Betriebsschließungsversicherung: Bei Zweifeln sind Bedingungen zugunsten der Versicherungsnehmer auszulegen

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Ist das aktuelle Angebot der Versicherer, im Falle einer Betriebsschließung wegen des Coronavirus, zehn bis 15 Prozent der Schadenssumme zu übernehmen eine Gute Lösung im Sinne der Gewerbekunden - oder eher fauler Kompromiss? Diese Frage müssen sich aktuell unter anderem viele Betreiber von Gaststätten, Hotels und anderen Firmen stellen. Während einige Anbieter den Virus in den Bedingungen komplett ausgeschlossen haben, müssten andere Versicherer bei nicht so eindeutigen und teilweise zweifelhaften Regelungen Versicherungsschutz zur Verfügung stellen. Generell müsse jeder Fall gesondert betrachtet werden, rät Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte.

Quelle: Wirth-RechtsanwälteAuf Druck der bayrischen Staatsregierung wollen nun doch viele Versicherer ihre Gewerbekunden entschädigen, wenn sie ihren Betrieb infolge der Coronakrise dicht machen mussten. Auf die volle Summe können die Betroffenen aber nicht hoffen: Maximal sollen 15 Prozent der versicherten Tagessumme fließen, zudem auf 30 Tage begrenzt. Im Gegenzug sollen die Gewerbekunden auf weitere Ansprüche verzichten.

Dieser Praxis haben sich neben den bayerischen Versicherern inzwischen auch viele andere Unternehmen angeschlossen.

Das Bayerische Wirtschaftsministerium hatte die niedrigere Summe damit begründet, dass den Betroffenen ja noch auf anderem Wege geholfen werde. Im Hotel- und Gaststättengewerbe reduziere sich der wirtschaftliche Schaden der Betriebe bereits um 70 Prozent, da sie auch von staatlichen Hilfsangeboten wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen von Bund und Ländern profitieren würden. Zudem sparen sie Materialkosten ein.

Von den restlichen 30 Prozent würden die Versicherer ihren betroffenen Kunden gegenüber maximal die Hälfte - also insgesamt zwischen zehn und 15 Prozent des Schadens übernehmen. Die betroffenen Gastronomen und Hoteliers sind an diese Regelung nicht gebunden. Für die versicherten Betriebe könnte sich der Kompromiss als vergiftetes Angebot erweisen. Lassen sie sich darauf ein und verzichten auf rechtliche Schritte, bliebe auch ungeklärt, ob sie nicht doch Anrecht auf die volle Schadenssumme haben statt der gebotenen zehn bis 15 Prozent.

Wie das Angebot rechtlich einzuordnen ist, erklärt Tobias Strübing von der Berliner Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. Grundsätzlich werde der vorgeschlagene Kompromiss begrüßt. Dies sei ein erster guter Schritt für Versicherungskunden, -gesellschaften und –vermittler. „Es kann häufig sinnvoll sein, den angebotenen Kompromiss zu akzeptieren. Aber nicht unbedingt immer. Wir raten daher weiterhin, jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die nunmehr getroffene Vereinbarung auch der individuellen Situation entspricht und der dargestellte Kompromiss auch individuell einen fairen Interessensausgleich zwischen Versicherer und Kunden darstellt!“, sagt Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Versicherer können in drei Kategorien unterschieden werden

Die Argumente, die von diversen Versicherungsgesellschaften in Bezug auf eine Ablehnung des Versicherungsschutzes ins Feld geführt werden, dürften in vielen Fällen kaum greifen.

Aktuell ließen sich grob drei Kategorien unterscheiden:

  1. Es gibt Versicherer, die in ihren Versicherungsbedingungen sehr eindeutig den Versicherungsschutz beschrieben haben und auf Grundlage dieser Versicherungsbedingungen nun auch korrekt leisten.
  2. Daneben gibt es Versicherer, die in ihren Versicherungsbedingungen den aktuellen Virus klar und transparent ausgeschlossen haben. Diese Versicherer müssen zu Recht nicht leisten.
  3. Darüber hinaus haben jedoch diverse Versicherer Bedingungen verwendet, die gerade nicht so eindeutig sind und die nun aber gerade aufgrund dieser zweifelhaften Regelungen - nach unserer Auffassung - eben auch Versicherungsschutz zur Verfügung stellen müssten. Dabei kommt den Versicherungskunden eine gesetzliche Regelung zugute, die ganz klar sagt, dass Zweifel bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu Lasten des Versicherers und gerade nicht zulasten des Versicherungskunden gehen. Selbst wenn also Zweifel darüber bestehen, ob der neuartige Virus Covid-19 mitversichert ist, weil beispielsweise in den Versicherungsbedingungen auf das Infektionsschutzgesetz Bezug genommen wurde, dürfte nach unserer Auffassung somit Versicherungsschutz bestehen.

Ähnliches dürfte wohl auch für das Argument gelten, dass Versicherungsschutz deswegen nicht bestehen soll, weil keine auf das individuelle Geschäft/Restaurant/Hotel bezogene konkrete Schließungsverfügungen, sondern nur Allgemeinverfügungen oder auch nur Verordnungen die Schließung anordnen. Dieser Ansatz sei von Versichererseite sicher so gewollt gewesen. In vielen Versicherungsbedingungen sei das aber nicht in der erforderlichen Deutlichkeit geregelt. Die festgeschriebenen Bedingungen seien hierzu recht allgemein gehalten. So sei oft eine Entschädigung für den Fall vereinbart, dass die zuständige Behörde zur Verhinderung der Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit den Betrieb schließt. Jedoch werde nicht konkret genannt, ob die Schließung aufgrund einer individuellen Schließungsverfügung, behördlichen Anordnung oder aufgrund eines individuell an den Versicherungsnehmer gerichteten Verwaltungsaktes erfolgen muss. Somit lösten auch Allgemeinverfügungen oder auch Verordnungen der Landesregierungen und Gesundheitsministerien oft den Versicherungsfall aus. „Auch hier gilt: Bei Zweifeln sind Versicherungsbedingungen zugunsten der Versicherungsnehmer auszulegen.“, mahnt Strübing.

Auch das viele Gastronomen nun Liefer- oder Abholservice anbieten würden und nicht geschlossen hätten, dürfte nicht den Versicherungsschutz ausschließen und könne auch nicht als Teilschließung eingeordnet werden. Denn die Betroffenen würden diesen Dienst oft nur deswegen anbieten, weil sie den Unterbrechungsschaden so weit wie möglich mindern wollen und damit auch ihrer versicherungsvertraglich vereinbarten Schadensminderungspflicht nachkommen.