind. Zwar argumentiert der GDV, dass rein theoretisch 99 Prozent aller Häuser gegen Elementarschäden einen Schutz bekommen. Fragt sich nur, bei welchem Versicherer und zu welchem Preis:

Besonders, wenn das Haus in der höchsten Überschwemmungs-Risikozone Zürs4 steht, wird Hausbesitzern unter Umständen finanzierbarer Versicherungsschutz verwehrt, so zeigten mehrere Stichproben der Verbraucherzentrale Sachsen. Die Verbraucherorganisation versuchte, Häuser in Risikogebieten bei mehreren Anbietern zu versichern - oft ohne Erfolg oder nur zu einem deftigen Preis.

"Richtig ist, dass theoretisch 99 Prozent, ja sogar 100 Prozent, aller Gebäude versicherbar sind", sagte Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen dem Versicherungsboten. "Wenn aber von den Hauseigentümern Prämien im hohen dreistelligen, vier- oder gar fünfstelligen Bereich verlangt werden und noch dazu hohe Selbstbeteiligungen seitens der Versicherungsnehmer gefordert und Ausschlüsse vereinbart werden, gelingt es vielen Verbrauchern praktisch nicht, ihr Gebäude zu versichern."

Debatte über Pflichtversicherung

Die Verbraucherzentrale Sachsen fordert deshalb eine Pflichtversicherung ähnlich wie in der Schweiz, wo ein Elementar-Baustein in der oft obligatorischen Feuerversicherung enthalten ist. Wenn alle einzahlen, könnten die Prämien auch für alle finanzierbar sein, so das Argument. Politik und Versicherungswirtschaft lehnen eine solche Pflichtversicherung aber bisher ab: unter anderem mit dem Argument, sie schaffe Fehlanreize, Häuser in stark gefährdeten Überschwemmungsgebieten zu bauen.

Nach schweren Hochwassern in Mitteldeutschland in den Jahren 2013 und 2014 hatten zudem Änderungskündigungen der Versicherer für Frust gesorgt. Hausbesitzer bekamen ihre Elementar-Policen einseitig aufgekündigt und sollten hohe Aufschläge zahlen, um nicht ihren Schutz zu verlieren (der Versicherungsbote berichtete). Hier sei aber daran erinnert, dass die Wohngebäude-Versicherer selbst unter hohen Schadenskosten ächzen:

Von 2001 bis 2015 steckten die Wohngebäude-Versicherer im Schnitt durchweg in den roten Zahlen. Erst 2016 konnten sie erstmals wieder eine positive Schaden-Kosten-Quote unter 100 Prozent vorweisen, nahmen also mehr an Beiträgen ein, als sie für Schäden und Kosten ausgeben mussten. Die Situation bleibt brisant. 20 Wohngebäudeversicherer schrieben auch 2017 Verluste, wie eine Studie der V.E.R.S. Leipzig GmbH und des Marktforschers YouGov zeigt (der Versicherungsbote berichtete). Abschließende Branchenzahlen für 2018 liegen hierzu noch nicht vor.