Im Wesentlichen gibt es drei Motivationen, die ein Unternehmen dazu bewegen, sich zu verändern. Entweder intendieren sie, zu innovieren, um einen klaren Wettbewerbsvorteil zu erlangen, zu agieren, um mit den Wettbewerbern Stand halten zu können oder sie im besten Fall zu übertreffen oder zu reagieren, um auf dem Markt zu überleben. Ein Gastkommentar von Amel Lariani, Inhaberin von Environmental Transformation. Ihr Unternehmen begleitet Transformationen mit den Schwerpunkten: Strategie, Kultur, Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Die Globalisierung der Wirtschaft bedeutet für Organisationen die Globalisierung und Intensivierung des Wettbewerbs. Aus diesem Grund braucht es für jegliches Veränderungsvorhaben einen globalen Blick über die Wirtschaftssysteme hinweg und ein Verständnis für die Wechselwirkung systemischer Zusammenhänge. Nachfolgend werden ein paar Aspekte beleuchtet und in Zusammenhang gestellt.
Ausbildungssystem und Berufssystem sind ein und dasselbe System
Nach einer Studie der DAK Krankenversicherung, welche unter den Versicherten durchgeführt wurde, ist jedes vierte Schulkind von einer psychischen Erkrankung betroffen. Die Zahl der Fehltage von Arbeitnehmern aufgrund psychischer Probleme hat sich mehr als verdreifacht, wie aus dem DAK-Psychoreport 2019 hervorgeht. Das Ausgabenwachstum der gesetzlichen Krankenversicherungen wird in der Pro-Kopf-Betrachtung deutlich, eine Studie ermittelte ein Wachstum von 141 Prozent pro Kopf im Zeitraum 1991 bis 2017 - ein jährliches Wachstum von 3,5 Prozent.
Ein Berufssystem kann nur transformiert werden, wenn das vorherrschende Ausbildungssystem reformiert wird. Sie bilden ein und dasselbe System, in dem es um Leistung geht. Eine auf Leistung ausgerichtete Gesellschaft wird demnach, bedingt durch die technische Beschleunigung pro Zeiteinheit, mehr leisten und dadurch das eigene Lebenstempo beschleunigen. Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation resultiert Burn-out aus chronischem Stress am Arbeitsplatz, der unter anderem zu einer negativen Einstellung zum Job und geringerer Leistungskraft führen kann.
Versicherungen im Spannungsfeld zwischen Marktumfeld und Gesellschaft
Schon an dem genannten Beispiel wird deutlich, dass Versicherungen mehr denn je gebraucht werden. Jedoch befindet sich gerade die Versicherungsbranche in einem Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Die Erwartungen der Kunden sind gestiegen, die Bearbeitung der Anliegen sollte bedingt aus einem Mix von Zeitmangel, uninteressanter Thematik aus Sicht vieler Kunden und technischen Möglichkeiten am besten in Echtzeit erfolgen.
Der demographische Wandel verändert die Kundenstruktur und wirkt sich zugleich auf die Nachfolge potentieller Arbeitnehmer aus. Versicherungen stehen eher selten auf der Liste junger aufstrebender Talente. Durch den Wegfall der Kapitalerträge fallen wesentliche Einnahmequellen weg. Hinzu kommen strenge Eigenkapitalvorschriften durch Solvency II, höhere Anforderungen an die Anlage von Kundengeldern und erweiterte europäische Vertriebsrichtlinien. Das sind nur einige Bedingungen mit denen Versicherungen derzeit zu kämpfen haben, die jedoch in einer nachhaltigen Strategie berücksichtigt werden müssen.
Nachhaltigkeit braucht eine übergeordnete strategische Ausrichtung
Der Anspruch an eine Strategie lässt sich ohne eine klare Ausrichtung nicht aufrechthalten. Diese Ausrichtung ist gleichzusetzen mit der Antwort auf philosophische Fragen. Ein philosophischer Ansatz umfasst drei Bereiche: Heart, Head, Hand. Wozu soll unser unternehmerisches Wirken in der Gesellschaft führen? Was wollen wir erreichen? Wie wollen wir es erreichen? Das Wirken einer Organisation erfolgt von innen nach außen. Dabei geht es nicht um Einzelziele wie Digitalisierungsmaßnahmen, vielmehr geht es um eine umfassende orientierungsgebende Philosophie, nach der alle Ziele, Maßnahmen und Entscheidungen ausgerichtet werden.
Unternehmensphilosophien werden heutzutage Purpose genannt, jedoch ändert das Wort nichts an der systemischen Komplexität, die es zu beachten gilt, wenn man eine Unternehmensphilosophie erarbeitet. Gerade im Hinblick auf endliche Ressourcen, ökologische Krisen und dem sich wandelnden Sozialleben, sollte man sich mit grundsätzlichen Fragen zum Kapitalismus befassen. Ist der sich selbst reproduzierende Steigerungszwang die Ausrichtung, für die man sich entscheidet, so trägt man auch die Konsequenzen. Es gibt durchaus andere Beispiele am Markt, die menschenorientiert und/oder umweltfreundlich ausgerichtet und wirtschaftlich sehr erfolgreich sind.
Eine Unternehmensphilosophie ist kein weichgespülter Faktor, sie ist eine übergeordnete strategische Ausrichtung, die verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln nach sich zieht.