Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hat die Versicherer aufgefordert, aufgrund der Coronakrise auf hohe Dividenden-Ausschüttungen und Aktienrückkäufe zu verzichten. Doch die Versicherer denken nicht daran. Allianz und Munich Re wollen trotzdem ihre Aktionäre belohnen. Auch hat die europäische Behörde gar nicht die Befugnisse, solche Schritte von den Versicherern zu verlangen.
Deutschland ächzt unter der Corona-Krise: Viele Unternehmen mussten ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, auch auf Kosten des Steuerzahlers. Und die Börsen sind aktuell auf Talfahrt. Die Versicherungswirtschaft ist bisher nicht so stark von der Krise betroffen. Und doch richtet die EU-Aufsichtsbehörde EIOPA nun einen Appell an die Versicherer: Sie sollen in Zeiten der Coronakrise die Dividenden-Ausschüttungen ebenso aussetzen wie Aktienrückkäufe.
In einem entsprechenden Statement vom 02. April begründet die europäische Versicherungsaufsicht ihre Forderung schwerpunktmäßig mit zwei Argumenten: Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Finanzmärkte und die Wirtschaft seien noch nicht abzusehen, entsprechend auch nicht der drohende wirtschaftliche Schaden. Auch sei es für den Schutz der Versicherten -stark vereinfacht- notwendig, Eingaben und Ausgaben im Gleichgewicht zu halten. Sprich: Auch die Versicherer brauchen in schwierigen Zeiten ein starkes Finanzpolster.
Erst wenn die Auswirkungen der Corona-Krise besser abzuschätzen seien, sollen Renditen wieder ausgeschüttet werden: mit Augenmaß. Damit soll auch gewährleistet werden, dass die Versicherer nicht selbst in Liquiditäts-Engpässe hineingeraten.
Allianz und Munich Re wollen Rendite ausschütten
In Deutschland aber wollen die beiden Branchen-Riesen Allianz und Munich Re trotzdem ordentlich Dividende an ihre Aktionäre zahlen: auch in diesem Jahr. Erstgenannter ist Europas größter Versicherer: die Munich Re ist größter Rückversicherer der Welt. Beide wollen in wenigen Wochen bei Aktionärstreffen über die Rendite abstimmen lassen - wenn auch online.
Und die Rendite soll in diesem Jahr reichlich fließen. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, will die Allianz in diesem Jahr 9,60 Euro je Aktie zahlen, die Munich Re sogar 9,80 Euro. Aufgrund der jüngsten Kursverluste würde das -Stand Schlusskurs Freitag- eine Dividendenrendite von 6,5 Prozent bei der Allianz bedeuten, bei der Munich Re immer noch 5,7 Prozent.
Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ begründet Allianz-Finanzchef Giulio Terzariol das Festhalten an der Dividende mit der Stabilität des Versicherers. “Die Solvenzquote und die Liquiditätssituation der Allianz sind sehr gut", sagte Terzariol demnach. "Da gibt es Investoren, hinter denen Sparer stehen." Und er schafft es sogar, die Rendite mit der Coronakrise zu begründen: In der aktuellen Situation hätten viele Leute möglicherweise auch Cash-Probleme. "Da können Dividenden helfen.“
BaFin widerspricht EIOPA
Den deutschen Versicherern kommt entgegen, dass die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA gar nicht befugt ist, den Versicherern Renditen zu verbieten oder diese einzuschränken. Hierfür ist die deutsche Aufsicht zuständig: die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Die deutschen Wächter sehen die Sache mit den Renditen weniger streng, wie sie in einer Stellungnahme vom 02.04. deutlich machten. „Die BaFin bekräftigt ihre am 24. März 2020 veröffentlichte Erwartungshaltung, dass Finanzinstitute von Aktienrückkäufen Abstand nehmen sowie Ausschüttungen von Dividenden, Gewinnen und Boni sorgfältig abwägen sollten“, schreibt die Behörde. Ein pauschales Ausschüttungsverbot für Versicherungsunternehmen und Pensionskassen hält die BaFin dagegen nicht für geboten.
BaFin: "Wir erwarten eine überzeugende Gründung!"
„Bei der Dividendenpolitik ist natürlich die individuelle Situation der Versicherer zu berücksichtigen, insbesondere deren Risikotragfähigkeit“, führt BaFin-Exekutivdirektor Dr. Frank Grund aus. „Wir stehen diesbezüglich in engem Dialog mit den Unternehmen und erwarten eine überzeugende Begründung, falls sie Dividenden ausschütten wollen.“
Fehlende Solidarität in Zeiten der Krise? Schütten die Versicherer die Dividenden aus, würden sie immerhin auch ein Zeichen der Stärke und des Vertrauens in die eigene Zukunft senden. Die zweite Tranche ihres Aktien-Rückkaufsprogramms über 750 Millionen Euro will die Allianz nun aber vorerst aussetzen. "Wir werden eine Wiederaufnahme des Programms erwägen, wenn die finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie klarer erkennbar sind“, teilen die Münchener mit.