Diesen Dienstag wurde das aktuelle Allianz Safety and Shipping Review 2019 veröffentlicht, eine Studie zum Schadengeschehen auf hoher See. Aufgrund günstigen Wetters sind Totalverluste in 2018 auf einem historisch niedrigem Niveau. Und doch müssen Versicherer besorgt sein: Neben der Zahl der Brände nehmen auch Zwischenfälle aufgrund einer verschlechterten politischen Lage zu.
Schifffahrt: Schadenaufwendungen können enorm sein
Enorm sind Kosten, die einem Industrieversicherer durch die Schifffahrt entstehen können. Das veranschaulichte einst die Artus Gruppe, einer der großen deutschen Industrieversicherungsmakler, am Beispiel des Untergangs der „MOL-Comfort“ gegenüber dem Versicherungsboten: An Bord des riesigen Schiffes befanden sich 4.382 Container mit Ladung im Wert von rund 300 Millionen US-Dollar. Allein durch Unternehmen, die von Artus betreut wurden, gingen Schadenmeldungen in einer Größenordnung von über 0,5 Mio. Euro ein. Das Unglück ereignete sich jedoch in 2013. Ein großes Schiff konnte damals zwar sogar wesentlich mehr Container aufnehmen – das damals weltgrößte Containerschiff, die Mærsk Mc-Kinney Møller, hatte eine Containertransportkapazität von 18.270 Containern. Jedoch wächst die Transportkapazität großer Containerschiffe immer weiter. So gibt es aktuell Schiffe, die mehr als 20.000 Container aufnehmen können. Im Falle eines Totalverlusts drohen Schäden von mehr als 3,5 Milliarden Euro.
Solche Fakten gehen aus dem aktuellen Allianz Safety and Shipping Review 2019 hervor, einer Studie zur Sicherheit der Schifffahrt aus dem Hause der Allianz-Tochter Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). Die Studie ist nicht nur für die Branche der Industrieversicherung interessant, sondern liefert umfangreiche Daten zur Sicherheitslage der Schifffahrt auf hoher See überhaupt. So nahm der gefürchtete Totalverlust von Schiffen als „Worst Case“-Szenario, zum Beispiel durch Sinken eines Schiffes und/ oder Feuer, in 2018 ab: 46 Totalverluste von großen Schiffen gab es in zu beklagen. Ein historisch niedriger Wert, wie der Versicherer herausstellt: In diesem Jahrhundert wurden noch nie so wenige Totalverluste von Schiffen verzeichnet wie in 2018.
Weniger Totalverluste in 2018: Die Milde Fortunas
2017 waren mit 98 Fällen von Totalverlusten mehr als doppelt so viele „Worst Case“- Fälle zu beklagen. Keineswegs aber verdankt sich der niedrige Wert in 2018 nur dem menschlichen Ermessen und Handeln – zum Beispiel dem Fortschritt bei Sicherheitstechnologien. Vielmehr hat Fortuna ihre Hand im Spiel. Denn da sich die Zahl der durch Unwetter verursachten Totalverluste in 2018 gegenüber dem Vorjahr auf zehn Schiffe halbierte, trägt auch eine ruhigere Hurrikan- und Taifun-Saison zu weniger Totalverlusten bei. Solche Befunde aber können sich durch zunehmende Wetter-Extreme auch schnell wieder wandeln.
Als gefährlichste Region für die Schifffahrt gelten laut Review die Gewässer Südchinas, Indochinas, Indonesiens und der Philippinen. In 2018 waren für diese Region 12 Totalverluste zu beklagen, für die Zeitspanne von 2009 bis 2018 sogar 234 Totalverluste. Grund derartiger Häufungen sind vor allem ein reges Verkehrsaufkommen zu Wasser und veraltete Flotten. Die östliche Mittelmeer- und Schwarzmeerregion ist aber ebenfalls ein Unfallschwerpunkt. Sechs Totalverluste verzeichnete in 2018 diese Region. Zwischen 2009 und 2018 fielen 153 Totalverluste für die östliche Mittelmeer- und Schwarzmeerregion an.
Größtes Problem der Branche: Brände und Maschinenschäden
Misst man alle Schäden und damit auch Aufwendungen jenseits des „Worst Case", fallen für Versicherer Maschinenschäden als häufigste Schadenursache am meisten ins Gewicht. 1.079 dieser Schäden gab es in 2018 zu beklagen. 319 Schäden entstanden durch den Zusammenstoß von Schiffen, 315 durch Strandung und das Auflaufen auf Untiefen. Ungewollter physischer Kontakt, zum Beispiel das Streifen einer Hafenmauer, verursachte 208 Schäden. 174 Schäden gehen zu Lasten von Bränden und Explosionen.
Die Zahl der Brände hat sogar über die Jahre zugenommen. So waren auch für 2018 zehn Brände mehr zu verzeichnen als für das zurückliegende Jahr. Und obwohl bei der Rangliste der Schadenhäufigkeit nur auf Rang fünf, verursachen Brände neben den Maschinenschäden enorme Schadenaufwendungen. Aus diesem Grund nennt Rahul Khanna, Global Head der Sparte Marine bei der AGCS, Brände und Explosionen auch „unsere größte Sorge“. Zumal ein Teil der Schäden auf falsch deklarierte Ladung und inkorrekt verpackte gefährliche Güter zurückgeht.
Häufigster Schadenauslöser sind laut Review beschädigte Waren und Container. Die Zahl der Schäden, die durch menschliches Fehlverhalten ausgelöst wird, schätzen die Studienmacher auf 75 bis 96 Prozent. Menschliches Versagen kann dabei viele verschiedene Ursachen haben. Als neues Problem nennen die Studienmacher, dass sich viele Seefahrer durch moderne Technik in falscher Sicherheit wiegen – und zudem zum Beispiel durch Beschäftigung mit ihren Handys im falschen Moment ablenken lassen.
Eine zunehmende Bedrohung geht laut Studie aber zudem von zunehmenden Krisenherden und damit von Territorialstreitigkeiten, Cyber-Angriffen, Piraterie und auch Sabotage aus. So wurden in 2018 über 200 Fälle von Piraterie registriert, als gefährlichste Region gelten die Gewässer Nigerias. Vorfälle wie der Überfall auf einen Öltanker zeigen aber auch, dass Konflikte im Nahen Osten zunehmend ihr bedrohliches Potential für die Schifffahrt entfalten, erklären die Macher des nun veröffentlichten Reviews.