Munich Re-Chef Joachim Wenning hat bei der digitalen Hauptversammlung sowohl das harte Vorgehen des Rückversicherer in Sachen Betriebsschließungsversicherung als auch die geplante Rekorddividende verteidigt. 9,80 Euro je Aktie schütten die Münchener an ihre Aktionäre aus: so viel wie kein anderer Dax-Konzern.
Am Mittwoch fand die erste digitale Hauptversammlung der Munich Re statt: gezwungenermaßen, denn auch für den Rückversicherungs-Giganten gelten die Bestimmungen des Corona-Kontaktverbots. Doch Firmenchef Wenning musste sich vor den - per Stream zugeschalteten - Investoren gleich mehreren kritischen Themen stellen. Nicht nur will die Munich Re trotz Coronakrise eine Rekorddividende ausschütten. Auch strittige Personalentscheidungen stehen an.
“Die Munich Re steht wirtschaftlich gut da!“
Tatsächlich hat die Hauptversammlung die Dividende von 9,80 Euro je Aktie beschlossen. Wenning verteidigte diesen Schritt. „Auch wenn die genauen Folgen des Corona-Virus zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar sind, eines ist klar: Unser Konzern steht wirtschaftlich stark da. Die voraussichtlichen kurz- und längerfristigen Kosten der Pandemie sind erheblich. Sie werden für Munich Re aber wirtschaftlich gut verkraftbar bleiben“, sagte er bei der Aktionärsversammlung. Auch die Finanzaufsicht BaFin habe keine Einwände gehabt, da der Versicherer ausreichend kapitalstark sei.
Zugleich wurde der Konzern von seinen Aktionären erneut ermächtigt, eigene Aktien zu erwerben. Auch das ist in Coronazeiten höchst umstritten. Die Munich Re hat bereits in den letzten fünf Jahren über Aktienrückkäufe die Zahl verfügbarer Aktien um ein Fünftel reduziert. Auch hiervon profitieren die Aktionäre: Der Konzerngewinn muss künftig über weniger Papiere verteilt werden, wenn die Zahl der verfügbaren Aktien schwindet.
Härte in Sachen Betriebsschließungsversicherung
Während sich die Munich Re gegenüber den Anteilseignern spendabel zeigt, gibt sich Wenning in Sachen Betriebsschließungs-Versicherung hart.
Der Hintergrund: Das Gros der Versicherer will nicht die volle Summe auszahlen, wenn eine Firma aufgrund der Coronapandemie dicht machen musste. Das Argument stark vereinfacht: Zwar seien Betriebsschließungen infolge des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) abgesichert, aber nur jene Krankheiten, die explizit im Vertrag genannt werden. COVID-19 fehlt in vielen Altverträgen: Es ist eben neu. Rund 25.000 bis 40.000 Hoteliers und Gaststätten haben nach Branchenschätzungen mit einem solchen Vertrag vorgesorgt.
"Das leisten, was wir versprochen haben"
Munich-Re-Chef Wenning verteidigt das kategorische Nein vieler Versicherer. „Der weitgehende Ausschluss von systemischen Risiken wie Pandemien ist geradezu ein Gebot verantwortungsbewusster Risikopolitik“, zitiert ihn das Handelsblatt. „Sie stellt sicher, dass wir für Millionen von Kunden auch in Zukunft stets das leisten werden, was wir ihnen versprochen haben, und dieses Versprechen nicht dadurch gefährden, dass wir uns finanziell übernehmen.“
Ob die Versicherer tatsächlich "das leisten, was wir versprochen haben", daran haben viele betroffene Gastwirte Zweifel. Die Versicherer müssen sich in Sachen Betriebschließungs-Policen auf eine Klagewelle einstellen. “Einige hundert Gastronomen dürften klagebereit sein“, erklärt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dem "Spiegel". Ein Rechtsgutachten des Juristen Walter Seitz, früher Vorsitzender Richter des Münchner Oberlandesgerichtes, sieht die Versicherer vielfach in der Zahlpflicht (der Versicherungsbote berichtete).
Viele Gastronomie-Betriebe kämpfen um ihre Existenz, einem Drittel droht kurzfristig die Pleite. Tausende Unternehmer des Gastgewerbes hätten aus gutem Grund eine Betriebsschließungs-Police abgeschlossen - im guten Glauben, dass ihre Versicherung auch bei Corona leistet, kritisiert Dehoga. „Umso größer war die für uns nachvollziehbare Enttäuschung und Verzweiflung, als eine Vielzahl von Versicherungen dies kategorisch ablehnten“, sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges.
Lufthansa-Chef neu im Aufsichtsrat
Für Debatten sorgte auch eine Personalie. Carsten Spohr wurde neu in den Aufsichtsrat von Munich Re gewählt. Der ist nicht irgendwer, sondern Vorstands-Chef des krisengebeutelten Konzerns Lufthansa. Ein Konzern also, der dank Corona-Pandemie vor der Insolvenz steht und eventuell mit Staatsgeldern gerettet werden muss.
Bei seinem Hauptarbeitgeber hat Carsten Spohr aktuell genug zu tun. Er stemmt sich gegen eine staatliche Beteiligung für die Lufthansa - und droht mit einer Insolvenz im Schutzschirmverfahren. Dieses erlaubt zwar eine Eigenverwaltung: Macht es aber auch wahrscheinlich, dass die Lufthansa zerschlagen wird. "Ein solches Verfahren wäre der komplette Wahnsinn und könnte das Ende der Lufthansa in ihrer heutigen Form bedeuten“, warnt ein Aktionärsvertreter laut WirtschaftsWoche.
Mit anderen Worten: Bei der Lufthansa ist die Situation gerade sehr verzweifelt, alle Ressourcen Spohrs wären dort gefragt. Und doch bürdet er sich nun eine zusätzliche Aufgabe im Munich-Re-Verwaltungsrat auf? "Die Annahme eines Aufsichtsratsmandats ist unverantwortlich“, kritisiert laut Handelsblatt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance beim Munich-Re-Investor Deka Investment. Die Kritik zeigte wenig Wirkung: Spohr wird Nachfolger von Kurt Wilhelm Bock, der sein Aufsichtsratsmandat mit Wirkung zum Ende der Hauptversammlung am 29. April 2020 niedergelegt hat.