Versicherungsbote: Wir hatten den Eindruck, dass eine Weiterbildungspflicht teils gegen den Widerstand der Branche durchgesetzt werden musste, trotz wachsender Anforderungen an den Vertrieb. Auch gut beraten wurde unseres Wissens erst gegründet, als eine solche Pflicht im Gespräch war. Hat die Versicherungswirtschaft das Thema zu lange verschlafen? Wenn ja, weshalb?
Katharina Höhn: Die Branchenverbände verständigten sich Anfang 2012 in wenigen Wochen geschlossen auf die Einführung einer regelmäßigen Weiterbildung von 30 Stunden pro Jahr und der Einrichtung einer überbetrieblichen Weiterbildungsdatenbank, nebst Qualitätssicherung der Bildungsmaßnahmen auf den individuellen Bildungskonten für die Vermittler. Für die Ausgestaltung der Regeln, die Programmierung der Weiterbildungsdatenbank und die Schaffung des Qualitätssicherungssystems mit Akkreditierung und Auditierung der Bildungspartner haben wir dann 24 Monate gebraucht – das ist recht zügig für ein solches Mammutprojekt, an dem die gesamte Branche beteiligt ist.
Und ja, wir haben im Jahr 2012 schon eine EU-Verordnung am Horizont gesehen und uns daran erinnert, dass es im Bildungsbereich bis jetzt immer gut war, mit einer eigenen Lösung vorweg zu gehen, die auf den Bedarf der Branche und ihrer Kunden passt.
Hat sich das Angebot an Weiterbildungen für die Versicherungswirtschaft in den letzten Jahren verändert und vergrößert? Welche Trends beobachten Sie auf dem Weiterbildungs-Markt speziell in der Branche?
Wir sehen, dass deutlich mehr Online-Angebote nachgefragt werden. Das können kleinere Lerneinheiten sein, die vollständig webbasiert sind, aber auch beispielsweise im Rahmen von längeren Lehrgängen eingesetzt werden, die mit immer höheren Online-Anteilen ausgestattet werden.
Erkennbar ist auch, dass dediziert Qualifikationsmaßnahmen gefragt sind, die Anrechnung im Sinne der IDD finden. Sowohl Unternehmen als auch Teilnehmende achten verstärkt darauf, dass die Weiterbildung als Bildungszeit anerkannt werden kann. Es ist auch wichtig, hier gut hinzuschauen. Bei gut beraten haben wir für Bildungsmaßnahmen, die auf den Bildungskonten eingetragen werden, eine transparente Qualitätssicherung hinterlegt.
Eine weitere Beobachtung ist, dass Unternehmen ihr Weiterbildungsangebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innendienst ausbauen. Durch die Erweiterung des IDD-Anwendungsbereichs auf diesen Personenkreis ist hier ein neuer Bedarf entstanden. Und natürlich bildet sich auch ein gesellschaftlicher Trend in unserer Branche ab: Akademische Abschlüsse wie zum Beispiel der Bachelor, insbesondere berufsbegleitende akademische Weiterbildungen, sogar bereits parallel zur Ausbildung, werden verstärkt gesucht.
Wie sichern Sie die Qualität der Bildungsangebote bei gut beraten? Es ist ja denkbar, dass Verkaufstrainings und Produktschulungen einfach als Weiterbildung deklariert werden - obwohl hier Inhalte denkbar sind, die den Verbraucherinteressen zuwider laufen. Gibt es eine Evaluation der vermittelten Inhalte?
Sollte eine Weiterbildungsmaßnahme tatsächlich Verbraucherinteressen zuwider laufen, würde dies im Auditverfahren auffallen. Außerdem sehen wir einen hohen Wettbewerb auch auf dem Bildungsmarkt, und eine inzwischen hohe Sensibilität bei Maklern und Vermittlern. Ein solches Angebot, das unter „gut beraten-Siegel“ auf dem Markt wäre, würde uns gegenüber bekannt gemacht werden. Einige wenige Fälle sahen wir zu Beginn der Initiative gut beraten in der Presse, und alle Beteiligten hatten eine steile und nachhaltige Lernkurve. Die Frage zu den Produktschulungen als solche begleitet uns schon seit Beginn der Initiative. Wir haben als Bildungsverband dazu eine klare Auffassung:
Versicherungslösungen sind in hohem Maße erklärungsbedürftig. Die Kenntnis der Produkte, deren Inhalte und Potentiale genauso wie deren spezifische gesetzliche Anforderungen stellen einen wesentlichen Teil der Fachkompetenz der Vermittler dar. Das ist in allen Berufen der Fall, in denen zu Produkten beraten wird. Auch die Experten vom Bundesinstitut für Berufsbildung sehen das so: Fachkompetenz bedeutet die Produkte zu kennen, die man vertreibt. Daher ist die Fachkenntnis zu Produkten auch elementarer Bestandteil klassischer Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel dem Kaufmann im Einzelhandel („Warenkenntnisse“) und auch dem Kaufmann für Versicherungen und Finanzen.
Ein Makler muss sich intensiv und regelmäßig mit Produkten auseinandersetzen. Eine mögliche Quelle dieser Information sind Schulungen des Anbieters – dies wird häufig als „Produktwerbung“ bezeichnet. Doch worum geht es tatsächlich? Der Anbieter erläutert dem Makler die Vorteile und den speziellen Kundennutzen seines Produkts, gegebenenfalls auch die Vorzüge des neuen Angebots gegenüber bestehenden Lösungen. Das ist nach unserer Auffassung eine zulässige Informationsquelle für Vermittler und Makler. Die Merkmale eines Produkts im Vergleich zu anderen Produkten herauszuarbeiten, ist die Aufgabe des Maklers, die ihm gewiss kein Bildungsanbieter abnehmen kann.
Darüber hinaus verpflichtet bereits der Gesetzgeber mit dem VAG und die BaFin in ihren Rundschreiben die Produktanbieter dazu, vertrieblich Tätige in Bezug auf ihre Produkte zu schulen. Makler, die sich von Produktschulungen nichts versprechen, werden andere Weiterbildungsformen wählen, und auch dort wird Bildungszeit angerechnet.
Welche Voraussetzungen muss ein Bildungsanbieter erfüllen bzw. mit sich bringen, um im Rahmen von gut beraten Weiterbildungen anbieten zu können?
Bildungsdienstleister bei gut beraten kann sein, wer Bildungsmaßnahmen anbietet, durch die vertrieblich Tätige in der Versicherungswirtschaft ihre Fach- und Beratungskompetenz aufrecht erhalten oder erweitern können. Das können Bildungsabteilungen oder Akademien von Versicherungsunternehmen, Maklerhäusern oder Vertriebsgesellschaften sein, aber natürlich insbesondere klassische Bildungsanbieter auf dem Markt, ebenso wie Verbände der Versicherungswirtschaft, Banken, Hochschulen oder Industrie- und Handelskammern.
Bildungsdienstleister, die an gut beraten teilnehmen, verpflichten sich vertraglich, sich an den Anrechnungsstandard zu halten, den die Branche entwickelt hat, und der jetzt noch einmal strikt auf die Anforderungen der Versicherungsvermittlungsverordnung hin ausgerichtet wird. Unabhängige Auditoren überprüfen dann regelmäßig, ob die Bildungsdienstleister mit gut beraten-Siegel diese Anforderungen einhalten.
Erst wenn ein Bildungsdienstleister akkreditiert ist, darf er das gut beraten-Siegel nutzen und Bildungszeit für seine Maßnahmen auf den gut beraten-Konten der Teilnehmer gutschreiben. Ein akkreditierter Bildungsdienstleister muss nachvollziehbar darstellen, welche seiner Bildungsangebote mit Bildungszeit nach gut beraten angerechnet werden.