Am Freitag stimmte der Bundesrat dem Angehörigen-Entlastungsgesetz zu, das der Bundestag bereits am 7. November verabschiedet hatte. Das berichtet aktuell bundesrat.de. Demnach müssen nun erst dann leibliche Kinder für ihre Eltern den so genannten „Elternunterhalt“ zahlen, wenn das Bruttoeinkommen der Unterhaltspflichtigen 100.000 Euro übersteigt – ein wichtiger Schritt gegen das „Armutsrisiko Elternunterhalt“.
Die gesetzliche Pflegeversicherung ist nur als Teilkasko angelegt. Einen großen Teil der Kosten bei Unterbringung in einem Pflegeheim müssen Pflegebedürftige selbst tragen – der Betrag setzt sich zusammen aus dem einrichtungseinheitlichen Anteil für Pflege zuzüglich Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten für das Heim.
Dieser "Eigenanteil" für Pflegeheime wird jedoch immer teurer: Inzwischen ist der bundesdurchnittliche Betrag, den Pflegebedürftige in einem Pflegeheim selbst tragen müssen, auf 1.891 Euro monatlich angestiegen. Anfang 2018 waren es durchschnittlich noch 1.751 Euro und damit 140 Euro weniger, wie der Versicherungsbote berichtete. Das Szenario steigender Eigenanteile wiederholt sich mittlerweile Jahr um Jahr: Schon zum Ende des letzten Jahres wurde ein Plus von 3,25 Prozent gegenüber dem Vorjahr beim bundesdurchschnittlichen Betrag verkündet.
Aus diesem Grund sehen Sozialverbände wie der VdK schon jetzt in den hohen Eigenanteilen ein Armutsrisiko (der Versicherungsbote berichtete). Dieses Risiko bedroht jedoch nicht nur die Pflegebedürftigen selbst, sondern auch deren leibliche Kinder.
Elternunterhalt: Kinder haften für ihre Eltern
Denn Paragraph 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) definiert: „Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren“. Da das Prinzip sowohl für die ab- als auch die aufsteigende Linie gilt, sind Kinder laut Gesetz verpflichtet, an die Eltern Unterhalt zu zahlen, sobald Einkommen und Vermögen der Eltern nicht mehr zum Bestreiten des Lebensunterhalts ausreichen. Das trifft auch für die Eigenanteile in der Pflege zu.
Zwar: zunächst steht der Ehepartner für den Unterhalt und damit auch den Eigenanteil ein. Reicht aber dessen Einkommen nicht aus oder ist der Partner gar schon verstorben (was nicht selten ist), ermitteln die Sozialämter die unterhaltspflichtigen Verwandten und nehmen diese folglich in die Unterhaltspflicht. Und das sind in der Regel die leiblichen Kinder. Bei Pflegebedürftigkeit und stationärer Unterbringung eines Elternteils droht ein hoher Elternunterhalt, den die Kinder zahlen müssen.
Angehörigen-Entlastungsgesetz hilft Betroffenen mit geringem Einkommen
Durch Verabschiedung des Angehörigen-Entlastunggesetzes jedoch geraten Kinder pflegebedürftiger Eltern nun erst bei einem wesentlich höheren Einkommen als bisher in die Unterhaltspflicht. Denn bisher galt als Richtwert für den Elternunterhalt eine Einkommensgrenze von 21.600 Euro netto für Alleinstehende und 38.800 Euro netto per annum für Familien. Was darüber lag, musste im Zweifel für die Pflege der Eltern abgetreten werden.
Nun jedoch wurde per Gesetzesreform die Grenze auf ein Bruttoeinkommen von 100.000 Euro jährlich erhöht. Damit werden insbesondere jene Angehörigen entlastet, die bei vergleichsweise geringen Einkünften bereits zahlen mussten oder zukünftig hätten für ihre Eltern zahlen müssen. Gelten soll die neue Regel bereits ab Januar 2020.
Das neue Gesetz enthält auch eine Vermutungsregel zur Bürokratieentlastung. Demnach müssen Betroffene ab 2020 nur noch in Ausnahmefällen ihr Einkommen gegenüber den Behörden offenlegen – und zwar erst dann, wenn ein Einkommen über der Schwelle vermutet wird. Dies soll laut Gesetzgeber Bürger und Verwaltung entlasten.
Kosten: Noch Verhandlungssache?
Alle Messen scheinen demnach nun zugunsten des Gesetzes, jedoch noch nicht bei der Finanzierung gesungen. Denn das Gesetzvorhaben erregte großen Unmut bei den Kommunen, die hohe Mehrkosten erwarteten, wie der Versicherungsbote berichtete.
Obwohl das Gesetz nun trotz dieser Tatsache verabschiedet wurde, forderte der Bundesrat die Regierung in einer begleitenden Entschließung auf, jene Kosten und Folgekosten offenzulegen, die den Ländern und Kommunen durch das Gesetz entstehen. Zu erwarten ist also gemäß der Meldung aus dem Bundesrat, dass aufgrund des Gesetzbeschlusses nun Finanzierungsvorschläge zwischen Bund und Ländern verhandelt werden.