Die Möglichkeiten für Datensammler werden immer größer. Viele Menschen finden dies vor allem als Bedrohung für die Privatsphäre. Für zahlreiche Marktteilnehmer verschiedener Bereiche ergeben sich damit aber auch völlig neue Geschäftsfelder, auf die sich Versicherungsmakler einstellen sollten, damit die eigenen Kunden nicht den Datenmonstern verfallen.
Mit den technischen Entwicklungen der Digitalisierungswelle hat sich der Alltag im Geschäfts- und Privatleben enorm verändert. Und die Palette der Möglichkeiten wird immer größer. Fortschritt ist digital und verändert, wie wir kommunizieren, konsumieren und leben.
Digitalisierung ist keine Frage mehr von IT-Unternehmen. Tagtäglich nutzen wir (mehr oder weniger) die digitalen Möglichkeiten über Smartphone oder Laptop und buchen Autos, Tickets für Konzerte oder Reisen. Digitale Kontrollsysteme machen Autos sicherer, in der Industrie verändert sich der Charakter der Arbeit und auch in die Medizin haben 3D-Drucker Eingang gefunden.
Der @AssekuranzDoc
Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.
Schub für Datenquellen durch gesetzliche Regelungen
Begriffe wie Sharing-Ökonomie oder digitale Ökonomie stehen für den digitalen Wandel, der vom Gesetzgeber versucht wird mit Nachholbedarf in einen gesetzlichen Rahmen zu bringen. Besonders die Auswüchse der Datensammler aus Übersee und Asien haben die Diskussion um Regeln zwischen den digitalen Plattformen und den Menschen angefacht. Eine digitale Ordnungspolitik soll nun auf die Beine gestellt werden.
Es werden zwei Ziele des Gesetzgebers formuliert:
„Ein inklusives Wachstum durch Investitionen und Innovationen auf Grundlage eines fairen Wettbewerbs zu ermöglichen und individuelle Grundrechte und Datensouveränität zu gewährleisten.“
Federführend durch das Bundesministerium für Wirtschaft sind die Anpassung des Wettbewerbsrechts sowie eine Weiterentwicklung des europäischen Wettbewerbsrechts im Fokus.
Besondere Schubwirkung dürfte unter den verschiedenen Gesetzesnovellen die sogenannte PSD2-Richtlinie haben, mit der sich auch Versicherungsmakler etwas intensiver befassen sollten. Für das nach Star Wars klingende Kürzel PSD2 steht Payment Service Directive, eine Zahlungsrichtlinie in Form eines entsprechenden Gesetzes. Im Kern geht es um neue Rahmenbedingungen für Zahlungsdienstleistungen mit dem Ziel, diese sicherer und einfacher zu gestalten und das Monopol der klassischen Bankdienstleistungen zu durchbrechen.
FinTechs erhalten Zugang zu Bankdaten der Kunden
Mit der PSD2 erhalten über den Kreis der Banken hinausgehend auch die mit der Digitalisierung entstandenen Zahlungsdienstleister, FinTechs und InsureTechs die Möglichkeit, über entsprechende Schnittstellen an die sensiblen Daten der Kunden bei Banken zu kommen und mit diesen als Serviceleistungen zu arbeiten. Den europaweiten gesetzlichen Rahmen für diese neuen Möglichkeiten stellt die PSD2 her.
Die konkrete Umsetzung der PSD2 haben Bankkunden durch neue Verfahren beim Online-Banking zum Beginn des Jahres schon bemerkt. Auch zusätzliche Abfragen von PIN und TAN bei Kreditkartenzahlungen gehören zu den offensichtlichen Änderungen. Weniger bekannt dürfte aber sein, dass nun auch Drittdienstleister für die Kunden Zahlungsdienstleistungen auslösen können und auch auf die entsprechenden Kundendaten Zugriff haben.
Als Hürde für die „externen“ Dienstleister müssen diese sich bei der Aufsichtsbehörde BaFin registrieren lassen. Dazu gehört auch die Finanzsoftware, die diese einsetzen. Bei der Commerzbank liest sich das Verfahren dann so:
„Hersteller von Finanzsoftwareprodukten sind ...angehalten, ihre Produkte bei der Deutschen Kreditwirtschaft („DK“) registrieren zu lassen. Im Dialog mit dem jeweiligen Bankrechner wird die zugewiesene Registrierungsnummer überprüft. Dadurch wird sichergestellt, dass nur aktuelle und sichere Finanzsoftwareprodukte zum Einsatz kommen.“
Mehr Dienstleistungsangebote für Kunden
Zahlungsdienste wie das europäische KLARNA, das nordamerikanische PAYPAL oder andere bieten den Kunden Dienstleistungen unabhängig vom Konto bei der Hausbank oder der eigenen Kreditkarte an. In einem Interview für Versicherungsbote hat der Geschäftsführer des Berliner Startups OptioPay, Oliver Oster, die entstandenen Möglichkeiten aufgezeigt:
„Im Zuge der neuen Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 haben wir unsere Auszahlungsplattform rund um Gutscheine nun mit OptioBanking erweitert, um Kunden auch personalisierte Spar- und Finanzempfehlungen auf Basis hinterlegter Bankdaten anbieten zu können“.
Das klingt noch sehr allgemein. Schauen wir uns an, wie das konkret aussehen kann. OptioPay arbeitet bereits mit verschiedenen Versicherern und Banken zusammen. Bei einer Schadenregulierung beispielsweise für ein gestohlenes Fahrrad im Wert von 200 EUR könnte alternativ ein Gutschein in Höhe von 240 EUR für einen Fahrradshop angeboten werden. Auch die Auswahl eines anderen Gutscheins oder Auszahlung auf ein Konto der freien Wahl wäre möglich.
Mit dem Zugriff dieser neuen FinTechs auf die Bankdaten des Kunden ist natürlich auch eine Auswertung der Bankbewegungen des Kunden möglich. Wenn der Versicherungskunde sich mit einer Auswertung der Bankdaten einverstanden erklärt, dann kann er auf Grundlage von technologischen Analysen seiner Ausgaben und Einnahmen personalisierte Empfehlungen erhalten. Einige Stichpunkte sollen die Möglichkeiten etwas illustrieren und Versicherungsmaklern zeigen, was da auf sie und ihre Kunden zukommt.
Ergebnis solcher vollautomatisierten Analysen und Empfehlungen kann sein, dass die Software bestimmt regelmäßige oder erstmalige Zahlungsströme erkennt und daraus Empfehlungen ableitet. Die erstmalige Zahlung von Kindergeld kann also ebenso zu einem Service- oder Vertriebsimpulse führen wie eine hohe Zahlung für eine Gebäudeversicherung.
Identifiziert das technische System in den Bankdaten des Kunden einen günstigeren Stromversorger, eine möglichweise passende Anlageform oder ein offensichtlich fehlendes Produkt, dann erhalten Nutzer dafür eine Empfehlung. Das zeigt, dass ein deutlich erweitertes Kundenprofil auf digitaler Basis entstehen kann, was wir so noch nicht gekannt haben. Diese dynamischen Profile gehen weit über das hinaus, was selbst Versicherungs- und Finanzdienstleistungsvermittler mit umfassender Datenanalyse bisher kannten.
Wer (umfassende) Kundendaten hat, wird überleben
Es braucht keine übermäßige Phantasie zu erkennen, dass die Möglichkeiten aus PSD2 für Versicherer, Kundenplattformen und diverse FinTechs zu datengetriebenen Kundenprofilen führen werden, die zu einem zielgenauen Marketing führen. Dem Kunden können so Produkte und Services zur richtigen Zeit angeboten werden. Eine völlig neue Form von Cross-Selling und Up-Selling wird möglich.
War es bisher schon ein Vorteil, wenn Versicherungsvermittler ihre Kunden auf Basis einer umfassenden (aber eben analogen) Datenerfassung beraten haben, so wird es nun notwendig sich mit der nächsten Stufe, der digitalen Datenverwaltung und -auswertung zu befassen.
Wer Daten sammelt, der muss diese auch nutzen. Und für diese durch Algorithmen ermittelten Erkenntnis braucht es größere zentrale Lösungen.
Namhafte Kundenportale machen es vor, was Marktmacht mit Kundendaten geschäftsfördernd anstellen kann. Auch die Apps einiger Maklerpools haben rechtzeitig die Chancen erkannt. So heißt es bei blau direkt zu den Vorteilen der Kunden-App:
„Deine Kunden können Adress- oder Bankdaten ändern, Schäden melden, Ihre Wertsachen dokumentieren, wichtige Dokumente bombensicher verwahren oder auch Dich als Makler kontaktieren und Unterstützung anfordern. Auch ihren Versicherungsschutz können Deine Kunden jederzeit kontrollieren und per Finger-Klick mit einem aus 40 Vergleichsrechnern den Angeboten des Marktes gegenüberstellen. Und dann natürlich auch umstellen.“
Mit der nun verkündeten Zusammenarbeit von blau direkt mit OptioPay werden sich den angebundenen Maklern völlig neue Möglichkeiten des Beratungs- und Kundenservices ergeben, wenn man sich dieser Art der Datenübermittlung öffnet und vorurteilsfrei die Chancen für Kunden und Makler erkennt. Und man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass solche Lösungen ein Makler als Einzelunternehmer weder selbst entwickeln noch pflegen kann.
Nur wenige von den Maklerpools als Dienstleister bereitgestellte Apps sind aktuell in der Lage, auch ohne aktive Unterstützung des Maklers oder des Kunden Versicherungsbedarf oder Änderungen zu überwachen. Deshalb sind technologisch führenden Systeme auch größeren Maklerfirmen zu empfehlen. Zukunftsorientierte Systeme werden so eine Frage der Nachhaltigkeit und Sicherheit darstellen, wie ich in meinen Strategieberatung für Makler immer wieder herausstelle.
Verbindung von Makler-Apps und PSD2-Potentialen
Aktuell stehen wir vor Überschreitung der Schwelle zur Einbindung von Bankdaten auch in die Arbeitsinstrumente der Versicherungsvermittler. Wenn der Kunde sich dafür entscheidet, dass er die persönliche Sphäre der Bankdaten für seinen Makler, Vertreter oder einem digitalen Serviceleister öffnet. Sein Vorteil kann das Potential von über 300 personalisierten Spar- und Finanzempfehlungen sein, die beispielsweise die OptioPay GmbH bietet.
Die Bereitschaft der Kunden zur Freigabe der Bankdaten für eine technische Auswertung – wenn auch sicher differenziert – ist da. Die Begeisterung von jungen Menschen für Online-Banken ist ungebremst. Selbst Mitbürger über dem fünfzigsten Lebensjahr sollen nach Marktstudien zu zwanzig bis dreißig Prozent Interesse an der digitalen Unterstützung von finanziellen Angelegenheiten zeigen.
Deshalb sollten sich vor allem die unabhängigen Finanz- und Versicherungsvermittler Gedanken um die Bestandsstaubsauger in Verbindung mit den Möglichkeiten der PSD2 machen. Die beste Strategie scheint zu sein, dass man sich den veränderten Wünschen der Kunden öffnet und sich vom möglicherweise eigenen Mißtrauen gegenüber den digitalen Möglichkeiten nicht täuschen lässt.
Die Lösungen aus Open Banking eröffnen Maklern kräftige Unterstützung im Wettrennen gegenüber den Vergleichs- und Kundenplattformen, wenn der Makler seinen Kunden von den Vorteilen der möglichen Mehrwerte für den Kunden überzeugt. Open Banking führt eine ganzheitliche Beratung der Kunden auf neue qualitative Ebene. Der Makler erhält Informationen, die er vorher kaum im Blick hatte. Dazu können beispielweise Informationen zu Mitgliedschaften in Vereinen oder Sportstudios, zu häufigem Kaufverhalten oder Möglichkeiten der steuerlichen Optimierung gehören.
Maklerdaten und Cross-Selling-Quote (CSQ) als Wertfaktor
Die vorliegende Kolumne ist Teil einer kleinen Serie für Makler zum Thema Firmen- und Bestandswert, auf die der Autor auch auf zahlreichen Maklerveranstaltungen 2020 im Februar und März bundesweit mit Vorträgen eingehen wird und die Makler auch für Weiterbildungszeiten 2020 nutzen können.
Mit den Darlegungen in dieser Kolumne ist als Fazit herauszustellen, dass der Umfang der bein Makler vorliegenden Kundendaten, die Art und Weise der Verwaltung und die erreichte Vertragsdichte pro Kunde wichtige Kriterien für qualitative und quantitative Faktoren für den Wert sind.
Aus dieser Sicht einmal in den Spiegel der Selbstreflektion zu schauen, ist meine Empfehlung. Verwaltet der Makler seine Kundendaten klassisch in Ordnern? Bietet der Makler den Kunden eine App oder ein Kundenportal zur Selbstverwaltung der Verträge oder zum Online-Abschluss an? Liegt der Makler mit seiner CSQ zwischen zwei bis vier Verträgen oder ist er besser? Öffnet sich der Kunde den Möglichkeiten von Open Banking?
Wenn Sie zu mindestens zwei dieser vier Fragen JA sagen müssen, dann besteht Handlungsbedarf, bevor die Datenkranken bei Ihren Kunden handeln – meint Ihr AssekuranzDoc.