Viel wurde in den letzten Wochen darüber gerätselt, welche Auswirkungen die COVID-19-Krise auf Versicherungsmakler hat—wenig im Fokus stand dabei bislang das Thema Maklernachfolge. Dabei ist bereits absehbar, dass die aktuelle Krise zu massiven Verschiebungen im Maklernachfolgemarkt führen wird. Welche das sind, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Kolumne „Aus dem Alltag eines digitalen Versicherungsvermittlers“ von Dr. Philipp Kanschik (Policen Direkt).
Die COVID 19-Krise, so viel ist sicher, hat die Branche in den letzten Wochen in Atem gehalten. Neben den massiven gesundheitlichen Auswirkungen geraten dabei zunehmend auch die wirtschaftlichen Aspekte in den Fokus. Versicherungsmakler zählen dabei bislang nicht zu den am stärksten betroffenen Gruppen—anders als Airlines, Restaurants, Theater oder der Sport. Der Versicherungsmarkt im Allgemeinen und der Maklermarkt im Speziellen sind vergleichsweise stabile Märkte, die auf Krisen tendenziell verzögert reagieren.
Philipp Kanschik
Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.
Allerdings befindet sich insbesondere die Maklerbranche aktuell in einem tiefgreifenden Umbruch, der von Digitalisierung und Konsolidierung geprägt wird. Mitten in diese Umbruchsphase, in der mehr und mehr Makler der älteren Generation ihr Unternehmen an digitale Nachfolger verkaufen, platzt nun COVID 19. Wird sich die Dynamik des Marktes für Maklernachfolge dadurch grundlegend verändern? Ja, mit Sicherheit. Insbesondere bei den Preisen könnte es Veränderungen geben, die ich in der heutigen Kolumne beleuchten werden.
Preise im Maklernachfolgemarkt kommen gemäß einer mikroökonomischen Logik als der Schnittpunkt zwischen einem vorhandenen Angebot an Beständen und der Nachfrage durch Käufer nach diesen Beständen zustande.
Es zeichnet sich ab, dass COVID 19 mittelfristig zwei Effekte auf diesen Schnittpunkt haben wird:
- Das Angebot an Beständen wird größer
- Die Nachfrage nach Beständen sinkt ab
1. Das Angebot an Beständen wird größer
Kurzfristig sinkt in der aktuellen Krise das Angebot ohne Zweifel stark. Angesichts der unsicheren Entwicklung hatten viele Verkäufer im März / April 2020 erstmal andere Sorgen und haben ihre Verkaufspläne kurzfristig auf Eis gelegt. Mittelfristig führt aber die nachlassende wirtschaftliche Dynamik bei vielen Maklern zu Einbußen, die den Verkaufsdruck erhöhen.
Besonders betroffen davon werden folgende Maklerunternehmen mit folgenden Profilen sein:
Gewerbekunden-Fokus
- Aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage vieler Gewerbekunden werden in 2021 im Durchschnitt weniger Provisionseinnahmen generiert werden können als in 2020.
- Das Neugeschäftspotenzial in diesem Bereich dürfte entsprechend ebenfalls stark sinken und stark prämiengetrieben sein.
AP-lastige Geschäftsmodelle
- Durch die zu erwartende gesamtwirtschaftlich geringere Konsum- und Investitionsneigung der privaten Haushalte werden die Abschlussprovisionen bereits in 2020 stark sinken.
- Insbesondere wird das attraktive Geschäft im Vorsorgebereich schwächeln, da Vorsorge in Zeiten von Kurzarbeit nicht ganz oben auf der Agenda der Haushalte steht.
„Traditionelle“ Makler mit rein analogen Geschäftsmodellen
- Rein analoge Geschäftsmodelle wurden durch die Kontaktsperren massiv eingeschränkt und werden dies bis zu einem gewissen Grad in geplanten Öffnungsszenarien bleiben.
- Hiervon sind besonders ältere oder traditionelle Makler betroffen, die noch nicht in digitale Infrastrukturen und Kompetenzen investiert haben.
Start-ups und fremdkapitalfinanzierte Geschäftsmodelle
- Bisher sicher geglaubte Kapitalquellen können in der Krise zum Erliegen kommen.
- Makler-Unternehmen mit Finanzierungbedarf, hohen Schulden und aggressiven Businessplänen geraten unter Druck.
Anders ausgedrückt: ein großer Teil des deutschen Maklermarkts gehört zu einer der Risikogruppen, denen in 2020/ 2021 eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage droht. Dies wird bei vielen den Druck zu verkaufen erhöhen. Zum einen wird es Versuche geben, noch auf Basis aktueller, positiverer Zahlen zu verkaufen. Außerdem steigt die Verkaufsmotivation bei Maklern, deren Ertragsmodell aufgrund der Coronakrise nicht mehr so attraktiv wie bislang ist und die bereits zukünftige Wertverluste ihrer Unternehmen antizipieren.
Zum anderen wird es aber auch mittelfristig wirtschaftliche Schieflagen bei Maklern geben, die einen Verkauf notwendig machen—sicherlich aber eher in 2021 als in 2020. In Einzelfällen wird es sogar Insolvenzen geben, wobei in der Regel schon lange vorher ein Verkauf stattfinden dürfte (warum Maklerinsolvenz eher selten sind, lesen Sie hier).
Vor dem Hintergrund all dieser Überlegungen ist mittelfristig, d.h. spätestens 2021, mit einem deutlichen Anstieg der gehandelten Maklerbestände und -Unternehmen zu rechnen, möglicherweise aber auch schon wesentlich früher.
Wandel zum Käufermarkt?
2. Die Nachfrage nach Beständen sinkt ab
Die Zahl der angebotenen Bestände wird steigen—aber was passiert mit der Nachfrage? Hier ist mit einem deutlichen Rückgang aufgrund der folgenden drei Gründe zu rechnen:
Die oben genannten Risikogruppen fallen als Käufer aus
- Selbst diejenigen Käufer, bei denen es nicht um das wirtschaftliche Überleben geht, werden sich in schwierigen Zeiten zurückhalten und abwarten.
- „Analoge“ Käufer beispielsweise werden in der aktuellen Lage schon deshalb nicht investieren, weil sie nicht die notwendige digitale Infrastruktur haben, um in der aktuellen Situation neue Kunden und Bestände zu übernehmen.
Neue Käufer meiden den Markteintritt in unsicheren Zeiten
- In den letzten Jahren ist die Zahl der Erwerber von Maklerbeständen stark gestiegen.
- Wer bislang noch nicht aktiv wird, wird das Wagnis des Bestandskaufs in der Krise eher nicht eingehen.
Fehlende Finanzierungsmöglichkeiten bremsen Nachfrage
- Dem ein oder anderen etablierten Aufkäufern dürfte die Finanzierung wegbrechen, selbst wenn er sein Geschäftsmodell gern in der gewohnten Form fortsetzen möchte und nicht zu den Risikogruppen gehört.
- Darüber hinaus wird es vor allem für kleinere, lokale Makler schwer, einen Kredit zu Expansionszwecken zu erhalten.
Anders als beim Angebot dürfte der Rückgang bei den Käufern schneller auftreten und bereits in den nächsten Monaten offensichtlich werden.
Fazit: Aus einem Verkäufermarkt wird ein Käufermarkt
In den letzten Jahren gab es einen regelrechten Run auf Maklerbestände. So war es beispielsweise auf dem Bestandsmarktplatz eines großen Maklerdienstleisters zuletzt nur noch für Käufer möglich, Inserate einzustellen. Verkäuferinserate waren zuvor stets von einer so großen Zahl an potenziellen Käufer kontaktiert worden, dass Gespräche und Verhandlungen mit jedem einzelnen Kaufinteressenten gar nicht machbar gewesen wären.
Wir werden in den nächsten Monaten erleben, wie sich das ändern wird und aus einem Verkäufermarkt ein Käufermarkt wird. Am leichtesten lässt sich dies mit mikroökonomischen Mitteln nachvollziehen. Wenn die oben genannten Hypothesen stimmen, werden wir durch die Krise zunächst unmittelbar einen Rückgang der Nachfrage nach Beständen sehen (grüne Linie). Dadurch sinken die Preise und es kommen weniger Transaktionen zustanden (Schnittpunkt neu 1).
Mittelfristig wird sich dann das Angebot an Beständen ausweiten (blaue Linie). Dies führt dann zu mehr Transaktionen und einem weiteren Absinken der Preise (Schnittpunkt neu 2).
Es dürfte daher in Zukunft eine ähnliche Anzahl an Transaktionen wie heute über die Bühne gehen, die aber auf einem deutlich niedrigeren Preisniveau zustande kommen. Hier handelt es sich wohlgemerkt um den Markt-Durchschnitt. Man muss davon ausgehen, dass Qualität nach wie vor einen ordentlichen Preis erzielen kann. Verkäufer mit exzessiven Preiserwartungen, hohem Verkaufsdruck und / oder niedriger Bestandsqualität dürften hingegen stärker die Auswirkungen der Veränderungen spüren.
Die Zusammensetzung der Käufer wird sich dabei ebenfalls verändern: anders als heute werden die Käufer voll digitalisierte Maklerunternehmen sein, die gut durchfinanziert und damit in Krisenzeiten resilient und handlungsfähig sind. Auch Rentenmodelle dürften sich noch weiter durchsetzen, da die Käufer für diese Modelle keine externe Finanzierung benötigen.
Wie lange diese Effekte anhalten, ist schwer zu sagen und hängt auch davon ab, wann und wie die Gesundheits- und Wirtschaftskrise überwunden werden kann. Krisen sind oft eher Trendbeschleuniger als Trendwenden. Man darf also davon ausgehen, dass die (Makler-)Welt nach Corona nicht mehr dieselbe wie vor Corona sein wird und dieser Trends sich daher verstetigen könnte. Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.
PS. Vielen Dank an Ernesto Knein für die Grafiken zu Angebot und Nachfrage in der Maklernachfolge.
Über den Autor: Philipp Kanschik ist Bereichsleiter für das digitale Maklergeschäft und Nachfolgelösungen bei Policen Direkt. Einerseits ist er promovierter Philosoph, Weltreisender und Gitarrist und andererseits Experte für technologiebasierte Online-Versicherungs-Plattformen sowie Maklerbestandsübernahmen. So wirft er einen ganz eigenen Blick auf die digitalen Herausforderungen der Versicherungsbranche.