Friedrich Merz will Deutsche später in Rente schicken

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Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz und damit auch das Bundeskanzler-Amt, will die Deutschen länger arbeiten lassen. „Für die Zukunft muss das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Ruhestand noch einmal neu justiert werden“, sagte Merz dem „Spiegel“.

Der CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz hat sich angesichts einer alternden Gesellschaft für eine längere Lebensarbeitszeit ausgesprochen. Das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Ruhestand müsse „noch einmal neu justiert werden“, sagte der 64jährige dem „Spiegel“.

Generationengerechtigkeit „neue soziale Frage“

Friedrich Merz sagte in dem Interview, für ihn sei die Generationengerechtigkeit die neue soziale Frage. “Wir verschieben zu große Lasten der Gegenwart auf die Schultern der nächsten Generation.“ Das müsse die CDU bald ändern.

Als illusorisch bezeichnete er hingegen, dass auch künftig an der sogenannten doppelten Haltelinie festgehalten werden könne, einem Kernpunkt schwarz-roter Rentenpolitik. Man „werde den Rentenversicherungsbeitrag nicht bei 20 Prozent und das Rentenniveau gleichzeitig bei 48 Prozent halten können“, so der Politiker. Sonst müsse der Steuerzuschuss auf 200 bis 250 Milliarden Euro erhöht werden - was eine Abkehr von einer beitragsbezogenen Rente bedeuten würde.

Die Forderung nach einer längeren Lebensarbeitszeit dürfte innerhalb der eigenen Partei viel Zuspruch finden. Eine Arbeitsgruppe der Unionsparteien im Bundestag hat erst im Februar ein Papier für eine Rentenreform vorgelegt, in dem ähnliche Vorschläge empfohlen wurden. Demnach soll die Lebensarbeitszeit an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden (der Versicherungsbote berichtete).

Auf wenig Gegenliebe stieß der Vorstoß des Politikers hingegen bei der SPD. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Mast sagte der Nachrichtenagentur AFP, Merz verfolge eine „billige Strategie: Ich will Parteivorsitzender werden und schieße gegen alles, was wir in der großen Koalition gemacht haben“. Die Rente sei aber ein zu wichtiges Thema und gehe zu viele Menschen an, um nebenbei verfrühstückt zu werden.

Arbeitgebernahe Positionen

Gleichwohl ist der Standpunkt des CDU-Politikers und Rechtsanwalts wenig überraschend. In seiner politischen Karriere hat Friedrich Merz mehrheitlich arbeitgebernahe Positionen vertreten und sich wiederholt für mehr private Vorsorge ausgesprochen. Aktuell ist Merz noch Aufsichtsrats-Vorsitzender des Vorsorgeanbieters und Vermögensverwalters Blackrock: ein Job, den Merz Ende März aufgeben will, um sich auf seine politische Karriere zu konzentrieren. Merz selbst ist Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrates.

Ein Beispiel: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 veröffentlichte Merz mit „Mehr Kapitalismus wagen“ eine Streitschrift, mit der er sich für eine weitere Deregulierung der Finanzmärkte und mehr private Vorsorge, aber gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aussprach: ein Urteil, das er später revidierte. Merz gilt als Wunschkandidat der deutschen Wirtschaft für das Kanzleramt. Vor seiner Niederlage im Herbst 2018 gegen Annegret Kamp-Karrenbauer gaben bei einer Umfrage des Unternehmensberaters Roland Berger 72 Prozent von 114 befragten Führungskräften deutscher Firmen an, sie wünschen sich Merz als Bundeskanzler.

Geringverdiener leben kürzer

Verlierer einer solchen Rentenreform könnten Menschen mit kleinem Einkommen und schweren körperlichen Tätigkeiten sein. Der Grund: Laut einer Studie des Robert-Koch-Institutes (RKI) haben Menschen mit niedrigem Einkommen eine deutlich geringere Lebenserwartung. Demnach sterben Männer, die mindestens zehn Jahre unterhalb der Armutsgrenze leben, im Schnitt 10,8 Jahre früher als wohlhabende Männer, die entsprechend länger Rente beziehen. Bei Frauen beträgt die Differenz immerhin noch acht Jahre.

Als „arm“ wurde laut Studie gewertet, wer in seiner Erwerbsbiographie mindestens zehn Jahre lang unterhalb der offiziellen Armutsschwelle lebte. Oder genauer: weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hatte beziehungsweise - aktuell - weniger als 943 Euro netto im Monat. Als reich gilt hingegen laut Statistik, wer mehr als 150 Prozent des mittleren Einkommens verdient.