…tragen in unserer Branche meist einen Anzug oder ein Sakko. Und nein, damit meine ich nicht mich selbst, bevor das jemand fragt. Die größten Verhinderer erfolgreicher Innovation sitzen in den Führungsetagen der Versicherungswirtschaft, in Führungsebene F3, F2, F1 und im Vorstand. Wobei es erfahrungsgemäß eher weniger die Vorstände sind, sondern das Verhindern überproportional zunimmt, wenn man sich der Ebene der Abteilungsleiter nähert. Warum das so ist? Dazu eine paar Zeilen am heutigen Tag.
Vorweg genommen: Es ist in der Regel keine böse Absicht, wenn Menschen in der Versicherungsbranche Innovation verhindern. Es ist meist Unwissenheit, Unsicherheit, fehlende Vorstellungskraft oder eine Kombination aus den dreien. Manchmal kommt auch Ignoranz ins Spiel, doch wir unterstellen einmal, dass dies nicht der häufigste Grund ist, wir wollen ja konstruktiv sein. Wie sehen die zentralen Baustellen aus? Hier eine kompakte Liste:
Sebastian Heithoff
Sebastian Heithoff (*1986), aus Familientradition 2007 zur Kaufmanns-Lehre in die Assekuranz eingestiegen. Seit 2012 im Bereich (digitale) Kommunikation aktiv und in stetiger Weiterbildung, damit seit 2016 beratend im Versicherungsvertrieb tätig. Erst angestellt bis zur Teamleitung, danach als selbstständiger Unternehmensberater im AO- und Maklervertrieb. Schwerpunkt ist die „markanten Vertriebskommunikation“ – Vermittlermarken wirkungsvoll sichtbar und erlebbar zu machen.
- Eine rasante Umsetzungsgeschwindigkeit von vielen Monaten oder gar Jahren ist die Regel in der Assekuranz.
- Ein stark vorherrschendes Silodenken durch Abteilungsbudgets und „Ich setz mein Ding durch“-Mentalität.
- Mangelndes Einschwören der Entscheider, die Gesamtziele anstatt eigener Karrierentscheidungen im Blick zu haben.
- Enorme Kluft zwischen Management und den final umsetzenden Personen, wodurch der Realitätsbezug fehlt (Beispiel: Digitale Transformation im Vertrieb).
- Kundenzentrierung und agile Methoden werden zwar teilweise eingesetzt, der Output ist jedoch bei kaum einer Gesellschaft bislang kundenzentriert oder agil umgesetzt.
- Kaum eine Gesellschaft ist in der Lage, eine qualifizierte Strategie für den digitalen Wandel vorzuweisen und diese dann (wenn vorhanden) auch zielführend umzusetzen.
Die genannten Themen betreffen zwar nicht bloß die oberste Führungsebene, doch ist nur diese in der Lage, die Missstände zu verändern. Es gibt tatsächlich Versicherer, die tun dies sehr aktiv! Doch damit sind sie bislang noch in der Minderheit. Weil, aufgepasst: „Das haben wir immer schon so gemacht!“ Mein Lieblingssatz. Ja, das meint niemand böse (fast niemand), doch braucht es auch in unserer Branche Veränderung, damit wir mit der Zeit gehen und nicht unseren Anschluss an diejenigen verlieren, die unseren Lebensunterhalt bezahlen: Die Kunden.
Beispiel: Digitale Transformation im Vertrieb
Ich bleibe bei einem Beispiel, das meiner Erfahrung entstammt, das aber auch auf andere Bereiche anwendbar ist: Wir haben im Versicherungsvertrieb in vielen Häusern eine große und zum Teil schon auf mehrere Jahre angelegte Digital-Strategie für die Unterstützung von Ausschließlichkeit und Maklerschaft. Super! Doch schon ab hier beginnt der Abbau und es kommt nur in den seltensten Fällen das „draußen“ an, was sich die Strategen dabei gedacht haben. Dafür sind mehrere der o.g. Punkte verantwortlich, insbesondere aber der letzte Punkt und die Kluft zwischen Anweisern der Strategie und Umsetzern der Strategie. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Eimer Wasser und gießen ihn von oben in eine Jeans. Was passiert? Ein gewisser Teil des Wasser fließt durch die offenen Beine nach unten, doch ein nicht unerheblicher Teil bleibt unterwegs im Stoff hängen und geht „in die Hose“. Genau so versandet bei den Versicherern vielfach die gute Idee auf dem Weg zur Umsetzbarkeit. Und es geht in die Hose.
Gegenmittel für den Wasserverlust
Wie kommt man nun der Sache bei? Wie funktioniert eine gut gemachte Digital-Strategie auf ihrem Weg von der Veranlassung bis zur Implementierung? Folgende Schritte helfen dabei enorm:
- Das Top-Management hat die unbedingte Verantwortung alle relevante Beteiligten ihre Unterstützung versichern zu lassen - an einem Strang oder raus aus dem Team!
- Mehr entscheidungsbefugte Führungskräfte müssen aktiv in den Umsetzungsprozess integriert werden und nicht nur über den Dingen schweben (was bei richtiger Priorisierung tatsächlich funktioniert).
- Agile Methoden und kundenzentriertes Denken müssen behutsam, aber beharrlich, in alle Prozesse und alle Abteilungen eingeführt werden.
- Es ist kaum etwas wichtiger, als dass Unsicherheiten der Teilnehmer in einem Prozess durch Sicherheit von außen begleitet wird - ob nun durch Interne oder durch Externe.
Ich persönlich glaube an die Versicherungsbranche. Ich glaube daran, dass wir es gemeinsam hinbekommen. Kooperation und Offenheit sind die zentralen Schlüssel, die uns dabei helfen, Relevanz besser zu erkennen und mehr aus unseren eingefahrenen Denkmustern auszubrechen. Und das hat überhaupt nichts mit dem physischen Alter zu tun, die Ausrede zählt nicht. Es ist immer genug Zeit, um sich im eigenen Sinne und für andere Menschen positiv zu verändern.