Nach der Pleite des Goldanbieters PIM muss sich nun auch die Finanzaufsicht BaFin unangenehme Fragen stellen lassen. Schritt sie zu spät ein, obwohl sie zeitig Hinweise darauf hatte, dass das Geschäftsmodell nicht funktionieren kann? Das Goldhaus soll bis zu zehntausend Kleinanleger mit einem Schneeballsystem getäuscht haben.
Im Skandal um den insolventen Goldanbieter PIM rückt nun auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den Fokus. Nach Recherchen des Handelsblattes hatte die Behörde bereits 2013 erste Hinweise erhalten, dass die Hessen möglicherweise ein unseriöses Geschäftsmodell betreiben. Doch es dauerte noch sechs Jahre, bis eine Razzia dem Goldhändler aus Heusenstamm bei Frankfurt ein Ende bereitete.
Wie das „Handelsblatt“ berichtet, sah sich die BaFin zunächst nicht zuständig für die Aufsicht von PIM. „Edelmetallkäufe, die keine Vermögensanlagen sind und auch kein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft, liegen außerhalb des Kompetenzrahmens der BaFin“, zitiert das Magazin aus einer Anfrage der Behörde.
Ähnlich äußerte sich das Bundesfinanzministerium. Denn der PIM-Skandal beschäftigt nun auch den Bundestag, nachdem die Linke-Fraktion vor wenigen Tagen nach möglichen Versäumnissen fragte. Weil das damalige Geschäftsmodell als „reiner Kauf physischen Goldes“ ausgestaltet gewesen sei, habe die BaFin keine Handhabe gehabt, zitiert das Blatt aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage.
PIM Gold sowie der angeschlossene Vertriebsarm PGD mussten nach einer Razzia Insolvenz anmelden. Firmengründer Mesut B. sieht in Untersuchungshaft, gegen ihn und vier Geschäftspartner wird wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt. Sie sollen tausende Kleinanleger mit einem Schneeballsystem getäuscht haben (der Versicherungsbote berichtete).
Goldsparplan — keine Geldanlage?
Die Einschätzung von Ministerium und Behörde überrascht. Denn das Geschäftsmodell von PIM sah keineswegs nur den zeitlich verzögerten Verkauf von Gold vor. Dies ist, im Gegenteil, die Behauptung, mit der die Hessen mutmaßlich ihre Kundinnen und Kunden selbst getäuscht haben.
Tatsächlich aber vertrieb PIM einen Goldsparplan: und damit sehr wohl ein Anlageprodukt. Und um eine hochriskante Wette, schaut man sich das Modell näher an: Die Kunden gaben mutmaßlich den Kauf des Edelmetalls in Auftrag, um es dann dem Unternehmen zu überlassen. PIM versprach, das Kapital für den Altgoldhandel zu nutzen und so weitere Rendite zu generieren. Drei bis sechs Prozent sollten so für die Sparer als Rendite drin sein. Der Wert des Goldes kann aber tatsächlich nur dann steigen, wenn auch die Goldkurse sich positiv entwickeln. Teil des Investments waren eine „Rückkaufoption“ zum festen Goldpreis sowie „Bonusgold“ als zusätzliche Gewinnaussicht: eben besagte Rendite.
Das „Handelsblatt“ berichtet nun, dass ein Jurist bereits im März 2015 ein Gutachten vorlegte, mit dem er PIM-Geschäftsführer Mesut P. davor warnte, seine Firma habe keine Zukunft. Grund war das verschärfte Kleinanlegerschutzgesetz. Dieses würde auch „Direktinvestments in Sachgüter, zum Beispiel Rohstoffe, mit einer zugesagten jährlichen Verzinsung und einem Rückerwerb der Anlage nach einem gewissen Zeitraum“ erfassen. In einer Mail habe der Fachanwalt für Kapitalmarktrecht geschrieben, die BaFin werde „in diesem Punkt kaum mit sich reden lassen“ und einen „erheblichen Flurschaden erleiden“.
Keine Bedenken — keine Warnung?
Denn das Geschäftsmodell der PIM stand auf sandenen Füßen. Viel Geld neuer Anleger wurde mutmaßlich nicht in Gold investiert, wofür es vorgesehen war, sondern dafür benutzt, Altkunden auszuzahlen und hohe Provisionen an Vermittler auszuschütten. Ein Schneeballsystem: Es muss kollabieren, sobald kein frisches Geld mehr hineingepumpt wird. Nach dem Verdacht der Staatsanwaltschaft sind nur vier von zehn Euro, die Neuanleger in das PIM-System einbrachten, tatsächlich für den Kauf von Gold verwendet wurden. Bei der Razzia waren die Goldlager leer.
Laut „Handelsblatt“ ermittelte die BaFin erstmals 2013 gegen PIM wegen unerlaubter Bankgeschäfte. Im Dialog mit einem Anwalt des Unternehmens seien die Vorbehalte ausgeräumt worden. Erst fünf Jahre später, im November 2018, erschien dann eine erste Warnung auf der Webseite, bei der man bemängelte, dass dem „Kinder Gold Konto“ das gesetzlich vorgeschriebene Prospekt fehle. Nach zwei Monaten sei diese aber von der Webseite wieder verschwunden. Belastbare Hinweise seien nicht gefunden wurden: obwohl bereits damals die Firmenzentrale durchsucht und Zeugen befragt worden seien.
Fatalerweise sammelten die Hessen danach Neukunden gerade mit der Behauptung ein, PIM sei jetzt von der BaFin geprüft. Die eingestellten Ermittlungen gegen das Unternehmen wurden so zum Feigenblatt, um ein möglicherweise unseriöses Geschäftsmodell zu decken. Neun Monate konnte man bis zur Razzia fleißig Neukunden anwerben. Hier beklagt die Linke, dass die BaFin ihr „robustes Mandat“ nicht wahrnehme, um Verbraucher schon zeitiger zu warnen. Und nicht konsequent genug ermittle: Ein Whistleblower, der gegen PIM Vorwürfe erhoben habe, sei gar nicht erst angehört worden.
Verbraucherschutz-Befugnisse hat die BaFin seit 2015: eben seit Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes. Die Finanzbehörde betont aber immer wieder, dass es durchaus juristische Hürden gibt. Greift sie zu zeitig ein und warnt voreilig, besteht die Gefahr, dass ein funktionierendes Unternehmen beschädigt wird — und gerade aufgrund dieser Warnung schlimmstenfalls Schiffbruch erleidet.