Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA entscheidet demnächst, ob die Lebensversicherer auch nach 2021 mit erleichterten Übergangsregeln rechnen dürfen, um ihre Solvenz nachzuweisen. Fallen die Übergangshilfen weg, könnten auch einige deutsche Gesellschaften in Bedrängnis geraten.
Die europäische Versicherungsaufsicht macht sich aktuell daran, die Solvency-II-Richtlinie zu evaluieren und notfalls zu überarbeiten. Und das könnte auch für deutsche Lebensversicherer große Auswirkungen haben. Entschieden wird unter anderem darüber, ob die Versicherer auch nach 2021 mit erleichterten Übergangsmaßnahmen rechnen dürfen, wenn sie ihre Solvenz nachweisen. Ist das nicht der Fall, könnten einige Versicherer ernsthafte Probleme bekommen.
Der Sicherheitspuffer für den Sicherheitspuffer
Der Hintergrund: Seit 2017 müssen alle europäischen Versicherer jährlich Solvenzberichte bei ihren zuständigen Aufsichtsbehörden hinterlegen sowie auf den hauseigenen Webseiten veröffentlichen, so sieht es das neue Versicherungs-Aufsichtsregime Solvency II vor. Damit sollen die Unternehmen zeigen, wie stabil und finanzstark sie sind und ob sie genug Kapital haben, um auch Krisen durchzustehen: etwa einen Börsencrash oder Massenstorno. Hat ein Versicherer Probleme mit der Kapitalausstattung, kann die Finanzaufsicht erweiterte Maßnahmen fordern, die bis zur Abwicklung eines Versicherers reichen, wenn keine Besserung in Sicht ist.
Ausschlaggebend für die strengeren Regeln waren die Erfahrungen der Finanzkrise, in denen sich auch Versicherer als systemrelevant zeigten: als „too big to fail“. Unter anderem musste der US-amerikanische Multimilliarden-Assekuradeur AIG mit Staatsgeldern gerettet werden, nachdem er sich mit riskanten Immobilienpapieren verzockt hatte.
Aber die Finanzaufsicht kam den Versicherern entgegen, damit sie schrittweise den Übergang zum strengeren Aufsichtsregime bewältigen können. Aus diesem Grund weisen die Versicherer aktuell zwei Solvenzquoten aus, um ihre Finanzkraft nachzuweisen: eine Brutto- und eine Nettosolvenzquote. Bei der Bruttoquote darf mit erleichterten Maßnahmen gerechnet werden: Sie ist auch für die Finanzaufsicht relevant. Unter anderem dürfen hier versicherungstechnische Rückstellungen, mit denen langfristige Verträge abgesichert werden, weniger streng bewertet werden als durch Solvency II vorgesehen.
EIOPA evaluiert den erleichterten Übergang
Eigentlich war vorgesehen, dass die erleichterten Übergangsregeln bis zum Jahr 2032 gelten sollen. Allerdings mit einem Pferdefuß: Die europäische Finanzaufsicht EIOPA plant, notfalls Korrekturen an den aktuellen Solvency-II-Regeln vorzunehmen, so berichtet aktuell das Fachportal „Versicherungswirtschaft heute“. Es zitiert die Finanzaufsicht mit folgendem Satz: “Artikel 77f der Solvabilität-II-Richtlinie sieht eine Überprüfung der Maßnahmen zu langfristigen Garantien, einschließlich der Übergangsregeln, bis zum 1. Januar 2021 vor.“
Der Satz hat es in sich. Erweisen sich die Übergangsregeln als ungeeignet, die Stabilität der Versicherer langfristig zu garantieren, könnten ihnen schon zeitiger der Garaus gemacht werden. Mit bitteren Konsequenzen: Für die deutschen Versicherer drohen dann plötzlich verschärfte Maßnahmen sowie ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand, weil die neuen Pflichten auch mit erweiterten Dokumentations-Anforderungen einhergehen würden.
Hier halten sich Gerüchte, dass sich mehrere europäische Länder für eine Verschärfung der aktuellen Bedingungen ausgesprochen haben, berichtet „VW Heute“. BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund spreche sich hingegen für eine Verlängerung der Übergangsfrist aus, wie er auf der diesjährigen Pressekonferenz der deutschen Finanzaufsicht kund tat.
“Es gibt eine Reihe von Lebensversicherern in Deutschland, die ohne Übergangsregeln insolvent wären“, warnte EIOPA-Chefaufseher Gabriel Bernardino im Jahr 2018 (der Versicherungsbote berichtete). Aktuell befinden sich zwölf Lebensversicherer in engerer Manndeckung der BaFin, weil sie selbst die Netto-Anforderungen der BaFin nicht erfüllen können (der Versicherungsbote berichtete).