Im Kampf um die Marktführerschaft in der Autoversicherung erzielt die Allianz bisher kaum einen Stich. Dennoch können die Münchener nun zumindest mit Blick auf Telematik-Tarife einen Achtungserfolg feiern: 90.000 Telematik-Kunden nutzen das Angebot aktuell. Bei der Konkurrenz aus Franken waren es zum Jahresende rund 75.000. Beide Versicherer haben ihre Tarife nun für alle Fahrer geöffnet, nachdem sie zunächst ausschließlich auf Fahranfänger zielten.
“Sag mir, wie du fährst — und ich sage dir, wie viel Prämie du sparen kannst!“ Dies ist grob gesagt das Konzept hinter Telematik-Tarifen in der Autoversicherung. Wer sich bereit erklärt, regelmäßig Daten zu seiner Fahrweise messen zu lassen und an den Versicherer zu übermitteln, bekommt Prämiennachlass, wenn er vorsichtig und vorausschauend unterwegs ist.
Einen Achtungserfolg mit diesen Tarifen kann nun die Allianz vermelden — wenn auch einen bescheidenen. Derzeit versichern die Münchener aktuell 90.000 Telematik-Kunden, so berichtet Frank Sommerfeld, verantwortlicher Vorstand für das Privatkundengeschäft, der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa). In Deutschland sind die Münchener damit Marktführer — und können sogar den Konkurrenten HUK-Coburg vorerst ausstechen.
Auf Anfrage des Versicherungsboten wollte die HUK zwar keine ganz frischen Zahlen nennen, wie sich das Geschäft im ersten Quartal 2019 entwickelt hat. Doch „Ende letzten Jahres hatten wir 75.000 Telematikverträge im Bestand“, berichtet ein Sprecher dem Versicherungsboten. Damit dürfte die Allianz aktuell leicht die Nase vorn haben, auch wenn man annehmen muss, dass auch bei der HUK seitdem neue Verträge hinzukamen.
Ansonsten dominiert die HUK das Geschäft mit Autoversicherungen, wenn man auf die Gesamtzahl der versicherten Fahrzeuge schaut. Laut Vorstandschef Klaus-Jürgen Heitmann hatte die HUK zum Jahresende 2018 rund 12 Millionen Fahrzeuge versichert, im ersten Quartal 2019 seien rund 150.000 hinzugekommen. Da folgt die Allianz schon mit einigem Abstand: Ende 2018 zählte sie 8,6 Millionen Verträge. Allerdings hat sich die Allianz zum Jahresanfang beim ADAC eingekauft und 51 Prozent der Anteile an der ADAC Autoversicherungs AG vom Vorgänger Zurich erworben. So dürften weitere rund 650.000 Verträge hinzugekommen sein.
Beide Kfz-Marktführer öffnen Tarife
Telematik-Tarife sind aktuell in Deutschland nur ein Nischenprodukt: auch wenn nicht alle Anbieter ihre Zahlen kommunizieren, dürften hierzulande deutlich weniger als 200.000 derartige Verträge abgeschlossen worden sein. Anders als zum Beispiel in Italien, wo bereits 7 Millionen Autos mit Telematik fahren. Ein Grund ist auch, dass die Mehrheit der Angebote sich bisher ausschließlich an Fahranfänger richtete. Das galt auch für die beiden Marktführer auf dem Automarkt: Wer bei der Allianz sein Fahrzeug versichern wollte, musste jünger als 29 Jahre sein, die HUK schrieb sogar eine Altersgrenze von unter 25 Jahren vor.
Doch das ändert sich nun, da die Branchengrößen ihre Tarife für alle Zielgruppen öffnen. Die HUK hat hierbei den Anfang gemacht. „Seit Mai ist unser neues, altersunabhängiges Telematik-Produkt am Start“, berichtet der Pressesprecher dem Versicherungsboten. „Die Nachfrage nach dem neuen Produkt ist sehr lebhaft“, auch wenn man aktuell keine Zahlen nennen wolle. Verständlich, da der Tarif erst wenige Wochen zu haben ist.
“Telematik Plus“ heißt der HUK-Tarif, der das bisherige Programm für junge Fahrer, vertrieben unter dem Namen „Smart Driver“, ersetzt hat. „In den letzten Jahren haben wir eine komplette Infrastruktur für Telematik aufgebaut und so die Voraussetzungen dafür geschaffen, das Produkt altersunabhängig anzubieten“, erläutert HUK-Vorstandsmitglied Jörg Rheinländer in einem Pressetext. Dafür arbeiten die Franken mit US-amerikanischen Techkonzern Cambridge Mobile Telematics (CMT) zusammen, weltweit größter Anbieter für Telematiklösungen.
Die HUK bietet den Kunden bereits bei Abschluss zehn Prozent auf ihren Beitrag in der Kfz-Haftpflichtversicherung und Kasko, wenn sie sich bereit erklären die Daten zu teilen. Bei vorsichtiger Fahrweise können für das Folgejahr bis zu 30 Prozent Ersparnis erreicht werden. Um den Tarif zu nutzen, brauchen die Fahrer einen Telematik-Sensor, der ohne Aufpreis zur Verfügung gestellt wird. Dieser muss wie eine Vignette von innen an die Frontscheibe des Pkw geklebt werden. Darüber hinaus ist die App „Mein Auto“ erforderlich, die für iOS- und Android-Smartphones entwickelt wurde.
Nun hat auch die Allianz laut dpa angekündigt, den Tarif BonusDrive für alle Altersgruppen zu öffnen. Das Angebot sieht ganz ähnlich aus: Auch der blaue Riese räumt bereits zehn Prozent Rabatt bei Nutzung und maximal 30 Prozent Prämienersparnis ein. Hier ist ein extra Datenstecker zusätzlich zur Smartphone-App notwendig.
"Wir gehen davon aus, dass das deutlich an Fahrt gewinnt!"
Ein Problem der Telematik-Tarife sind nicht nur datenschutzrechtliche Bedenken vieler Bürger. Sie sind auch oft teurer als herkömmliche Kfz-Policen, da das Erheben und Auswerten der Daten einen nicht unerheblichen Aufwand bedeutet: auch wenn es weitestgehend digitalisiert erfolgt. Dennoch berichtet Allianz-Vorstand Frank Sommerfeld ebenfalls von einer steigenden Nachfrage. Bei jungen Neukunden sei schon etwa jeder Dritte über Telematik versichert. "Wir gehen davon aus, dass das deutlich an Fahrt gewinnt", sagte Sommerfeld.
Doch gerade Fahranfänger können tatsächlich mit Telematik sparen. Da junge Fahrer mehr Unfälle verursachen, müssen sie auch mehr für die Kfz-Versicherung zahlen - nach Sommerfelds Worten im Schnitt etwa doppelt so viel wie Versicherte mittleren Alters. Hier ist der Prämiennachlass schon eher ein Lockinstrument. Und noch ein Aspekt trägt zu der Nachfrage bei jungen Fahrern bei: Sie können mit Telematik spielerisch ihre Fähigkeiten schulen.
Das Telematikprogramm gibt Bonuspunkte für positives Fahrverhalten und zeigt auch riskante Manöver an: oft mit Zeit und Ort. So sitzt bei den jungen Leuten der Fahrlehrer quasi als Bordcomputer mit im Auto. Die 90.000 Telematik-Kunden würden deutlich weniger Unfälle bauen und Schäden verursachen als junge Fahrer mit "normalen" Tarifen, berichtet Sommerfeld der dpa.