Eine zentrale Lektion lautet also, dass die Zukunft in der Branchenkonvergenz liegt. Dann stellt sich die offensichtliche Frage, wie Sie diesen Wandel steuern?
Bei Aegon verfolgen wir, was wir als den `Core – Satellite – Universe´-Ansatz bezeichnen. Vor ungefähr zehn Jahren, als ich mit der Innovation begann, fingen wir intern an. Wir hatten einige Ideen, wollten eine neue digitale Inhouse-Bank gründen, aber das funktionierte nicht so, wie wir es uns erhofft hatten. Weil Inhouse-Innovation sehr schwierig, um nicht zu sagen unmöglich ist.
Die meisten traditionellen Versicherungsunternehmen gehören nicht zu den besten Erfindern der Welt...
Das stimmt in der Tat! Daher beschlossen wir, es anders zu machen. Wir erkannten, dass die bestehende Organisation in unserer eigenen Umgebung nicht sehr offen für Neues ist. Aus diesem Grund beschlossen wir, separate Unternehmen zu gründen, die aber trotzdem zu 100 Prozent uns gehören. Eine dieser Ausgründungen war Knab, eine digitale Bank, die an einem anderen Standort platziert wurde und vollkommen vom bestehenden Geschäft losgelöst ist, so dass es keine Störungen und Einmischungen gibt. Sie fokussiert auf Einzelkunden und Freiberufler beziehungsweise Selbstständige und ist ziemlich erfolgreich. Knab ist die einzige profitable digitale Bank in Europa und hat den höchsten Net Promoter Score.
Allerdings haben wir einen interessanten Fehler gemacht. Wir dachten, wir wollten die Banken revolutionieren, indem wir eine größere Transparenz boten und darauf verzichteten, die versteckten Kosten zu verschleiern. Also beschlossen wir, höhere Kontogebühren als traditionelle Banken zu verlangen. Anstelle einer Kontogebühr von 5 Euro pro Monat verlangten wir 15 Euro. Dafür gab es keine weiteren versteckten Kosten, die andere Banken kassierten und die weit über 15 Euro pro Monat betrugen. Das erwies sich als ein echtes Desaster! Die niederländische Presse titelte: „Knab, die teuerste Bank der Niederlande.“ Daraufhin beschlossen wir zurückrudern und die Kontogebühren auf 5 Euro zu senken. Inzwischen wage ich die Behauptung, dass es eine ziemlich erfolgreiche Bank ist. Ihre schnell wachsende Kundenbasis zeigt, dass ihr Wertangebot für Selbstständige und Freiberufler – ein Segment, das sich weltweit auf dem Vormarsch befindet – sehr attraktiv ist.
Wo wir von Branchenkonvergenz sprechen: Sie sind eine interessante Partnerschaft mit dem Unternehmen BCD Travel eingegangen, mit dem Sie GoBear in Asien gegründet haben. Können Sie uns ein wenig mehr darüber erzählen?
Viele Unternehmen laden uns zu gemeinsamen Initiativen ein. So war es auch mit BCD, einer weltweiten Reiseagentur mit umfassender Erfahrung in Asien. Anfangs sprachen wir darüber, Reiseversicherungen zu verkaufen. Um es abzukürzen, das war der Beginn von GoBear. Auf konzeptioneller Ebene war es mehr oder weniger eine Kopie von Skyscanner, tendierte aber eher zu einem Finanzsupermarkt als einem Aggregator. Inzwischen ist GoBear in sieben asiatischen Ländern aktiv. Daten sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Wir sind mit 50 Prozent daran beteiligt.
Würden Sie aus Ihrer Erfahrung sagen, dass man immer 100 Prozent eines Startups besitzen sollte, wenn man die Gelegenheit dazu hat?
Meine Antwort ist ein klares Nein. Einen Private-Equity-Partner mit einer Beteiligung von 50 Prozent zu haben, hat uns diszipliniert.
Bei DIA sehen wir Insurtechs, die in unterschiedlichen Geschäftsfeldern aktiv sind und die neuesten Technologien einsetzen. Wie sorgen Sie als traditioneller Versicherungskonzern dafür, dass Sie stets Zugang zu modernsten Technologien haben?
Uns war klar, dass uns das aus eigener Kraft nie gelingen würde. Aus diesem Grund gründeten wir Transamerica Ventures als einen der ersten Corporate Insurtech Venture Capital Fonds der Industrie. Wir halten Ausschau nach hoch innovativen neuen Unternehmen, Serie-A-Startups, die über ein bestimmtes, sehr spezifisches, außergewöhnliches und technologiegetriebenes Wissen verfügen. Und dann suchen wir immer nach einer Verknüpfung mit einem Unternehmen von Aegon, so dass wir externes Wissen mit dem Wissen unserer bestehenden Unternehmen kombinieren können. Wir wollen lernen und die externen Entwicklungen nutzen, weil wir nicht die Kompetenzen besitzen, um alles selber zu entwickeln.
Wie sieht es mit den ausgewählten Unternehmen aus, suchen Sie nach spezifischen Lösungen? Können Sie uns einige Namen aus dem Portfolio von Transamerica Ventures nennen?
Transamerica Ventures selbst will natürlich eine Investitionsrendite sehen. Unser Kriterium lautet daher, dass die Lösung des finanzierten Startups einen praktischen Nutzen für Aegon haben sollte. Ich will Ihnen einige Beispiele geben:
Everplans entwickelte eine digitale Lösung für die Nachlassplanung. Unsere Agenten nutzen sie zur Steigerung der Interaktion mit Kunden und zur Verbesserung des Cross-Selling und des Deep Selling. Hier sind wir übrigens nur mit 5 Prozent beteiligt, da wir keinen größeren Einfluss oder Board-Mandate anstreben.
Nextcapital ist ein Robo Advisor, den wir für auslaufende Rentenversicherungen einsetzen. Falls Sie eine Rentenversicherung mit einer bestimmten Laufzeit haben, bietet der Robo Advisor Unterstützung für die Reinvestition der Versicherungssumme. Eine sehr innovative Lösung, die wir in unsere Core-Systeme integriert haben.
H2O.ai ist ein Unternehmen für künstliche Intelligenz. Fast sieben Einheiten bei Aegon nutzen seine Technologie, um KI voranzutreiben. In allen drei Fällen haben wir in die Startups investiert, halfen ihnen aber auch dabei, Zugang zu anderen Unternehmen zu erhalten, reale Anwendungsbeispiele zu schaffen und von unserem Wissen und unserer Erfahrung zu profitieren. Und im Gegenzug erhalten wir Zugang zu ihren Technologien.