Versicherungsbote: Bei vielen Sparten ist die Prüfung des Schadensfalles noch sehr zeitaufwendig und intensiv, Beispiel BU und biometrische Risiken. Wird die Berufsunfähigkeit geprüft, dauert es oft mehrere Monate, viele Unterlagen müssen eingeholt werden. Kann KI hier auch unterstützend wirken, oder sind dem Grenzen gesetzt?
Alexander Bernert: KI kann unterstützend wirken, aber schon gesetzlich ist vorgeschrieben, dass eine Ablehnung nie nur durch „Entscheidung“ einer Maschine erfolgen kann. Insofern gibt es klare Grenzen.
Die Branche hat ein Nachwuchsproblem, das Alter der Mitarbeiter nähert sich den 50 Jahren. Viele Versicherer klagen bereits, sie finden zu wenige Fachkräfte. Zugleich berichten wir immer häufiger von Jobabbau bei den Versichern, weil die KI viele Aufgaben im Innendienst übernimmt. Ein Widerspruch? Wie passt das zusammen?
KI übernimmt – eher potenziell als schon tatsächlich – bestimmte Aufgaben. Aber Domäne des Menschen werden absehbar solche Themen bleiben, bei denen mit Menschen interagiert wird oder Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen. Das bedeutet aber auch, dass der Charakter der Jobs sich wandelt. Früher gab es Mitarbeiter, die auf Anforderung von Sachbearbeitern Akten aus den Kellern geholt haben – das braucht man mit elektronischen Akten nicht mehr. Wie in der gesamten Wirtschaft fallen einfache Tätigkeiten eher weg durch die Digitalisierung, während es einen steigenden Bedarf an Mitarbeitern gibt, die die neue Welt gestalten können.
Daran anknüpfend: Droht bei den Versicherern ein radikaler Jobabbau? Sollte man überhaupt noch bei einem Versicherer als Sachbearbeiter lernen oder seine Ausbildung machen, wenn doch Robbie ganz einfach im Werk hergestellt werden kann?
Eine Ausbildung bei einem Versicherer lohnt sich ganz sicher, denn Versicherung ist eines der ältesten Gewerbe der Welt – erste Versicherungsthemen waren schon im Codex Hammurabi zu finden – die Branche wird es auch noch in 100 Jahren geben. Aber sie wird sich in der Art, wie Versicherung „hergestellt“ wird, ändern – und darauf sollte man sich als junger Mensch einstellen. Also gut darüber nachdenken, welche Tätigkeiten denn in 10 oder 20 Jahren wohl noch in Menschenhand sein werden. Aber das gilt für jede Branche.
Welche Rolle kann Künstliche Intelligenz im Vertrieb übernehmen? Wo und wie unterstützt/ergänzt oder verdrängt Robbie Herrn Kaiser?
Heute kann künstliche Intelligenz für Vermittler beispielsweise Routineaufgaben in deren Backoffice übernehmen und diese dadurch entlasten und Zeit für die Beratung der Kunden schaffen. Für einfache Produkte kann KI auch nützlich sein, damit Kunden sich im Self Service erste Informationen beschaffen können. Darüber hinaus ist es auch möglich, mit KI die Vermittler oder auch den Online-Vertrieb zu unterstützen, damit sie den Kunden passgenauer weitere Produkte und Services vorschlagen oder Indikatoren für Unzufriedenheit früher erkennen können.
Die Fragen stellte Mirko Wenig