"In Zukunft wird man nicht mehr von situativem Versichern sprechen, sondern von echtem, adaptivem Versicherungsschutz.", sagt Stephen Voss. Spätestens wenn das Internet of Things und SmartHome zusammenwachsen, muss die Versicherungsindustrie die sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten nutzen, unterstreicht der Vorstand des digitalen Versicherers Neodigital in einem Kommentar für den Versicherungsboten.
Das Jahr 2030. Was für uns oft immer noch wie ein Datum in einem Science-Fiction Roman klingt, ist eigentlich gar nicht mehr so weit in der Zukunft. Wir sprechen hier über gerade einmal zehn Jahre. In einer Dekade kann man sicherlich den ein oder anderen Trend aussitzen. Das denken sich zurzeit viele Versicherungsunternehmen. Und dabei liegen sie doch so falsch und können nicht einmal konsequent ihren eigenen Maßstäben gerecht werden. Denn auch die Aussitzer haben mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Smartphone. Ein Gerät, das unsere Art zu kommunizieren, zu arbeiten, zu Spielen und sogar uns zu Verlieben nachhaltiger verändert hat als alle Innovationen der davor liegenden 50 Jahre. Laut Wikipedia, einer weiteren Errungenschaft der Smartphone- und Digital-Ära, wurde das allererste iPhone im November 2007 in Europa eingeführt. Das war vor gerade einmal 12 Jahren. Wenn wir betrachten, wie sich seitdem unsere Art zu kommunizieren verändert hat, kann man nur erahnen, wie sich der auch andere Lebensbereiche von uns in den kommenden Dekaden verändern werden.
Zunächst einmal wird er das bekommen, was er auch einfordert. Nämlich die Art von Service, die er auch von anderen Vertriebsformen, wie bei den großen Online-Versand Händler gewohnt ist. Zudem wird er immer und jederzeit Zugriff auf seine persönlichen Unterlagen haben wollen. Die Zeiten eines Versicherungsordners, in dem immer der neueste Policen-Nachtrag abgelegt wird, sind schon heute vorbei. Die Zukunft bringt aber noch mehr, so wird das Smartphone zur reaktiven Versicherungsplattform. Damit ist gemeint, dass das Smartphone zu einer eigenen Risikoanalyse in der Lage sein wird. Und zwar, mithilfe seiner eigenen Sensoren, oder sogenannter Smartdevices, also Uhren, Brillen, Kameras, die anhand von Datenanalysen in Echtzeit erkennen können, in welcher aktuellen oder kurz bevorstehenden Risikosituation sich der Kunde befindet. Das wird natürlich nur möglich, wenn der Nutzer den Zugriff auf diese Daten auch zulässt, aber die meisten der ab den 2000ern geborenen Generation Internet wird dies sicherlich tun. Wenn man diese Entwicklung mit modularen und vor allem adaptiven Versicherungsprodukten verknüpft, erschließt sich dadurch eine völlig neue Ebene an Bequemlichkeit, eben die vom Kunden gewünschte „Convenience“.
Der Nutzer muss nun nicht mehr vorab oder bei Vertragsabschluss entscheiden, ob er nun einen besonderen Versicherungsschutz benötigt, weil er eventuell einmal Skifahren möchte. Der Kunde von morgen schließt einen variablen Vertrag ab, der dann - und nur dann - wenn er sich in einem Skigebiet befindet, den Versicherungsschutz hochfährt und adäquat berechnet. Und zwar nur für die Zeit, in der der tatsächlich ein höheres Risiko besteht. Dann kann man nicht mehr von situativem Versichern sprechen, sondern von echtem, adaptivem Versichern. Die Sensorik und Technologie dafür gibt es schon heute – und sie wird zudem immer billiger und damit immer verbreiteter. Sie muss nur noch mit intelligenten Versicherungsprodukten verknüpft werden. Dafür werden schnelle Verbindungen ins Internet, Stichwort 5 G, notwendig und ebenso flexible und gleichsam schnelle Versicherungs- und Bestandsführungs-Backbones der Versicherungsunternehmen. Gemeint sind damit die IT-Systeme, die die Informationen der Sensoren mit cleveren Algorithmen in Echtzeit auswerten und damit die Pricing- und Risiko-Modelle der Versicherer füttern. Für beide Seiten eine smarte Lösung, denn der Kunde erhält einen besseren, weil noch individuelleren Versicherungsschutz und der Versicherer muss nicht mehr ausschließlich auf Statistiken der Vergangenheit schauen, sondern kann nun in Echtzeit mit Realdaten arbeiten. Das ist eine kleine Revolution in der Versicherungsmathematik.
Demnach wird der Kunde seinen persönlichen Versicherungsmanager gestützt durch künstliche Intelligenz immer dabei haben, zum Beispiel in Form seines Smartphones oder in seiner Smartwatch – Hauptsache er ist dabei online. Damit an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen, muss erwähnt werden, dass diese Entwicklung nicht das Ende der persönlichen Beratung bedeutet. Auch diese wird weiterhin Bestand haben, jedoch nicht mehr bei den einfachen alltäglichen Anpassungen im Versicherungsschutz. Bei modularen, adaptiven Produkten wäre dies zudem bei der Datenfülle, die dort zusammenkommt, gar nicht mehr für den Flächenvertrieb leistbar. Er wird dem Kunden auch weiterhin als kompetenter Spezialist zur Seite stehen, wobei die Technik Argument und Unterstützung für die Beratung, bzw. den Verkauf zu gleich ist.
Auch im Bereich Hausratversicherung gibt es genügend Anwendungsbeispiele: So könnte die teure Spiegelreflexkamera über den NFC-Chip (Near Field Communication) an das Smartphone oder den WLAN-Server automatisch melden, wenn sie das Haus verlässt. Das wäre zum einen gut für die Prävention im Sinne von Diebstahl, aber könnte auch für ein adaptives Produkt genutzt werden. Denn so könnte für die Spiegelreflexkamera automatisch eine zusätzliche Versicherungsleistung eingebucht werden, wenn sie draußen genutzt wird und auch wieder ausgebucht werden, wenn sie wieder sicher zu Hause liegt. Das ist nicht nur sinnvoll, sondern bringt auch einen echten Mehrwert für den Kunden. Internet of Things und SmartHome wachsen hier in den kommenden zehn Jahre stark zusammen. Die Versicherungsindustrie muss die sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten nutzen. Starre Kündigungszeiten und Verträge, die nur zu Stichtagen und mit Monatsfristen beendet werden können, gehören damit der Vergangenheit an. Das werden viele Kunden einfach nicht mehr wollen. Aber es bedeutet nicht, dass der Versicherer mit kürzeren Zeiträumen im gleichen Pricing-Modell operieren kann. Auch hier ist Flexibilität angesagt, denn wenn eine flexible Kündigung möglich wird, wird der Kunde dafür auch gerne für diesen Service bezahlen. Wenn man dies für unrealistisch hält, möge man einfach noch einmal gedanklich in den November 2007, zur Einführung der ersten Generation des iPhones, reisen. Damals wurde auch ein anderer Service eingeführt, von dem niemand dachte, dass er lange Bestand haben wird. Denn wer würde denn schon monatlich für einen Liefer-Service bezahlen, wenn man lediglich ein paar Bestellungen pro Jahr benötigt? Dabei handelte es sich um Amazon Prime. Der Rest ist Geschichte.