Als größte Gefahr für die Versicherungsbranche wertet Helge Lach nicht Techgiganten und neue Wettbewerber, sondern die Regulatorik: also den Gesetzgeber, welcher der Branche immer engere Fesseln anlegt. Die Regulatorik habe der Versicherungsbranche in den letzten Jahren massiv zugesetzt, argumentiert der Manager — und vor allem der Vertrieb habe darunter zu leiden:
“Als ein Allfinanzvertrieb mussten wir eine MiFID II umsetzen, wir mussten eine IDD umsetzten, das LVRG 1 umsetzen. Jetzt wird in der Politik über einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung diskutiert. Das sind alles Dinge, die von außen kommen und die das Leben sehr schwer machen, die hohe Kosten verursachen und die für einen eigenständigen, kleinen Vermittler kaum noch zu schaffen sind“, klagt der DVAG-Vorstand.
Bei einigen Sachen sei schlicht zu viele Regulierungsvorgaben gemacht worden, so Lach: Das laufe auch dem Kundeninteresse zuwider. Die Vermögensberatung merke das zum Beispiel bei den Dokumentationspflichten und den vielen Unterlagen, die ausgehändigt werden müssten: „Die meisten Kunden wollen das alles gar nicht haben“.
Zahl der Vermittler sinkt: aus vielfältigen Gründen
Als Beleg, dass überreguliert wird, wertet Helge Lach im Interview die sinkende Zahl an Vermittlern, ohne allerdings Zahlen zu nennen. Diese liefert das Vermittlerregister der Industrie- und Handelskammern (IHKen). Zum Höchststand 2011 gab es in Deutschland noch 263.000 Vermittler, aktuell sind etwa 204.000 verblieben: ein deutlicher Trend. Allerdings betrifft der Schwund vor allem Ausschließlichkeitsvertreter, während die Zahl der Makler in dem Zeitraum sogar stieg.
Zudem hat der Vermittlerschwund weitere Gründe, für die der Gesetzgeber allein nicht verantwortlich gemacht werden kann. Viele Versicherer streichen infolge des digitalen Wandels Stellen im Vertrieb und besetzen Agenturen nicht neu, wenn Vertreter in Rente gehen. Nicht wenige Vermittler dürften in den letzten Jahren in den Ruhestand gewechselt sein: Das Durchschnittsalter der Branche liegt bei rund 50 Jahren.
Vermittlersterben - oder notwendige Marktbereinigung?
Ob der Vermittlerschwund nur negativ zu betrachten ist, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander. Der Beruf des Versicherungsvermittlers hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt: von einer typischen Quereinsteiger-Tätigkeit hin zu einem qualifizierten Expertenberuf. Daran hat auch der Gesetzgeber mit verschärften Regeln einen Anteil.
So tragen steigende Anforderungen an Qualifikation und Weiterbildung dazu bei, dass schwarze Schafe der Branche aussortiert werden. Unter anderem hat Vertriebsexperte Matthias Beenken zu bedenken gegeben: Versicherungsvermittler, die ihre Kunden gut betreuen und lang an sich binden, könnten von einer Marktbereinigung sogar profitieren, während vor allem Strukturvertriebe und Maklerpools einen drohenden Provisionsdeckel fürchten müssten (der Versicherungsbote berichtete).
Helge Lachs Argument ist auch insofern widersprüchlich, weil er ja im Interview zunächst behauptet, dass Versicherer und Vertrieb in Deutschland durch die hohen regulatorischen Anforderungen vor der disruptiven Energie von Facebook, Google und Co. geschützt werden. Und auch, wenn die Kundinnen und Kunden die umfangreichen Beratungsdokumentationen nicht ausgehändigt bekommen wollen: Im Zweifel dienen die Dokumente dazu, Falschberatungen gegenüber dem Vermittler juristisch anzufechten.