Falk Leibenzeder ist Finanz- und Versicherungsmakler mit den Spezialthemen Vollmachten, Pflege und Kapitalanlage. Er ist bundesweit als Referent und Trainer unterwegs und hält regelmäßig Vorträge zu den genannten Themen. In einem Gastkommentar für den Versicherungsboten erklärt der Experte, warum es für Vermittler sinnvoll ist, sich mit Vollmachten und Verfügungen zu beschäftigen.
Seit Monaten ist in den Medien immer wieder von Horrorszenarien zu hören, wenn es um die Betreuung von geschäftsunfähigen Menschen geht. Angespartes Vermögen und Immobilien werden aufgebraucht und verwertet, die Kinder in die Haftung genommen und die Familie hat weder Mitspracherecht noch Zugriff auf Konten und Vermögen. Warum es aus Vermittlersicht sinnvoll ist, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und welche Möglichkeiten sich daraus ergeben können, möchten wir in diesem Beitrag klären.
Es sei darauf hingewiesen, dass der Makler keine Rechtsberatung in diesem Umfeld vornehmen darf. Es gibt mehrere gute Anbieter am Markt, die den Makler bei der Erstellung begleiten und die Haftung sicherstellen.
Ist nichts geregelt, wird der Patient geregelt
Derzeit werden ca. 1.4 Millionen Menschen betreut. Wer selbst nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, benötigt eine Vertretung. Diese kann aus dem familiären Umfeld kommen oder wird vom Gericht bestellt. Im Falle einer Betreuung ist es zielführend, wenn schon im Vorfeld entsprechende Regelungen getroffen wurden, wie das Leben dann verlaufen soll und wer sich um die Angelegenheiten des zu Betreuenden kümmert. Ist nichts geregelt, wird der Patient „geregelt“. Das heißt: Dritte entscheiden über ihn, im Zweifel ein durch das Gericht bestellter Betreuer.
Betreuung bedeutet nicht, dass Betreute waagerecht im Bett liegen und vor sich hinvegetieren. Betreuung bedeutet hingegen eine kurzfristige Vertretung bei Unfall, Krankheit, Koma oder geistiger Umnachtung. Die Betroffenen können in diesen Situationen keine eigenen Entscheidungen mehr treffen. Sie sind nicht mehr einwilligungsfähig. Wer entscheidet über Vermögen, medizinische Behandlungen oder bei Selbstständigen über das Unternehmen?
Versicherungsmakler sollten auch für sich selbst entsprechende Vollmachten erstellen, um einen fortlaufenden Geschäftsbetrieb gewährleisten zu können. Denn wenn das Geschäft im Betreuungsfall nicht geregelt ist, steht der Betrieb unter Umständen still.
In Deutschland herrschen primär drei große Irrtümer zu Vollmachten und Verfügungen:
Irrtum 1: „Nur Ältere sind betroffen.“ Laut Statistik ist das falsch. Mehr als 70 Prozent der unter Betreuung stehenden Menschen bewegt sich im besten arbeitsfähigen Alter zwischen 18 und 69 Jahren. Über ein Viertel ist zwischen 18 und 39 Jahre jung.
Irrtum 2: Die meisten Menschen denken immer noch, dass eine automatische Vertretungsberechtigung für den Ehe- oder Lebenspartner besteht. Dem ist nicht so. Auch Eltern sind nicht legitimiert, ihre volljährigen Kinder automatisch zu vertreten. Liegen keine Vollmachten vor, benennt das Betreuungsgericht einen Betreuer. Das kann jemand aus der Familie sein, muss aber nicht.
Irrtum 3: „Bestimmt das Gericht meinen Partner als Betreuer, dann ist alles gut.“ Auch das ist leider ein Irrglaube. Der Bundesrat hat zwar in einer Initiative 2017 angestoßen, dass Ehepartner für einen bestimmten Zeitraum Betroffene vertreten dürfen. Das kam aber nie zur Abstimmung und verlief schlussendlich im Sand. Benennt das Gericht also den Partner, hat dieser vielfältige Aufgaben und Pflichten. Zuerst muss ein Vermögensverzeichnis erstellt werden. Die Familie wird also quasi „nackt“ gemacht und kann keine Vermögensgüter verheimlichen. Darüber hinaus muss der Betreuer Ausgaben detailliert erfassen und genehmigen lassen. Ein jährlicher Bericht ist abzuliefern. Treten Ungereimtheiten auf, kann die Vermögensfürsorge auch wieder entzogen werden. Der Betreuer muss ebenso Entscheidungen zu medizinischen Behandlungen, Aufenthalt und Unterbringung und vieles mehr treffen. Der Betreuer ist verpflichtet, dem Gericht gegenüber Rechenschaft abzulegen. Er verliert somit seine Selbständigkeit.
Haftungsfragen und Vertriebspotential
Der Versicherungsmakler sollte dieses Thema auf jeden Fall mit Nachdruck ansprechen und dokumentieren. Einerseits der Sicherheit wegen, Stichwort Haftung. Andererseits, weil sich daraus zusätzlich Einnahmequellen über Cross-Selling und vor allem Neukunden ergeben.
Es bietet sich idealerweise an, das Thema Vollmachten in Verbindung mit dem für viele Makler „leidigen“ Thema Pflege anzusprechen. Hier rennen Sie offene Türen ein. Durch die vorangegangene Sensibilisierung ist die Gesprächsbereitschaft der Kunden deutlich größer.
Aus der eigenen Beratungs-Erfahrung weiß ich: Es kann durchaus vorkommen, dass Mandanten darauf vertrauen, gesund zu bleiben. Sie treffen dann keine Vorsorge. Wer aber kann von sich behaupten, ein Leben lang gesund zu sein? Ist bei Krankheit nichts geregelt und der Partner wird bestellt, gehen die Sorgen schon los. In dieser Situation sei die Erstellung eines Notfallordners durch den Versicherungsmakler ans Herz gelegt. Da dies nicht zu den Kardinalspflichten eines Maklers gehört, kann für die Erstellung ein Honorar verlangt werden. Mit der Erstellung erhält der Makler gleichzeitig Namen der Familienmitglieder, um diese als Neukunden gewinnen zu können. Es kommt durchaus auch vor, dass im Zuge der Begleitung für die Vollmachten größere Vermögenssummen ins Spiel gebracht werden, die sinnvoll angelegt werden wollen – entweder für die Einmalzahlung in eine Pflegerente, ein Depot oder eine anderweitige Versicherung. Hier ist das Fachwissen des Maklers gefragt.
Im Falle einer Betreuung durch einen gerichtlich bestellten Betreuer kann es vorkommen, dass dieser renditestarke Verträge oder Fonds auflöst, ohne zu wissen, was überhaupt dahintersteckt. Gleiches gilt für Immobilien, die eventuell unter Wert verkauft werden. Es liegt also in den Händen des Maklers, hier für die Sicherheit des Mandanten und vor allem die Sicherheit der eigenen Verträge zu sorgen.
Welche Vollmachten und Verfügungen werden für den Betreuungsfall benötigt?
- Patientenverfügung: Sie regelt die Wünsche zur Apparatemedizin, zu Behandlungen und zu würdevollem Sterben. Seit 2009 ist die Patientenverfügung rechtlich bindend.
- Betreuungsverfügung: Sie regelt Ihre Vorgaben zum Thema Pflege, Betreuung und Kontrollbetreuung, zu Ort und Art der Versorgung und der Lebensumstände und Ausschluss von Personen.
- Vorsorgevollmacht: Vollmacht für die Bereiche Finanzen, Post und Behörden, zum Aufenthaltsrecht und zur rechtlichen Stellvertretung im gesundheitlichen Bereich. Sie ist erweiterbar um das Gewerbe.
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Sorgerechtsverfügung: Über sie wird die Vormundschaft für minderjährige Kinder geregelt.