Die Ressorts sind sich einig: Die gelben Krankenscheine für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit sollen Geschichte sein, die Digitalisierung macht die „Zettelwirtschaft“ überflüssig. Jedoch: Noch sind nicht alle Details für die zu schaffende Gesundheits-Datenautobahn geregelt. Denn zuletzt stritten sich die Resorts über Vorgaben für die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA).
Mit den Zetteln soll Schluss sein
Geliebt werden sie nicht: Die gelben Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die als Erst- oder Folgebescheinigungen dem Arbeitgeber vorzulegen sind. Denn für Erkrankte sind diese Scheine gleichbedeutend mit zusätzlichen Wegen. Für Unternehmen und ihre Mitarbeiter hingegen, jedoch häufig auch für Postmitarbeiter bedeuten diese Scheine ein zusätzliches Ansteckungsrisiko, sobald eine ansteckend erkrankte Person auf dem Rückweg vom Arzt noch schnell den Krankenschein einreichen (oder diesen per Post an den Arbeitgeber schicken) möchte.
Setzt sich das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) aber mit einem Gesetzentwurf durch, könnte bald Schluss sein mit dem „gelben Schein“. Denn am 18. September 2019 befürwortete das Bundeskabinett ein Gesetzvorhaben, das die Digitalisierung der Krankschreibung vorantreiben würde. Nicht nur die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Arbeitgeber, sondern auch die gelben Scheine als „Ausfertigung zur Vorlage bei der Krankenkasse“ würden dann wegfallen. Papier wäre als Nachweis nicht mehr nötig.
Übermittlung des Nachweises: Zukünftig bei den Kassen
So soll der Weg der Krankschreibung zukünftig über die Krankenkassen gehen. Der Plan sieht vor:
- Ärzte übermitteln zunächst notwendige Daten an die Kassen – und zwar über die Telematikinfrastruktur (TI), die als Datenautobahn zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens geschaffen wurde. Dieser Schritt macht die Ausfertigung des gelben Scheins „zur Vorlage bei der Krankenkasse“ überflüssig.
- Von der digitalen Krankschreibung erzeugen dann die Kassen einen so genannten „Abruf“ und senden diesen an den Arbeitgeber – müssen doch mehr Daten an die Krankenkasse als an den Arbeitgeber übermittelt werden. Denn freilich gilt wie bisher: Jene unter „Diagnose“ an die Kassen übermittelten Informationen zur Erkrankung werden dem Arbeitgeber nicht weitergeleitet.
Somit liegt es zukünftig bei den Krankenkassen, dem Arbeitgeber notwendige Daten der Krankschreibung zu übermitteln. Dem erkrankten Arbeitnehmer hingegen bleibt, als einzige Notwendigkeit, nur der Weg zum Arzt statt zusätzlich zu den Kassen sowie zum Arbeitgeber oder zur Post. Möglich werden soll diese vollständige Digitalisierung der Krankschreibung über das so genannte Dritte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III).
Das Versprechen: Unternehmen sparen Milliarden
Das Gesetz sieht weitere Maßnahmen vor, die im Zuge der Digitalisierung den bürokratischen Aufwand reduzieren sollen. Dies betrifft zum Beispiel die Archivierung von elektronisch gespeicherten Steuerunterlagen. Bisher war es zum Beispiel für Unternehmen notwendig, Datenverarbeitungssysteme über eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist aufrecht zu erhalten zur Nachprüfbarkeit von Steuer-Daten durch das Finanzamt. Künftig reicht es jedoch laut Plan des Bundeswirtschaftsministeriums aus, wenn Steuerpflichtige nach einem IT-Systemwechsel oder einer Datenauslagerung für fünf Jahre einen Datenträger mit den gespeicherten Steuerunterlagen vorhalten.
Durch derartige Maßnahmen sollen Unternehmen um mehr als eine Milliarde Euro im Jahr entlastet werden. Auch soll mehr Zeit und Geld zur Verfügung stehen für Mitarbeiter, um Kernaufgaben der Unternehmen anzugehen.
Debatte um Daten-Sicherheit
Ist jedoch ein solcher Datenaustausch auch sicher? Diese Frage freilich stellte sich schon weit vor dem jetzigen Reformvorhaben – denn zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen bringt auch zunehmende Gefahren für den Datenschutz mit sich. Zu bedenken ist: In den Netzwerken der Praxen und Kliniken, aber auch der Apotheken und Krankenkassen laufen sensible Daten zusammen, die über die Telematikinfrastruktur (TI) als „Datenautobahn“ ausgetauscht werden müssen.
Hierzu zählen auch Daten zu psychischen Erkrankungen oder zu stigmatisierenden Erkrankungen (z.B. Aids) und weitere sensible Daten, die schnell einem Patienten zum Verhängnis werden können, sobald sie in falsche Hände kommen. Aus diesem Grund gab es in der Vergangenheit auch wiederholt harsche Kritik an der Art und Weise, wie die Digitalisierung der Gesundheitsdaten umgesetzt werden soll.
Diese Kritik geschah insbesondere unter dem Verdacht zu lascher technischer Vorgaben für den Datenschutz, zumal hierdurch für Ärzte und Praxen auch zusätzliche Haftungsrisiken entstehen können. So kritisierte der „Freie Ärzteschaft e.V.“, der Interessenverband der freiberuflichen Ärzte, wiederholt: Über datenschutzrechtliche Vorgaben würden die Konstrukteure des Gesundheits-Netzwerks „großzügig hinwegsehen“.
Justitzministerium kippt ePA-Pläne
Zuletzt führte ein noch tiefer greifendes Gesetz aus dem CDU/ CSU- geführten Bundesgesundheitsministerium sogar beinahe zum Bruch der Ressorts. Denn das so genannte Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) schrieb sich zwar auch „weniger Zettelwirtschaft“ auf die Fahnen. Weil umstrittene Regelungen für die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) jedoch Widerstand beim SPD-geführten Bundesjustizministerium provozierten, wurden sie zunächst komplett gestrichen, wie das Ärzteblatt informiert.
Trotz Einigung des Kabinetts bei der Abschaffung der „Gelben Zettel“ über das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz bleibt es demnach spannend bei der Frage, wie letztendlich die Datenautobahn für den Austausch von Patientendaten beschaffen sein wird.