Kunden von Run-off-Versicherern werden nach dem Bestandsverkauf nicht benachteiligt. Sowohl die niedrigere Stornoquote als auch die absolute Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Erträgen der Versicherer hätten keine Benachteiligung der Kunden erkennen lassen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der Geschäftsabschlüsse.
Spätestens seit dem die Generali ihre Konzerntochter Generali Leben an die Run-off-Gesellschaft Viridium verkauft hat, sorgt das Thema Run-Off von Lebensversicherern für Schlagzeilen. Immerhin vier Millionen Verträge wechselten den Besitzer, die Generali ist nur noch mit einer Minderheit von 10,1 Prozent beteiligt. Im Oktober 2019 wurde das Unternehmen schließlich in Proxalto umbenannt.
Kritiker sprachen seither von verkauften Kunden und Risiken. Gleichzeitig befürchteten insbesondere Verbraucherschützer, dass Kunden nach dem Wechsel zu einem externen Bestandsabwickler eher schlechter gestellt würden. Doch flüchten die Versicherten aus ihren Verträgen, wenn die eigene Lebensversicherung den Besitzer wechselt? Dieser Frage widmete sich im Januar das Analysehaus Assekurata in einer Studie. Die Kölner haben hierfür die Stornoquote des gesamten Leben-Marktes mit einer Vergleichsgruppe von Run-off-Gesellschaften verglichen. Mit überraschendem Ergebnis: Die Run-off-Versicherer wiesen im untersuchten Jahr 2018 weniger Storno aus als der Marktschnitt.
Run-off-Versicherer haben weniger Storno als der Marktschnitt
Seit 2009 haben sich sowohl die Stornoquoten der Lebensversicherer am Markt als auch der Run-off-Gesellschaften sukzessive verringert, berichtet Analystin Alina Trierscheid auf dem hauseigenen Blog von Assekurata. Eine Kündigungswelle bei den Run-off-Gesellschaften sei also bisher ausgeblieben. Im Gegenteil: "Mit 3,35 Prozent lag die Stornoquote hier 2018 das dritte Mal in Folge sogar unter dem Marktniveau (4,24 Prozent)“, schreibt Trierscheid. Im Schnitt haben die Run-off-Anbieter also eine geringere Kundenflucht als der Markt. Eingeschränkt werden muss mit Blick auf die Zahlen, dass der neue Branchenriese Proxalto im aktuellen Vergleich noch nicht berücksichtigt werden konnte, da die Bestände der Generali ja erst im abgelaufenen Geschäftsjahr 2019 den Besitzer wechselten.
Nun hat sich auch das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) dem Thema gewidmet. Dazu hat die Berliner Plattform eine Studie bei der V.E.R.S. Leipzig und Prof. Dr. Fred Wagner vom Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig in Auftrag gegeben. Unter dem Titel „Run-offs bei Bestandsverträgen zur Altersvorsorge“ sollte beleuchtet werden, wie sich der Run-off in der Lebensversicherung auf Ergebnisse von Verträgen zur Altersvorsorge auswirkt.
Run-off-Versicherer haben eine höhere Gewinnabführungsquote
Laut Studie sei keine keine Benachteiligung der Kunden erkennen. Sowohl die niedrigere Stornoquote als auch die absolute Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Erträgen der Versicherer entkräfteten die Vorurteile. Allerdings seien die versprochenen Effizienzvorteile bei der Verwaltung großer LV-Bestände und die daraus resultierende höhere Verzinsung noch nicht in größerem Maßstab eingetreten. Zwar entfielen die Abschlusskosten. Schließlich gibt es ja kein Neugeschäft mehr. Jedoch zeigten sich in den Verwaltungskosten eben noch nicht die Vorzüge bei der Bestandsverwaltung beziehungsweise IT-Infrastruktur. Hier könnten aber zunächst anfallenden Migrations- beziehungsweise Umstellungsaufwendungen eine Rolle spielen, die die Kostenseite nachteilig beeinflussten. Das Blatt könnte sich in den Folgejahren wenden. Bei einzelnen Unternehmen hätte es bereits erste gute Ergebnisse gegeben, die diese Theorie stützten. Das geht aus einer Pressemitteilung hervor.
„Die Auswertung der Geschäftsabschlüsse sowohl der Run-off-Versicherer als auch der Unternehmen des restlichen Marktes lassen keine Benachteiligung der Kunden nach einem Bestandsverkauf erkennen. Es liegt auch im Interesse der Run-off-Plattformen, den Kunden anständig zu behandeln. Nur so können die Plattformen ihre eigene Reputation wahren, was eine zwingende Voraussetzung ist, um für weitere Bestandsübertragungen oder Unternehmenskäufe in Betracht zu kommen.“, sagte Fred Wagner vom Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig.
Unterschiede bei Beteiligung an den Überschüssen
Bei der laufenden Verzinsung zeigten sich zwischen Run-off-Versicherern und Nicht-Run-off-Versicherern kaum Unterschiede. Erstere würden aber eine höhere Nettoverzinsung aufweisen. Diese ergäbe sich vorrangig aus der stärkeren Auflösung von Bewertungsreserven. Zudem fielen Run-off-Versicherer eine durch eine höhere Zuführung zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB) auf. Gleichzeitig würden aber mehr realisierte Gewinne an die Anteilseigner ausgeschüttet. Die durchschnittliche Gewinnabführungsquote betrage bei ihnen rund 57 Prozent. Bei den Nicht-Run-off-Versicherern sind es dagegen nur 33 Prozent.
Während die Nicht-Run-off-Versicherer ihre Kunden mit 96 Prozent aller Überschüsse beteiligten, seien es bei den Run-off-Versicherern nur 89 Prozent. Auf den ersten Blick scheint es, dass die ursprüngliche Kritik dadurch bestätigt würde. Im Zusammenspiel mit der höheren RfB-Quote würde sich das aber ausgleichen. „Die geringere Beteiligungsquote führt daher nicht zwangsläufig zu einer geringeren absoluten Beteiligung der Kunden von Run-off-Versicherern. Durch die höheren erwirtschafteten Rohüberschüsse gleichen sich hier Effekte auch nach Beteiligung des Unternehmens zugunsten der Versicherungsnehmer aus.“, konstatiteren die Studienautoren. Dennoch bleibe die ökonomische Situation für die Run-off-Versicherer zunächst noch herausfordernd. Sie werden, auch um den Zukauf weiterer Bestände abzusichern, Effizienzvorteile nachweisen müssen, heißt es weiter. Mit den derzeitigen Geschäftszahlen der Run-off-Plattformen seien die Befürchtungen aus Kundensicht jedoch unbegründet.
„Es ist gut, wenn die Übernahme von Lebensversicherungsverträgen durch Bestandsversicherer ein Stück weit entemotionalisiert wird. Natürlich schwingt bei den Kunden immer ein wenig das Gefühl mit, dass der bisherige Versicherer ein Versprechen nicht einhält, aber letztendlich ist doch entscheidend, dass der Kunde auf einen neuen soliden Partner setzen kann, der ihm Sicherheit gibt, und dass bei einem solchen Verkauf alle Parteien gewinnen.“, sagte Christian Thimann, CEO Athora Deutschland Gruppe.