Die Grundfähigkeitsversicherung (GFV) kann ich aus ziemlich vielen Gründen schlecht finden. Viele von uns brauchen überhaupt keinen Grund dazu. Es reicht die Angst vor der Haftung. Warum die Vorbehalte unbegründet sind, erklärt Versicherungsmakler Philip Wenzel in seinem Gastkommentar. Wer mehr zur Grundfähigkeitsversicherung erfahren möchte, sollte sich unser Fachmagazin mit dem Sonderheft zur Grundfähigkeitsabsicherung sichern.
Dabei ist die GFV nichts, weshalb ich grundsätzlich mal haften müsste. Es ist sogar umgekehrt. Ich hafte in vielen Fällen, wenn ich sie nicht anbiete.
Nehmen wir mal einen Kunden, der sich die Berufsunfähigkeits-Versicherung nicht leisten will. Er ist gesund, aber Handwerker. Und 200 Euro Beitrag für 2.500 Euro BU-Rente sind ihm zu teuer. Also schreibe ich als Vermittler in die Dokumentation, dass eine BUV nicht gewünscht war, weil sie dem Kunden zu teuer ist. Wenn der Kunde mal BU wird, haften wir nicht. Alles gut.
Philip Wenzel
Philip Wenzel ist Fachwirt für Versicherungen und Finanzen (IHK) und arbeitet für die BSC GmbH in Kronach. Als Versicherungsmakler und BU-Experte hat er einen großen Anteil am Aufbau der Plattform www.worksurance.de
Wenn er aber eine Grundfähigkeit verliert, was ist dann? Dann ist die Kacke am Dampfen, würde ich mal behaupten. Denn der Kunde hat nicht gesagt, dass er keine Absicherung will. Er hat nur gesagt, dass eine BU-Versicherung zu teuer ist. Eine Erwerbsunfähigkeits- oder Grundfähigkeits-Versicherung ist günstiger. Also sollte ich diese auch anbieten. Sonst hafte ich.
Wenn er die GFV auch nicht will, weil die zu teuer ist, würde ich tatsächlich noch die Unfallrente anbieten, um auf Nummer Sicher zu gehen. Alles dokumentieren und gut ist es.
So kann mir die Grundfähigkeits-Versicherung also helfen, Haftung zu vermeiden.
Klar ist aber auch, dass ich zur GFV richtig beraten muss. Sonst hafte ich halt doch. Aber das lässt sich einfach vermeiden. Wichtig ist, dass ich dem Kunden klar mache, dass der Versicherer nicht leistet, wenn ich mich nicht mehr knien und bücken kann, nicht mehr Heben kann, nicht mehr meine Hände benutzen oder laufen kann. Er leistet dann, wenn ich die Definition des jeweiligen Leistungsauslösers erfülle. Und das muss dann auch immer mindestens 6 Monate andauern.
Deswegen muss ich mit dem Fliesenleger, der unter Knien das versteht, was er jeden Tag in der Arbeit macht, klar machen, dass er erst sein Geld bekommt, wenn er sich nicht mehr einmal hinknien und wieder aufrichten kann. Wenn er es nur noch 2 Stunden am Tag kann, kann er nicht mehr arbeiten. Aber den Auslöser hat er nicht erfüllt. Deswegen ist die Grundfähigkeits-Versicherung ja auch keine Alternative zur Berufsunfähigkeits-Versicherung. Es gibt keinen Bezug zu meinem Beruf.
Die GFV ist eigentlich eine Dread Disease. Aber der Auslöser sind nicht die Krankheiten, sondern die Einschränkungen, die die Krankheiten verursachen. Habe ich einen Herzinfarkt, kann ich vielleicht 6 Monate lang keine 12 Stufen hinauf- und hinabsteigen, ohne eine Pause von mehr als einer Minute zu machen. Und mit einem Schlaganfall kann ich vielleicht 6 Monate nicht mehr sprechen. Bei Epilepsie muss ich vielleicht den Führerschein abgeben und Arthrose schränkt die Beweglichkeit der Hand vermutlich so sehr ein, dass ich keine Glühbirne mehr eindrehen kann. Und trotzdem muss ich ja die GF-Versicherung als alternative Lösung anbieten.
Wie mache ich also die GFV zur Alternative?
Dazu muss ich eine Schnittmenge zur BU-Versicherung finden. Und das ist der Leistungsfall. Die Leistungsfall-Prüfung läuft gleich ab. Es gibt eine gesundheitliche Einschränkung, die den Leistungsfall bedingt. Bei der BUV muss ich noch meine Tätigkeiten nachweisen, also, was ich jeden Tag in der Arbeit so mache. Nur dann kann der Versicherer prüfen, ob die 50% erreicht sind oder ein sinnvolles Arbeitsergebnis nicht mehr möglich ist.
Bei der GFV muss ich keine Tätigkeitsbeschreibung abliefern. Der Versicherer prüft anhand der Bedingungen, ob ich noch 400m laufen kann, mich hinknien, 12 Treppenstufen schaffe, oder was halt sonst so drinsteht.
Wenn ich jetzt die Grundfähigkeiten in den Bedingungen mit meinen tatsächlichen Tätigkeiten im Arbeitsalltag vergleiche, kann ich eine Schnittmenge bilden. Am Ende deckt die GF-Versicherung dann vielleicht 30%, 45% oder 50% meiner Tätigkeiten ab. In anderen Fällen leistet die GFV vielleicht auch bei Auslösern, die für meine Arbeit überhaupt keine Rolle spielen.
Aber wenn ich die Prozente grob ermittelt habe, kann ich das mit der Beitragsersparnis in Verhältnis setzen. Dann ist die GFV vielleicht sogar wirtschaftlich sinnvoller als die BU-Versicherung. Oder aber sie ist einfach besser als nix und immerhin das Beste, das ich mir leisten will. Am Ende bleibt es selbstverständlich die Entscheidung des Kunden. Für uns ist nur wichtig, dass wir es anbieten, richtig erklären und die Entscheidung dokumentieren.